er beinahe entsetzt, während in seiner Stimme ein Aufschrei mitschwang. Solana wiederholte es und Gor sagte jetzt etwas ruhiger:
»Lass uns morgen weiter reden, es ist schon spät. Alwin zeigt dir dein Zimmer und was du sonst noch wissen musst. Schlaf gut.«
Solana folgte Alwin in das obere Stockwerk. Sie gingen einen längeren Korridor entlang, bis er eine schwere Holztür öffnete.
»Das ist dein Zimmer«, sagte er und bat sie mit einer Geste einzutreten. Solana ging hinein und sah erstaunt auf das schön eingerichtete Zimmer.
»Das ist wirklich hübsch!«
»Das Nachthemd auf dem Bett hat meiner Mutter gehört, ich denke, es müsste dir passen. Sie hatte ungefähr deine Größe und Figur.«
Solana hob das Stoffstück hoch und bestaunte das weiße Nachthemd mit den rosaroten Röschen und Spitzen.
»Schön, wirklich wunderschön«, schwärmte sie.
»Komm, jetzt zeige ich dir das Badezimmer.« Alwin führte ihr alles vor und erklärte ihr die Handhabung der sanitären Anlagen.
»Also dann schlaf gut, und wenn du was brauchst: Vorne am Fenster die erste Tür, das ist mein Zimmer. Gute Nacht.«
Solana bedankte sich höflich und ging in ihr Zimmer. Sie zog das Nachthemd an und machte einen kurzen Stopp im Badezimmer, ehe sie sich in das weiche flauschige Bett legte. Dort lag sie noch eine ganze Weile wach. Sie konnte einfach nicht abschalten, so aufgewühlt war sie von den Ereignissen des Tages. Irgendwann schlief sie aber doch vor Erschöpfung ein, bis tief in den Morgen.
*4*
In der großen Halle herrschte absolute Stille und Sota, der Herrscher, saß auf seinem Thron und sah teilnahmslos in die Menge der Gomas. Diese saßen auf ihren Stühlen und rührten sich nicht, schweigend blickten sie zu ihrem Anführer auf.
Plötzlich wurde die schwere Holztür geöffnet und einer der eintretenden Wächter stellte sich unterhalb des Throns und sah ehrfürchtig zu Sota auf.
»Herr, wir haben jetzt seit zwei Tagen unseren Berg durchforstet. Kein Winkel wurde ausgelassen, wir sind sogar bis zum Schwarzen Loch vorgedrungen, aber Solana haben wir nicht gefunden.«
Sotas Gesicht verfinsterte sich.
»Nun gut, dann befindet sie sich wohl nicht mehr im Berg. Somit ist mein Kind gestorben.«
Er erhob sich und sprach laut zu seinem Volk: »Nachdem mein einziges Kind nicht mehr am Leben ist, ernenne ich Janis, den Sohn meines Bruders, zu meinem Nachfolger, wenn ich einmal nicht mehr am Leben sein werde.«
Die Gomas erhoben sich von ihren Stühlen und sahen zu Sota auf.
»So sei es, der Wille des Herrschers ist unser Befehl.«
Sota verließ die Halle, gefolgt von seinem persönlichen Wächter Mos. Mit gesenkten Köpfen gingen sie durch die Gänge. Der Wächter öffnete die Türe zu Sotas Räumlichkeiten.
»Herr, ich muss mit dir sprechen.«
Mata saß auf einem großen Sitzkissen und kämmte ihr langes Haar. Als Sota eintrat, stand sie sofort auf und ging auf ihn zu.
»Mata, lass uns allein«, befahl er freundlich, aber bestimmt.
Mata verließ den Raum und schloss die schwere Tür hinter sich. Sota setzte sich auf das Kissenlager an der Wand.
»Was gibt es, was du mir sagen musst, Wächter?«
»Herr, ich war mit deiner Abordnung außerhalb des Berges und habe Solana dort gesehen. Sie ist vor mir geflüchtet und ich konnte sie nicht einholen, meine Füße versagten ob ihrer Schnelligkeit.«
Sota nickte nachdenklich vor sich hin.
»So etwas habe ich mir schon gedacht. Glaubst du, dass sie draußen überleben kann?«
»Herr, sie ist deine Tochter und genauso klug wie Du. Ich denke, sie wird es schaffen.«
»Dann wird sie ihm irgendwann begegnen«, sagte Sota leise.
»Ja, Herr, das wird sie wahrscheinlich«, bejahte der alte Wächter.
»Du weißt, dass du schweigen musst? Du darfst auch nichts zu Mata ihrer Mutter sagen!«
»Aber natürlich, Herr, du kannst dich auf mich verlassen.«
Sota wies ihm mit der Hand, dass er zu gehen hatte, und der Wächter bewegte sich schwerfällig aus dem Raum. Sogleich kam Mata ins Zimmer zurück und sah ihren nachdenklichen Mann auf dem Kissenlager.
»Was ist mit dir, Sota? Hat man Solana gefunden?« Sota schüttelte den Kopf.
»Sie ist nicht mehr im Berg, sie ist deshalb nicht mehr am Leben.« Mata brach in herzzerreißendes Weinen aus und Sota forderte sie auf, neben ihm Platz zu nehmen. Er nahm sie in seine Arme.
»Deine Tochter wollte es nicht anders, der Verlust unseres Kindes ist unser Schicksal.«
Seine Frau lag in seinen Armen und weinte leise vor sich hin, und Sota streichelte ihr sanft über den Rücken. Dabei versuchte er selbst, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.
»Ich möchte, dass mein totes Kind in meiner Nähe ist. Bringst du mir ihren Körper, damit ich von Solana Abschied nehmen kann?«, bat Mata plötzlich.
»In zwei Monden muss ich den Berg verlassen, um für Lebensmittelnachschub zu sorgen. Bei dieser Gelegenheit werde ich nach ihrem toten Körper Ausschau halten«, versprach er ihr, um sie zu beruhigen. Viele Stunden lagen sie eng umschlungen und schweigend zusammen.
*5*
Solana wohnte nun schon seit ein paar Wochen bei Gor und Alwin. Sie verstanden sich prächtig und sie hatte in dieser Zeit sehr viel dazugelernt. Heute war ein besonderer Tag, Alwin wollte mit Solana ins Dorf hinuntergehen und für sie etwas zum Anziehen kaufen.
Solana war beeindruckt von den schönen Gebäuden im Dorf. Als sie das Geschäft betraten, staunte sie über die Menge von Kleidern, welche hier auf den Stangen hingen.
Die Verkäuferin begrüßte beide sehr freundlich und führte sie sofort zu einem Ständer mit der passenden Größe für Solana. Sie suchte sich etwas aus und probierte es.
Ihre Wangen glühten vor Aufregung und Freude angesichts der schönen Kleider, die sie bekommen sollte. Als die beiden das Geschäft verließen, gehörten der jungen Goma zwei große Tragetaschen voll mit Bekleidung, die Alwin für sie trug.
»Ich würde sagen, jetzt gehen wir noch Eis essen«, schlug Alwin vor. Solana sah ihn fragend an.
»Was ist Eis?«
»Das werde ich dir erklären, wenn wir da sind. Lass dich einfach überraschen.«
Sie betraten das Café am Platz und setzten sich auf die Terrasse. Alwin bestellte für jeden von ihnen einen Eisbecher mit Früchten und Sahne. Solana staunte über den schön verzierten Becher, den die Bedienung kurze Zeit später vor sie auf den Tisch stellte. Sie kostete sogleich von der Sahne.
»Mmmh ... schmeckt das aber fein!«
»Das ist nur die Sahne, probier erst mal das Eis.«
Solana nahm ein bisschen auf den Löffel und kostete es.
»Das ist ja richtig kalt! Aber sehr lecker.«
»Genau deshalb nennt man es auch Eis, denn …«, und dann erklärte ihr Alwin, woraus Eis bestand und wie es zubereitet wurde.
Solana war so begeistert, dass sie es regelrecht in sich hineinschaufelte. Alwin ermahnte sie, ein wenig langsamer zu essen, und Solana grinste ihn verlegen an.
»Ich verstehe gar nicht, warum man uns immer damit gedroht hat, dass wir außerhalb des Berges sterben würden? Es ist doch so herrlich