Rainer Schulz

Wer schreibt der bleibt?


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an denen auch Brandt mitgearbeitet hat. Sie kamen öfter zusammen und daraus ist dann hier in diesem Bericht des Parteisekretärs Folgendes gemacht worden:

      „Heinz Brandt, dieser Fall wirkt sich bis tief in die Reihen der Partei und des Schriftstellerverbandes aus. Briefe von ihm sind an uns abgeliefert worden von: … (jetzt werden verschiedene Namen genannt). Eine Unterredung mit dem Genossen Hartel ergab, dass eine ständige private Verbindung des Heinz Brandt zu den Schriftstellern … folgende Namen enthält: Gerhard Bengsch, E.G. Greulich. Es ist bekannt, dass alle Genannten sich wiederholt mit Brandt in den Wohnungen der Genossen Bengsch und Greulich reihum getroffen haben. Es ist weiterhin bekannt, dass diese Genossen seit der Zeit keine positive Einstellung zur Partei gezeigt haben. Und dann kommt noch: Bengsch und Greulich, behaupten von Brandt bis heute keine Briefe erhalten zu haben. Beide haben von sich aus der Partei gegenüber noch keine Stellungnahme zu ihrem Verhältnis zu Brandt abgegeben. Die Bezirksleitung der Partei ist aufgefordert im Augenblick nichts zu unternehmen.“

      So, und das haben sie auch nicht, das hat mein Mann erst nach der Wende erfahren. Sie können sich vorstellen, wie das auf ihn gewirkt hat. Er sagte meine Partei, hinter meinem Rücken hat solche Sachen behauptet, warum hat man mich nicht vorgeladen und gesagt: „Hör mal zu, du hast doch Verbindung mit Heinz Brandt gehabt, sag doch mal in welcher Art war diese Verbindung, usw.. Das muss er dann auf diese abenteuerliche Weise erfahren. Sie können sich doch vorstellen, dass das auch so spät noch wie ein Schock gewirkt hat.

      R.S.: Ihr Mann wollte auch ein Buch über seine Wanderjahre in Spanien schreiben, und deshalb das Land besuchen?

      H.G.: Ja das wollte er, er hatte sich um einen Vertrag für das Buch bemüht und natürlich waren dafür auch Genehmigungen und Devisen erforderlich. Es hätte die DDR nicht viel gekostet, denn meine Eltern hätten ihn unterstützt. Aber er bekam die Ausreise nicht. Das war auch eine Enttäuschung für ihn. Er hatte es sich sehr interessant vorgestellt, die Orte aufzusuchen, wo er in seiner Jugend war. Daraus ist leider nichts geworden.

      Er wollte auch einmal ein Buch über den 20. Juli schreiben. Mit Wolfgang Schreyer zusammen. Schreyer wollte über den bürgerlichen Widerstand schreiben und mein Mann über den proletarischen Widerstand, weil er sich da ja besser auskannte. Das Projekt ist dann gestorben, sie hatten schon viel daran gearbeitet, hatten sogar dafür Geld bekommen, aber eines Tages wurde es abgeblasen.

      Nochmal sei E.R. Greulich aus dem Interview mit Ursula Reinhold zitiert:

      Mit vielen VdN-Kameraden (Anm. Verfolgter des Naziregimes) habe ich die Absolutsetzung unseres Widerstands als ungerecht empfunden, mag man auch in der Bundesrepublik den kommunistischen Widerstand totgeschwiegen haben. Ich weiß noch, wie bestürzt wir waren, als Falk Harnack, der selbst illegal aktiv gewesen ist, Regisseur des Films Das Beil von Wandsbek, nach dem Westen ging. Dieser Film nach dem gleichnamigen Roman von Arnold Zweig, behandelt das Mitläufer-Problem. Willfährige Kritik behauptete, der Henker Teetjen sei zum Helden hochstilisiert worden, und so landete auch dieses Kunstwerk im Keller. Die gleiche Problematik hat wesentlich später Fritz Selbmann angepackt mit seinem Roman Der Mitläufer und hätte ihn nicht der ehemalige Minister Selbmann geschrieben, dieses Buch wäre nie erschienen. Wolfgang Schreyer hatte vor, nach seinem Erfolg mit dem Unternehmen Thunderstorm einen Roman über den 20. Juli zu schreiben, er nannte es Projekt 207 und wollte mich als Berater dazu haben. Sozusagen als Vorversuch schrieb er eine Erzählung. Die erschien nach so vielen Einwänden, Bedenken und Änderungsansprüchen, dass Schreyer vom Projekt 207 Abstand nahm. „Schreibt über die Kommunisten im Widerstand“, lautete der Tenor aller Einwände, bürgerliche Helden brauchen wir nicht. Ich hatte über den Kommunisten Anton Saefkow geschrieben, den Leiter der größten deutschen Widerstandsgruppe. In dem Roman Keiner wird als Held geboren spielt eine höhere Tochter aus besserem Haus eine Rolle, die sich nicht zuletzt unter dem Einfluss Antons nach links hin entwickelt. Die Querelen wegen dieser Episodenfigur waren grotesk, und dies, obwohl die meisten Genossen in der Parteispitze alte Widerstandskämpfer waren. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass sie von den Ärgernissen auf diesem Gebiet wussten, doch ein normaler Sterblicher kam schon lange nicht mehr an die oben heran.

      Hannelore Greulich weiter:

      Nach 1989, als Schreyer an seine Akten heran kam, hat er festgestellt, dass die Staatssicherheit das Projekt unterbunden hatte. Der Verlag hatte der Staatssicherheit das Konzept übergeben, die haben gesagt, „um Himmels willen nein, der proletarische Widerstand ist nicht richtig dargestellt“.

      R.S.: Stauffenberg war denen ja auch nie so ganz geheuer.

      H.G.: Das stimmt, obwohl Verbindungen bestanden haben. Wir haben eine Menge Material gewälzt, es haben Verbindungen bestanden, es gab sogar ein Treffen zwischen proletarischen Widerstandskämpfern und Vertrauten von Stauffenberg.

      Aber das hat eben auch nicht gepasst. Schreyer und mein Mann hatten keine Ahnung, warum, es wurde ihnen nur gesagt, aus diesem und jenem Grund, es ist nicht richtig dargestellt, aber wer wirklich dahinter steckte haben wir erst nach 1990 erfahren. Das war im Nachhinein eine große Enttäuschung.

      R.S.: Hat ihr Mann in den Achtzigerjahren überhaupt noch veröffentlichen können?

      H.G.. Da ist „Des Kaisers Waisenknabe“ erschienen, die Hetärenträume, Geschichten und Aphorismen, aber ich hab das nicht mehr genau im Kopf. Doch, da kam noch einiges.

      R.S.: Wie war das für Sie am 9. November 1989?

      H.G.: Wir haben das überhaupt nicht mitbekommen. Wir haben an dem Abend nicht ferngesehen, haben Musik gehört, geplaudert, und auch am anderen Morgen keinen Rundfunk gehört. Ich fahre zu meinem Zahnarzt, sitze in dem Zahnarztstuhl, und da sagt er, „meine Sprechstundenhilfe ist heute nicht gekommen, sie ist in Westberlin“. Ich sag, „wie bitte“, ich verstand das nicht, na vielleicht besucht sie ihre Oma, aber da sagt er: „Frau Greulich die Mauer ist offen!“ Da hab ich das erst mitbekommen. Ich bin nach Hause gefahren. Mein Mann hatte auch noch keine Zeitung gelesen und war völlig ahnungslos. Er war nicht etwa traurig, durchaus nicht.

      Ich habe mich gewundert, wie er über die Dinge dachte, die sich vorher ereignet haben, die große Demonstration auf dem Alexanderplatz. Da hat er sich mit Horst Heitzenröther, seinem Freund, ausgetauscht, der dabei war. Mein Mann konnte schon nicht mehr, denn er war damals schon sehr krank, er war ans Haus gefesselt. Bei ihm war auch eine gewisse Angst vorhanden, denn es hätte auch alles aus dem Ruder laufen können, wir hätten auch einen Bürgerkrieg haben können. Andererseits gab es auch eine gewisse Befreiung. Mein Mann hat diesen Umbruch oder „Die Wende“ wie es genannt wurde, mit einer Ruhe aufgenommen, dass ich mich gefragt habe: „Was geht in ihm vor?“ Obwohl wir sonst so viel miteinander geredet haben, aber darüber haben wir seltsamerweise wenig gesprochen. Er hat das innerlich verarbeitet, aber viel ruhiger als ich das befürchtet habe. Man hörte ja auch von Leuten, die sich das Leben genommen haben, die wirklich zusammengebrochen waren. Aber er hatte wohl gefühlt, dass es nicht so weiter gehen konnte, dass sich etwas ändern musste. Es ist erreicht - und es ist gut so.

      Er hat das, obwohl er wusste, dass damit seine schriftstellerische Laufbahn beendet ist, so gesehen. Er hat sich überhaupt keine Illusionen mehr gemacht. Diese politische Wende hat ihn irgendwie erleichtert. Dafür hab ich ihn bewundert, dass er so ruhig und gefasst war. Ja er hat seine Gefühle nicht gezeigt, entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten.

      Mein Mann ist seit 1990, um mal mit Tucholsky zu reden, ein „aufgehörter Schriftsteller“ gewesen. Da ist nichts mehr gekommen, nur noch ein Buch, sozusagen die Fortsetzung des Waisenknaben, das ist auch nicht mehr in seinem alten Verlag erschienen, sondern im Nora Verlag. Da hat mein Mann für das Buch bezahlt, weil das fertige Manuskript da lag, und er es um jeden Preis herausbringen wollte. Und ich hab auch gesagt: „Na gut in Gottes Namen, tun wir das.“ Aber leider ist es so, dass Nora sich in keiner Weise um ein Buch bemüht, keine Werbung, kein Vertrieb im üblichen Sinne, die drucken das Buch stellen es ins Regal und warten darauf, dass irgendeiner es bestellt.

      Eine Zeit lang waren diese Bezahlverlage nach der Wende mächtig aktiv. Mein Mann hat laufend von diesen sogenannten Verlagen Angebote bekommen, aber irgendwie hatte er sich für Nora entschieden, das war auch nicht so teuer. Ich entsinne mich nicht mehr an eine genaue Summe. Aber