ich Dir ja nicht zu vererben, aber immerhin die Rechte an meinen Büchern. Die gebe ich Dir jetzt schon. Was Du damit anfangen kannst, musst Du sehen. Es bleibt am Ende immer noch das Literaturarchiv in Marbach.“
Was macht man mit Buchrechten? Logischerweise sucht man einen Verlag; eine für mich komplett andere Welt, denn Bankiers sind anders als Verleger. Nicht besser oder schlechter, aber anders. Allerdings ist der Bankier ehrlicher, denn er gibt zu: Am Ende zählt, was in der Kasse bleibt. Die Welt mögen die anderen verbessern.
Es kam wie es leider kommen musste, wir haben keinen Verlag gefunden. Von einigen erhielten wir Absagen; lapidare zwar, die mir zeigten, dass sie sich die Manuskripte nicht einmal angesehen hatten, aber die haben immerhin reagiert. Die meisten nicht einmal das.
Zwar gab es immer noch die Option mit dem Literaturarchiv. Aber allein das Wort erinnerte mich immer an einen Sketch von dem Berliner Kabarett „Die Stachelschweine“. Darin spielt Wolfgang Gruner den Sachbearbeiter einer Behörde, dessen einzige Aufgabe es ist, Aktennotizen anzufertigen und diese dann eigenhändig ins Archiv zu tragen.
„Wenn wir also keinen Verlag finden, gründen wir eben einen.“ Mein Vater war von der Idee angetan (Später las ich in seinem Tagebuch, das er mir zur Verfügung stellte, dass er durchaus skeptisch an die Sache heranging).
Am 28. November 2012 erfolgte die Gründung des HeRaS Verlages, zunächst als reiner eBook-Verlag, denn für mehr fehlte das Kapital. HeRaS steht für Helmut und Rainer Schulz, eine Idee meiner Frau Claudia. Unser Ziel war, seine Werke vor der Vergessenheit zu bewahren. HeRaS nahm dann eine überraschend positive Entwicklung, allerdings mehr substanziell als materiell. Mein Vater entwickelte Energien, die ich ihm nicht mehr zugetraut hatte: „Wir brauchen mehr Autoren. Ich habe da eine Liste von Kollegen aus alter Zeit. Die spreche ich alle an.“ Das tat er dann auch. Die meisten der Autoren unseres Verlages haben eine ähnliche Entwicklung wie er. Dadurch hat der Verlag ein unverwechselbares Profil (wie ich meine, bei aller Bescheidenheit).
Anlässlich des 85. Geburtstags meines Vaters versuchten wir, bei der Kulturredaktion des rbb eine kurze Sendung über ihn zu erreichen. Daraus wurde leider nichts. Aber der Leiter der Kulturredaktion schrieb: „Eine Sendung über DDR-Autoren, die nach der Wiedervereinigung einen zunehmend schwereren Stand im profitorientierten nunmehr gesamtdeutschen Buchmarkt haben, in der Helmut H. Schulz auch vorkommt, ist eine realistische Idee für eine Sendung.“
Ich weiß nicht, ob diese Sendung jemals zustande kommt. Aber danke dem Herrn trotzdem. Parallel dazu hatte nämlich mein Vater die Idee, ein Buch mit Autorengesprächen zu machen: „Das sind Zeitzeugen, die haben interessante Lebensläufe und alle was zu sagen, das festzuhalten lohnt. Die Chance musst du nutzen und zwar bald, denn die werden alle nicht jünger. Wer wenn nicht du? Außerdem passt das hervorragend zu unserem Verlagsprogramm.“
Da hat er Recht!
Rainer V. Schulz
ZU DIESEM BUCH
Ursula Reinhold, geboren 1938 in Berlin, Fachschule für Bibliothekare, Germanistikstudium, Promotion und Habilitation.
1970-73 Tätigkeit als Redakteurin, 1973 bis 1991 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Akademie der Wissenschaften der DDR. 1991 bis 1996 Lehrauftrag an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Wissenschaftliche und literaturkritische Veröffentlichungen zur deutschen Literatur seit 1945. Sie hat Sohn und Tochter und sechs Enkel.
Auch das Buch- und Verlagswesen ist in schnelllebiger Zeit von vielfältigen Veränderungen betroffen. Mitunter obwaltet bei Neugründungen der reine Zufall wie bei HeRaS, für dessen Benennung die Namenskürzel von Vater und Sohn, Helmut H. Schulz und Rainer Schulz herhalten müssen. Der Vater, ein in der DDR bekannter und viel gelesener Schriftsteller betraut den Sohn, der nicht vom Fach ist, mit dem Vorlass seines schriftstellerischen Erbes. Ein Koffer voller Manuskripte wurde die Keimzelle für die Neugründung. Zusammen mit seiner Frau Claudia entfaltet der Sohn eine rege Verlagstätigkeit. Dabei wurden aus interessierten Lesern Bücher-Macher, die sich mehr und mehr in die Materie einarbeiteten und nunmehr früheren DDR-Autoren, die im gesamtdeutschen Kontext bisher kaum wahrgenommen wurden, eine verlegerische Plattform bereiten.
In dem vorliegenden Band erhalten diese Autoren eine Stimme. Die Auswahl ist in Bezug auf die DDR-Literatur ganz und gar zufällig. Die Mehrzahl der Autoren gehörte in der Literatur der DDR weder zur ersten Reihe, noch fiel jemand von ihnen durch ausdrückliche Dissidenz auf, daher werden Namen und Werke der hier befragten Autoren im Westen nur wenigen Lesern bekannt geworden sein.
Die hier zu Wort kommenden Autoren lebten und schrieben in der DDR, in der sie bis 1990 den Wirkungsraum ihrer literarischen Arbeit und auch ihre Leser fanden. Mit dem Ende des Staatswesens DDR standen sie nun auch dem grundlegenden Wandel des Verlagswesens gegenüber, mussten sich auf neue Literaturverhältnisse einstellen. Der aus dem Jahre 1995 stammende Beitrag von Martin Weskott „Eine Kultur verlässt den Raum“ führt diese Situation noch einmal eindringlich vor Augen. Auch einige der hier vertretenen Autoren traf das Schicksal, eigene Bücher vernichtet zu sehen. Viele dieser Titel sucht man auch heute in allgemein zugänglichen Bibliotheken vergebens. Ihre Autoren haben weitergeschrieben, andere haben überhaupt erst nach der Wende begonnen, Bücher zu veröffentlichen. Die Publikationen erschienen in Kleinstverlagen, die Schöpfer bezahlten Druckkostenzuschüsse. Der Zugang zu größeren Verlagen gelingt nicht. Christoph Links beschreibt sachkundig die neuen Bedingungen unter denen die früheren DDR-Verlage standen, als sie nach der Vereinigung der Dominanz des westdeutschen Buchmarktes ausgesetzt waren. Er rekonstruiert die Voraussetzungen unter denen einige weiterarbeiten konnten, vermittelt wie sich neue, auf bestimmte Sachgebiete spezialisierte Verlage gründeten, die dazu beitrugen, dass auch im Osten weiterhin Bücher produziert werden konnten.
Die Lebensdaten derer, die hier über sich selbst Auskunft geben, umfassen mehrere Generationen und umschreiben so einen weiten historischen Bogen. Er reicht von Emil Rudolf Greulich (Pseud. Erge), Jahrgang 1909, für den es hier einen Nachruf gibt, bis zu Beate Morgenstern, Jahrgang 1946, die jüngste der hier versammelten Schriftsteller. Sie debütierte 1979 mit Geschichten über den Alltag in der DDR und gab mit dem Romanerstling „Nest im Kopf (1988) die Probe ihres bedeutenden Erzähltalents, das allerdings in den Wirren der Wendejahre wenig Beachtung fand. Sie hat inzwischen ein vielgestaltiges Romanwerk vorgelegt, das in mehreren kleinen Verlagen ediert wurde.
Obwohl biographische Prägungen, soziale Haltungen und Erkenntnisse, künstlerische Inspirationen auch die Erfahrungen in der DDR-Literaturgesellschaft sehr unterschiedlich waren und sind, gibt es für die hier zu Wort kommenden Autoren doch eine Übereinstimmung mit der in der DDR-Gesellschaft allgemein akzeptierten Prämisse, dass die Literatur eine wesentliche gesellschaftliche Funktion innehat. Dabei würden direkte Nachfragen nach Motiv und Sinn eigener Arbeit von jedem Schreibenden auf spezielle Weise beantwortet werden und ein weitgefächertes Feld von Schreibmotivation zu Tage befördern. Manchem Werk ist die Absicht eingeschrieben, Zeugnis abzulegen über Erlebtes und Erlittenes im Wandel der Zeiten. Andere Autoren sind darauf aus, sich schreibend selbst zu vergewissern, sich ihrer Prägungen bewusst zu werden, wollen Verständigung über individuelle Verhaltensweisen und Lebensformen anregen oder wollen Lebenshilfe geben. Erwartungen direkter öffentlicher Einflussnahme auf politisches Geschehen wären dagegen sicherlich seltener anzutreffen, ebenso haben sich Vorstellungen von unmittelbar erzieherischer Wirkung verflüchtigt.
Ein auf humanistische Wirkungen gerichtetes Literaturverständnis ergab sich aus der notwendigen Neubesinnung nach Faschismus und Krieg, denn die 12 Jahre Faschismus hatten nicht nur in materieller Hinsicht ein verheertes Land, sondern auch ein demoralisiertes Volk zurückgelassen. Zunächst waren es die Klassiker und die Werke der Autoren, die ins Exil hatten gehen müssen, die nun veröffentlicht wurden und ihre Leser fanden. Die aus dem Exil in den Osten zurückgekehrten Autoren (Becher, Brecht, Seghers, Hermlin, Renn, u.a.) wurden oftmals zu Lehrmeistern für die Jungen. Über die gesamte Geschichte der DDR blieb diese Überzeugung von der wesentlichen Rolle der