Silke May

Treppe zum Licht


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nicht mehr ganz so hell war, und beschloss, sich auf den Weg zu machen, um die Umgebung zu erkunden. Fröhlich trat sie hinaus und überquerte den Bach mit einem Sprung, dann lief sie querfeldein, wobei sie immer wieder zurückblickte, um sich den Weg einzuprägen. Schließlich wollte sie sich nicht in der Fremde verirren.

      Im Schein der Dämmerung konnte sie die gigantischen Umrisse der Berge sehen.

      Unten im Tal flackerten die ersten Lichter auf, von denen manche kleiner als andere waren. Viele von ihnen bewegten sich in unterschiedliche Richtungen. Fasziniert ging Solana weiter bergab. Als sie an einen Weidezaun kam, kletterte sie einfach darüber.

      Nachdem sie ein paar Minuten weiter in Richtung Tal gegangen war, hörte sie leises, helles Glockenläuten, das langsam näher kam, und bemerkte, dass sie auf eine Herde Schafe zulief.

      Die Tiere näherten sich ihr nun ebenfalls interessiert. Solana konnte mit den wuscheligen Wesen nichts anfangen, denn in ihrem Berg hatte sie so etwas noch nie gesehen. Warum waren sie hier eingesperrt? Hatten sie womöglich etwas angestellt?

      Sie fand, dass sie lustig aussahen mit ihrem weißen lockigen Haarwuchs, außerdem gaben sie komische Geräusche von sich.

      Langsam verschwand die Sonne hinter den Bergen und die Dunkelheit brach herein. Solana wusste, dass sie sich jetzt beeilen musste, denn bald würde es stockfinster sein und sie würde den Weg zurück zu ihrer Höhle nicht mehr finden. Sie kehrte um und machte sich mit schnellen Schritten auf den Rückweg.

      Wenig später erkannte sie ihre Unterkunft in der Halbdämmerung, sie marschierte schnurstracks darauf zu und setzte sich darin erleichtert auf den Boden.

      Dort packte sie ihr Fladenbrot aus, brach ein weiteres Stück ab und aß es genüsslich. Während sie so dasaß und kaute, musste sie an die Gomas im Berg denken. Ob ihr Vater sich wohl um sie sorgte? Wie es ihrer Mutter gerade ging, mochte sie sich gar nicht erst ausmalen, denn es trieb ihr bereits die Tränen in die Augen, sich ihr liebes Gesicht vorzustellen.

      Stattdessen ließ sie den heutigen Tag in Gedanken Revue passieren und schlief schon kurze Zeit später ein.

      Am nächsten Morgen erwachte sie aus einem tiefen Schlaf. Ausgeruht überlegte sie, während sie ihr Frühstück zu sich nahm, wie sie den heutigen Tag gestalten sollte. Als Erstes legte sie einen Stein an die Felsenmauer der Höhle, wie sie es auch am ersten Tag getan hatte, denn heute war der zweite Tag angebrochen, den sie außerhalb des Berges verbrachte. Sie ging nach draußen, zog sich aus und erfrischte ihren Körper im kalten Wasser. Gleichzeitig wusch sie die getragene Kleidung in dem Bächlein und hängte sie zum Trocknen an einen kleinen Busch neben der Höhle.

      Sie selbst zog frische Sachen an und fühlte sich nun wieder richtig wohl. Die Sonne kam gerade hinter dem Berg hervor und schickte ihre ersten Strahlen auf die Erde. Sie spürte ihre Wärme und das die Helligkeit ihren Augen nicht mehr so viel ausmachten.

      Heute wollte sie wieder in Richtung Tal gehen und noch einmal die lustigen weißen Wesen besuchen. Sogleich machte sie sich auf und lief zwischen den Bäumen bergab.

      Kurz bevor sie den Zaun erreichte, hielt sie einen Moment inne und blieb im Schutz des kleinen Wäldchens stehen, um das wollene Grüppchen zu beobachten.

      Hinter dem eingefriedeten Bereich befand sich ein interessant geformter Steinhaufen mit einer Tür. Plötzlich öffnete sich diese und Solana erkannte, wie ein Wesen heraustrat, das wie die Männer in ihrem Volk aussah und das mit den wollenen Kreaturen keinerlei Ähnlichkeit hatte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass jenes Wesen zum Volk dieser Gegend gehörte, das wohl in dieser Art von Steingebilden lebte.

      …Das ist ein Volk, wie wir es sind, und die weißen Wesen scheinen Tiere zu sein …, dachte sie bei sich. …Sind es womöglich Ziegen? Holt Vater etwa hier unsere Milch? ... ihre Gedanken pendelten zwischen den Gomas und den hier lebenden Wesen hin und her.

      In diesem Moment erinnerte sie sich an die eigenartigen Kleider und die festen Schuhe, die sie bei ihrem Erkundungsgang in der Truhe gefunden hatte. Es war ihr klar, dass Sota andere Kleidung tragen musste, um nicht aufzufallen, wenn er sich außerhalb des Berges bewegte.

      Aber das würde ja bedeuten, dass er selbst die Verbote missachtete, die für sein Volk galten, und den Berg einfach verließ, wenn er es für nötig hielt!

      Solana lächelte vor sich hin. »Was er kann, das kann ich schon lange! Ich muss also nur herausbekommen, wie ich wieder hineinkomme. Irgendwo muss ein Hebel sein, um die Tür wieder zu öffnen«, überlegte sie laut. Sekunden später fuhr sie erschrocken zusammen, als das wilde Kläffen eines Hundes ertönte. Das große schwarze Tier lief bellend auf sie zu und Solana wurden die Knie weich, denn so ein unheimliches Wesen hatte sie noch nie gesehen.

      Sie war schon im Begriff wegzulaufen, da hörte sie hinter sich eine dunkle Männerstimme.

      »Bleib stehen! Er tut dir nichts, wenn du ruhig bleibst.«

      Solana wagte es ohnehin nicht mehr, sich zu bewegen, denn der Hund hatte sie schon fast erreicht. Im nächsten Moment trat glücklicherweise der junge Mann vor sie und hielt ihn fest.

      Lächelnd stand der blonde junge Mann vor ihr und hielt den Hund fest. Er sah sie mit seinen blauen Augen an und Solana stellte fest, dass er ihr gut gefiel. Dennoch machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte hastig davon.

      »Bleib doch hier! Er tut dir wirklich nichts!«, hörte sie ihn hinter ihr herrufen, aber sie rannte nur noch schneller bergauf. Vollkommen außer Atem blieb sie in sicherem Abstand stehen, drehte sich um und sah hinunter. Der junge Mann stand noch immer an der gleichen Stelle und sah ihr nach. Er hob einen Arm und winkte ihr zu.

      Solana erahnte, dass diese Geste ein Gruß war, und tat es ihm gleich. Dann ging sie weiter den Berg hoch, bis sie ihre Höhle erreicht hatte. Dort angekommen setzte sie sich auf einen Stein und schloss die Augen. Sie wollte sich sein Gesicht noch einmal vorstellen, denn es hatte sie vollkommen hingerissen. Kaum hatte sie ihre Augen geschlossen, sah sie ihn auch schon vor sich. Sein kurzes blondes Haar und die wunderschönen blauen Augen, die sie strahlend angesehen hatten. Ihr Gefühl sagte Solana, dass sie ihn wiedersehen würde, schließlich konnte sie an nichts anderes mehr denken.

      Für diesen Tag ließ sie es dennoch gut sein und blieb in der Nähe ihrer Höhle. Doch immer wieder sah sie hinunter zu der Stelle, an der ihr der junge Mann begegnet war. Aus dem Steingebilde trat etwas später am Tag ein anderer Mann heraus, er wirkte älter und hatte schwarzes Haar. Von dem jungen Hundebesitzer war jedoch nichts mehr zu sehen, was sie sehr schade fand.

      *3*

      Solana wusch bei ihrem morgendlichen Bad im Bach auch gleich ihr Haar, denn sie wollte besonders hübsch sein. Bereits am Vorabend hatte sie beschlossen, wieder den Platz aufzusuchen, an dem sie den schönen Mann getroffen hatte.

      Als sie mit ihrer Körperpflege fertig war, machte sie sich sofort auf den Weg bergab und durchquerte eilends den Wald. Bald konnte sie das Gatter sehen, das die Schafe auf der Wiese hielt, von denen sie immer noch glaubte, dass es Ziegen waren. Dahinter stand das steinerne Heim des dunkelhaarigen Mannes, den sie aus der Ferne gesehen hatte. Am Waldrand entdeckte Solana einen Busch mit herrlich roten Früchten und blieb stehen, sie betrachtete die appetitlichen Beeren.

      Jetzt pflückte sie eine Handvoll – setzte sich ins Gras und wollte sich gerade die Erste in den Mund schieben, als sie eine laute Männerstimme rufen hörte:

      »Halt! Nicht essen!«

      Verdutzt sah sie hinter sich – und da stand der hübsche junge Mann vom Vortag!

      »Huch … warum denn nicht?«

      »Das sind Vogelbeeren, die sind ungenießbar«, erklärte er.

      Solana warf die kleinen roten Früchte auf den Boden und sagte mit Bedauern in der Stimme:

      »Das ist wirklich schade, sie sehen so schön aus.«

      Der junge Mann war inzwischen näher an sie herangetreten.

      »Ich