Rainer Schulz

Wer schreibt der bleibt?


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nicht mit literarischen Intentionen. Das Erlebte hat ihn so bedrückt, dass er das loswerden musste. Bereits in amerikanischer Kriegsgefangenschaft hat er den Text mit der Hand in ein Notizbuch geschrieben. Sein Freund, Horst Heitzenröther, ein Mitgefangener, den er dort kennengelernt hatte, hat das dann übertragen. Er war nämlich in der Schreibstube und hatte so Zugang zu einer Schreibmaschine, einer amerikanischen. Von diesem Manuskript existiert übrigens noch ein Exemplar, das habe ich noch hier. Ein zweiter Ablehnungsgrund war, dass das Buch so voller Landserromantik sei.

      Das Buch war nicht angesehen. Es wurde sogar von ehemaligen 999ern angegriffen die später in hohen Funktionen waren. Und so bestand keine Aussicht, dass das Buch noch einmal erscheint. Obwohl verschiedene Kollegen immer wieder fragten, „warum kommt das Buch nicht wieder heraus?“

      Es ist leider auch so, und das war vielleicht eine Schwäche in der literarischen Arbeit meines Mannes, dass er sehr viel im Jargon, im Berliner Dialekt, geschrieben hat. Das ist auch in seinen späteren Büchern zu viel, wie ich finde, aber das war seine Art.

      R.S.: So war er eben.

      H.G.: Na ja, er war eben ein waschechter Berliner.

      R.S.: Ihr Mann wurde von seinen Parteigenossen nicht immer gut behandelt?

      H.G.: Ja das stimmt. Wie schon gesagt, ehemaligen Kameraden von der Strafdivision 999, denen gefiel es nicht, das Heroische kam ihnen zu kurz. Aber sie wissen ja selbst, das Leben ist nie heroisch und das Buch ist eben ein Tatsachenbericht. Heldentum wird erst in der Literatur dazugegeben, manchmal auch in der Historienbeschreibung. Mein Mann hat sich immer dagegen gewehrt. Er war als Mensch sehr leidenschaftlich und temperamentvoll; er hatte immer Bodenhaftung. Ihm war nichts so zuwider wie dieses Überhöhte. Heldenbilder zu schaffen, das mochte er nicht. Gerade in diesem Buch ist davon aber nun wirklich nicht die Rede.

      Trotzdem machte mein Mann immer wieder Ansätze, das Buch noch einmal herauszubringen. Er wurde überall abgewiesen, angefangen von seinem Hausverlag Neues Leben bis zum Militärverlag.

      R.S.: Das war dann bei dem Buch „Amerikanische Odyssee“, das zwar viel später kam, aber doch eine Fortsetzung des Heldentodes war, anders.

      H.G.: Beim Heldentod handelt es sich um einen Tatsachenbericht wo hingegen die Amerikanische Odyssee als Roman konzipiert war. Da hat er zum Teil frei gestaltet. Ja und der ist dann tatsächlich in mehreren Auflagen herausgekommen. Er ist auch, wenn sie vergleichen, etwas glatter geschrieben, als der Heldentod.

      R.S.: Das wurde ja unter anderen Umständen geschrieben.

      H.G.. Bei Heldentod war alles noch so unmittelbar.

      R.S.: Das machte aber gerade das Authentische aus.

      H.G.: Mein Mann war ein Mensch, aus dem platzte förmlich alles heraus. Wenn er unterwegs Dinge erlebt hatte und nach Hause kam, egal zu welcher Zeit, musste er sich sofort hinsetzen und das aufschreiben. Er war kein Diplomat, der lange überlegte sondern er riss immer gleich den Mund auf, ob privat oder öffentlich.

      R.S.: Er war später in der DDR hoch dekoriert, er hatte alle möglichen Auszeichnungen bekommen?

      H.G.: Na die wurden ja viel vergeben, es waren die üblichen vaterländischen Verdienstorden…

      R.S.: …der ist ja nun nicht mehr ganz so üblich.

      H.G.: Ja, der wurde ja doch in rauen Mengen verteilt. Er war ein alter Genosse und da ging das fast automatisch. Wenn einer Bronze hatte, dann war er nach gewisser Zeit dran für Silber.

      R.S.: Er ersitzt sich das dann wie eine Beförderung?

      H.G.: So ähnlich. Er hat nicht die höchsten Weihen erreicht, er hat es bis zum Goldenen gebracht, aber da war dann wirklich Schluss.

      R.S.. Mehr gab es doch gar nicht, oder?

      H.G.: Da gab es noch die Ehrenspange und dann mit Brillanten und so etwas.

      Meinem Mann waren diese Orden ziemlich egal. So etwas liebte er nicht. Er schilderte mir immer wie diese Ordensverleihungen vor sich gingen, die Treffen im Staatsratsgebäude. Vorher trafen sich alle im Palast der Republik, und die Militärs kamen mit ihren Ordensbrüsten. Ich entsinne mich, auf der Einladung stand immer: „Orden und Ehrenzeichen sind anzulegen.“ Da sagte ich zu ihm: „Na du hast doch welche,“ und wollte ihm die anstecken. Da sagte er, „nee lass das, ich will das nicht, ich gehe so.“ Ich entgegnete, „das kannst du doch nicht machen.“ Frauen sind da eben kompromissbereiter; deshalb habe ich ihm seinem Orden‚ ‚Kämpfer gegen den Faschismus‘ in die Jackentasche gesteckt. Er kommt in den Palast der Republik und trifft Ruth Werner (Anm. Ruth Werner war, Schriftstellerin und Agentin des sowjetischen Militärnachrichtendienstes GRU), die guckt ihn an und sagt zu ihm: „Sag mal du kommst ja hier so kahl an, du hast doch auch Orden.“ „Ja“, sagt er, „aber ich mag die nicht anlegen, meine Frau hat mir einen in die Jackettasche gesteckt.“ Da greift sie in seine Tasche und findet diesen einen Orden und sagt zu ihm, „na den kannst du doch aber mit Stolz tragen und den hefte ich dir jetzt an.“ Und das hat sie dann auch gemacht.

      Er hat mal den Goethepreis der Stadt Berlin bekommen, der war für ihn wirklich wichtig, denn das war ein Preis für seine literarische Arbeit.

      R.S.: Er hat später auch Jugendbücher geschrieben, „Die Verbannten von Neukaledonien“, z.B. aus der Reihe Spannend erzählt?

      H.G.: Ja, diese Reihe. Dafür hat er sich persönlich sehr eingesetzt, weil er noch wusste, was er als junger Mensch so verschlungen hat an Abenteuerbüchern. Er glaubte immer, bei der Jugend sei dieser Hang auch heute noch vorhanden und er hielt es für wichtig, spannende Bücher herauszubringen. Diese Reihe wurde später sehr erfolgreich, es wurden hohe Auflagen erzielt. „Robinson spielt König“, war das Buch mit der höchsten Auflage, da sind fast eine Million Bücher gedruckt worden. Damit wurde mein Mann sehr populär.

      R.S.: Er hat auch über Widerstandskämpfer geschrieben.

      H.G.: Das stimmt. Diese drei Bücher, über Anton Saefkow, Artur Becker und Karl Liebknecht, bzw. eine Periode aus dem Leben Karl Liebknechts, waren Auftragsarbeiten. Der Verlag ist an ihn herangetreten, ob er das nicht machen will. Er hat lange überlegt, weil er sich lieber selber seine Stoffe und Themen gesucht hat. Und er hatte genug davon, daran mangelte es nicht.

      Er wollte es eigentlich nicht machen und er sagte mir einmal, dass er sich bei Artur Becker und Anton Saefkow doch als ehemaliger Widerstandskämpfer in gewisser Weise verpflichtet fühlte, und er wollte es eben versuchen. Er wollte keine Helden darstellen, darum auch der Titel des Saefkow Buches „Keiner wird als Held geboren“, sondern er wollte sie wirklich menschlich darstellen. Darüber hat sich mein Mann mit dem Lektor überworfen, und alles hinwerfen wollen. Das war das, worunter er gelitten hat, weil er mit der Heldenverehrung, die ja immer schlimmer wurde, nicht fertig wurde. Die Führung mochte ja nur dieses strahlende Bild. Mein Mann hatte sich hingesetzt und nicht nur aus den üblichen, offiziellen Verlautbarungen sein Material geschöpft, sondern er hat die Angehörigen aufgesucht. Er hat von denen persönliche Brief bekommen, in denen eben auch Dinge standen die sehr menschlich waren und von denen er glaubte, dass sie unbedingt in einem Buch über diese Person dargestellt werden müssen, und da fingen die Schwierigkeiten an. Diese Menschen haben doch nicht nur auf den Barrikaden gestanden und gekämpft; mein Mann wollte eben auch das zeigen. Das wurde sofort als Diffamierung eines Widerstandskämpfers dargestellt. Die DDR war leider sehr moralinsauer. Was sich hinter den Kulissen abgespielt hat, kam ja nicht an die Oberfläche. Also auch eine gewisse Heuchelei, das war beinahe wie in der Katholischen Kirche. Damit ist mein Mann so schwer fertig geworden.

      R.S.: Ihr Mann war überzeugter Kommunist, ein richtiger Idealist?

      H.G.: Ja, er ist ja so aufgewachsen, in einem sozialdemokratischen Elternhaus, seine Mutter war eine Rednerin bei den Sozialdemokraten, also für die damalige Zeit eine sehr emanzipierte Frau, sein Vater war Buchdrucker, sehr gebildet und belesen und den Künsten zugewandt. So war mein Mann als Kind praktisch schon politisch. Für mich war das ganz erstaunlich, weil ich aus einem ganz anderen Elternhaus komme.

      Bei meinem Mann war das schon als Schuljunge selbstverständlich, dass man sich politisch betätigte und das hat sich