Silke May

Treppe zum Licht


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      »Ich erkläre dir morgen, wie das gemeint war.«

      Vorerst trennten sich ihre Wege.

      Während Solana den Berg in Richtung Höhle emporstieg, war sie mit ihren Gedanken weiterhin bei Alwin. Erst als sie über eine Wurzel stolperte, wurde sie aus ihren Träumen gerissen und bemerkte, dass die Dämmerung schon eingesetzt hatte. Sie legte an Tempo zu und war erleichtert, als sie noch vor Einbruch der Dunkelheit in ihrer Höhle ankam.

      Dort setzte sie sich hin und packte den Beutel aus. Als Erstes nahm sie einen großen Schluck Milch aus der Kanne. Sie stellte fest, dass sie anders schmeckte als zuhause, aber sehr gut.

      Vorsichtig probierte sie von dem Käse. Auch er hatte einen eigenartigen Geschmack, aber er mundete ihr. Mit einem Stück Brot, das sie abbrach und dazu verspeiste, fand sie ihn erst recht köstlich. Zum Abschluss nahm sie noch einen Apfel aus dem Beutel und polierte ihn an ihrer Tunika.

      »Obst … das kenne ich, das gab es bei uns auch«, sagte sie leise. Dabei dachte sie sich, dass es sich so sehr gut leben ließe. Sie packte die restlichen Lebensmittel wieder in den Beutel und verschnürte ihn. Dann legte sie sich an die hintere Felsenwand der Höhle und schlief ein.

      Solana schreckte aus dem Schlaf. Ihr Herz pochte bis zum Hals, hatte sie nicht soeben die Stimme ihres Vaters gehört? Es war noch mitten in der Nacht und alles war stockfinster. Sie horchte in die Stille. Plötzlich hörte sie wieder eine Männerstimme. Schnell überlegte sie, wohin sie flüchten könnte, falls jemand die Höhle entdeckt hatte.

      Aber so sehr sie sich auch den Kopf zermarterte, ihr fiel nichts ein. Angestrengt horchte sie in die Stille und lauschte der Stimme, die von Zeit zu Zeit erklang. Mit Erleichterung stellte sie fest, dass sich die Geräusche immer weiter entfernten. Nun wusste sie, was sie morgen als Erstes tun würde. Sie musste sich nach einem Fluchtweg und einer Notunterkunft umsehen. Es dauerte lange, bis Solana ihre Ruhe wiederfand und einschlief.

      Am nächsten Morgen nahm sie eilig ihr Frühstück zu sich, dann erkundete sie die Umgebung. Solana fand eine Fluchtmöglichkeit über einen engen Nebengang, aber keinen Unterschlupf. Sie war schon am Verzweifeln, als sie endlich auch dafür einen geeigneten Platz fand.

      Es war eine sehr niedrige Höhle unterhalb eines Felsenmassivs. Sie konnte nur in gebückter Haltung hineingehen, aber es sollte ja auch nur ein Notbehelf sein. Plötzlich fiel Solana ein, dass sie Alwin vergessen hatte.

      Eilig lief sie den Berg hinunter und vergas in der Hektik, sich den Weg einzuprägen. Erst als sie schon halb unten war, bemerkte sie es.

      »Das darf doch wohl nicht wahr sein!«, schimpfte sie empört vor sich hin.

      »Das kannst du aber laut sagen, mich einfach zu vergessen!«, hörte sie Alwins Stimme aus dem kleinen Wäldchen am Hang. Er war auf dem direkten Weg zu ihr.

      »Was machst du hier oben?«, fragte Solana.

      »Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du nicht gekommen bist. Ich hatte Angst, es könnte etwas passiert sein.«

      »Das ist sehr lieb von dir, dass du dich um mich sorgst.«

      »Du bist mir eben nicht gleichgültig«, sagte Alwin und sah sie zärtlich an. Solana durchfuhr bei seinem Blick ein sanftes Kribbeln.

      »Ich musste mich nach einer Notunterkunft umsehen, für den Fall, dass meine Höhle entdeckt wird.«

      »Warum? Hast du Grund dazu?«, fragend sah er Solana an.

      »Ja, ich glaube, ich habe heute Nacht meinen Vater in der Nähe der Höhle gehört.«

      »Bist du dir sicher? Sagtest du nicht, dass die Gomas den Berg nie verlassen?«

      »Eigentlich stimmt das, aber woher kommen dann die ganzen Lebensmittel wie Obst und Ziegenmilch? Es muss wenigstens einer den Berg verlassen und diese Dinge besorgen, und das ist wahrscheinlich mein Vater, der Anführer.«

      »Da könntest du recht haben. Aber das würde auch bedeuten, dein Vater weiß, dass ihm die Sonne nichts anhaben kann.«

      »Ja, genau«, sagte Solana ganz in sich gekehrt.

      »Da hast du natürlich gut daran getan, ein Versteck zu suchen. Hast du eines gefunden?«

      »Ja«, bestätigte sie, leicht in Gedanken.

      »Das ist gut.«

      »Eigentlich nicht, denn ich habe den Weg dorthin vergessen!«, schmollte sie.

      »Dann helfe ich dir bei einer erneuten Suche. Komm, lass uns gehen.«

      »Übrigens ist für kommende Nacht ein heftiges Gewitter vorhergesagt. Wenn du willst, gehe ich mit dir zur Höhle und bleibe über Nacht.«

      »Das würdest du für mich tun?«

      »Natürlich, denn du wirst bestimmt Angst bekommen. Manche Gewitter hier sind sehr heftig und da blitzt und donnert es dann gewaltig.«

      »Wenn du meinst, ich könnte mich fürchten, dann wäre es mir schon sehr recht, wenn du bei mir wärst.«

      »Abgemacht, und jetzt lass uns ein bisschen spazieren gehen. Ich erkläre dir unterwegs noch ein paar Dinge und vielleicht stoßen wir sogar auf einen Unterschlupf in der Nähe deiner Höhle.«

      Alwin nahm Solanas Hand und sie gingen den Hang entlang über Bergwiesen und Schotterwege. Solana spürte seinen warmen kräftigen Druck und hatte vor Aufregung rote Wangen. Immer wieder sah sie ihn von der Seite an. Sie fand ihn wunderschön und sehr männlich.

      Schließlich trafen sich ihre Blicke und sie sahen sich lange in die Augen. Solana hatte das Gefühl, weiche Knie zu bekommen. Genauso hatte sie sich die Liebe vorgestellt, alleine durch seinen Blick würde sie im Innern ein sanftes Beben verspüren.

      Solana war sich sicher, dass es Liebe war. Es war genau die Liebe, von denen die Mädchen und jungen Frauen im Berg oft gesprochen hatten. Solana war ganz in ihren Gedanken versunken und stolperte plötzlich über ihre eigenen Füße.

      Alwin fing sie schnell auf, indem er seinen Arm um ihre Taille legte und sie festhielt.

      »Wo warst du denn mit deinen Gedanken?«

      Solana wurde knallrot und spürte die Hitze im Gesicht. Alwin zwinkerte ihr zu.

      »Okay, du musst nicht antworten.«

      »Ich dachte gerade an meinen Vater«, schwindelte sie.

      »Ich glaube, ich sollte dich lieber festhalten, bevor du mir noch stürzt. Wer weiß, wer dich gedanklich noch so alles beschäftigt?«, sagte er schmunzelnd und ließ seinen Arm an ihrer Taille. Solana fühlte die Wärme seines Körpers, die zu ihr herüberströmte.

      Sie fühlte sich sehr wohl und verspürte den Wunsch, ihn zu küssen. Ob sie bei einem Kuss von ihm wohl das Gleiche empfinden würde wie bei Janis, oder würde sie dabei im Innern erbeben?

      Solana wurde durch Alwins Stimme aus ihren Gedanken gerissen.

      »Wir müssen zurück. Ich möchte noch Proviant für uns holen.«

      »Was ist ein Proviant?« Alwin erklärte es ihr, während sie nach unten gingen. Nach einiger Zeit kamen sie beim Gatter an.

      »Warte hier, es wird ein bisschen dauern, aber ich beeile mich.«

      Hastig sprang er über das Gatter, um eine Abkürzung zum Haus zu nehmen. Solana blickte so lange zu den Gipfeln und erschrak, als sie die drohenden schwarzen Wolken sah, die sich in ihre Richtung schoben.

      Der Wind wurde schon ein wenig stärker und sie fröstelte leicht. Jedoch wusste sie nicht, ob es aus Kälte oder vor Aufregung war. Endlich sah sie Alwin aus dem Haus kommen, er war ziemlich bepackt. Als er näher kam, drückte er ihr eine zusammengerollte Decke in die Arme.

      »Die kannst du tragen, sie ist leicht. Und jetzt müssen wir schnell machen, komm!«

      Alwin warf einen Blick zu den Gipfeln und gab ein schnelles Tempo vor.

      »Ich