Jay Baldwyn

Wehe, wenn Santa kommt!


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lieber wieder in deinen Körper zurückkehren. Dorthin, wo ein Teil von ihr hergekommen ist.«

      »Sie sind vollkommen wahnsinnig«, stöhnte Wayne. »Ich werde kein einziges Stück mehr essen.«

      »Oh doch, du wirst. So lange, bis es dir zu den Ohren herauskommt.«

      Santa griff einige große Stücke vom Boden auf und schwebte wie von einer unsichtbaren Hebebühne getragen nach oben. Als er vor dem Gesicht des hilflosen Mannes angekommen war, stopfte er ihm wie bei einer Pute das süße Weihnachtsgebäck in den Mund. Wayne hatte keine Gelegenheit mehr, darüber nachzudenken, ob es sich dabei wirklich um seine verwandelte Tochter handelte, denn schon kurz darauf war er jämmerlich erstickt. Tatsache war, dass es nicht die geringste Spur von Janice im gesamten Haus gab.

      Am Weihnachtsmorgen machten sich die Zwillinge Jesse und Pamela mit Feuereifer über die Geschenke her. Eine Zeremonie, die in allen amerikanischen Häusern am 25. Dezember Brauch war. Amos, Frances und Emily sahen ihnen eine Weile zu und begutachteten dann ihre Geschenke.

      »Da war Santa Claus aber wieder fleißig«, sagte Amos lächelnd.

      »Oh, Daddy, ich bin so glücklich über den neuen Laptop«, jubelte Jesse.

      »Und ich über mein Smartphone in Pink. Danke, Mom, Daddy«, sagte Pamela und herzte ihre Eltern.

      »Ihr bringt da was durcheinander. Ich bin nicht Santa Claus. Bei dem müsst ihr euch bedanken.«

      »Schon klar, Daddy. Trotzdem vielen Dank«, klang es einstimmig aus den Mündern der Kinder.

      Die Erwachsenen hatten sich nicht ganz so großzügig beschenkt, weil sie der Meinung waren, Weihnachten sei mehr ein Fest für Kinder. Trotzdem lagen einige praktische Dinge unter dem Weihnachtsbaum wie eine wärmende Strickjacke und die dazugehörigen Hausschuhe für Oma, Unterwäsche, Socken und zwei Bücher für Amos, Parfüm und ein hübscher Anhänger für Frances und so weiter.

      »Kriegt man hier in dem Haus eigentlich auch ein Frühstück?«, fragte Amos. »Mir hängt langsam der Magen in den Kniekehlen.

      »Du übertreibst wie immer, Schatz«, sagte Frances. »Aber keine Sorge, Mom und ich haben schon alles vorbereitet, als du dich im Bad wieder zu einem Menschen verwandelt hast.«

      »Was war ich denn vorher, ein Tier?«

      »Nicht ganz, aber nahe dran. Mit Stoppeln im Gesicht, etwas streng riechend und mit nicht gerade sehr frischem Atem.«

      »Tschuldigung. Nicht jeder kann morgens schon so duften wie du.«

      Vor dem Haus quietschten Bremsen.

      »Immer wenn ich ein Auto ankommen höre, hoffe ich, Mom und Dad hätten es sich doch noch anders überlegt«, sagte Amos.

      »Ja, ich weiß, Schatz. Aber deine Mutter hat uns wenig Hoffnung gemacht, weil dein Vater die lange Reise nicht bewältigen würde. Vielleicht können wir sie nächste Weihnachten in Kanada besuchen. Wenn wir nachher telefonieren, werde ich es vorschlagen«, meinte Frances.

      »Lieb von dir. Aber wer weiß, was in einem Jahr ist …«

      Amos’ Blick fiel auf das Fenster. Vor dem Haus stieg gerade ein Kollege aus dem Polizeiwagen.

      »Oh, nein«, stöhnte er. »Nicht schon wieder.«

      Kurz darauf läutete es an der Tür, und ein Hüne von Mann stand davor, der etwas peinlich berührt lächelte.

      »Tut mir leid, dass ich störe«, sagte Brad Dewey.

      »Schon gut. Ich nehme an, du hast einen triftigen Grund«, meinte Amos. »Komm rein! Hast du schon gefrühstückt?«

      »Nicht wirklich. Der Anruf kam, als wir gerade dabei waren.«

      »Dann wirst du das hier nachholen. Keine Widerrede. Ich habe auch noch einen leeren Magen und dementsprechend schlechte Laune. Bescherung hin oder her.«

      »Ja, aber …«

      »Red nicht lange. Ich denke, es gibt einen neuen Mordfall, richtig? Es war also keine Einzeltat, gestern Abend. Das habe ich schon befürchtet.«

      Brad nickte.

      »Wieder eine Familie und ebenso mysteriös. Kannst du kurz mit zum Wagen kommen?«

      »Ja, kein Problem.«

      Amos staunte nicht schlecht, als er auf dem Rücksitz einen Karton entdeckte, in dem sich ein Meerschweinchen ängstlich in eine Ecke drückte.

      »Ich dachte für deinen Privatzoo«, sagte Brad. »Linda und ich haben ja noch keinen Nachwuchs, aber ihr habt die Zwillinge.«

      »Kein Grund, dass ich haufenweise Tiere aufnehme … Schon gut. Gib her! Wer ist es denn diesmal?«

      »Ed und Mary Coolidge. Dieses Mal ist sie spurlos verschwunden. Er lag erstochen im Wohnzimmer und hatte so ein Sextoy über seinem Schwanz. Na, du weißt schon. So’n Ding, das den Dödel größer macht mithilfe einer Pumpe.«

      »Wie geschmacklos am Weihnachtsabend … Und was ist mit den Kindern. Sie haben doch zwei, oder? Einen Jungen und ein Mädchen.«

      »Nein, zwei Mädchen. Charity und Priscilla.«

      »Wer seine Töchter wie eine Wohltätigkeitsveranstaltung und die Braut von Elvis nennt, macht vielleicht auch den Weihnachtsabend zum Pornofest.«

      »Sei nicht so streng. Charity bedeutet ja auch Nächstenliebe allgemein. Und nichts gegen den King of Rock. Vielleicht hat Ed das Ding gar nicht freiwillig angelegt.«

      »Du meinst, er wurde dazu gezwungen?«

      »Möglich. Der hier sein Unwesen treibt, muss einen mächtigen Sprung in der Schüssel haben. Darüber sind wir uns doch einig. Die Kinder steckten übrigens beide in Säcken. Sie sind wie junge Katzen an einem Baum erschlagen worden.«

      »So eine Sau. Hättest du mir das nicht nach dem Frühstück sagen können?«

      »Wäre es dann weniger schlimm gewesen? Vielleicht wäre es dir gleich wieder hochgekommen.«

      »Hast du auch wieder Recht. Seltsam, dass immer jemand fehlt aus der Familie. Ob der die Opfer mitnimmt? Von wegen Privatzoo …?«

      »Du meinst, um sie zu mästen, wie bei Hänsel und Gretel? Ich glaube jetzt geht deine Fantasie mit dir durch. Demnach hältst du Lacy Avens nicht mehr für verdächtig?«

      »Abwarten. Solange wir das mit dem Liebhaber noch nicht geklärt haben …«

      »Aber warum sollten die auch die Familie Coolidge heimgesucht haben?«

      »Was weiß ich. Vielleicht ist der Lover der Avens der durchgeknallte Irre, der nicht aufhören kann. Und sie ahnt gar nichts davon.«

      »Ich habe so ein Gefühl, als wäre das heute Nacht noch nicht der letzte Vorfall gewesen.«

      »Male bloß nicht den Teufel an die Wand. Ein Serienkiller wäre das Letzte, das wir hier brauchen können.«

      Als Amos mit dem Meerschweinchen ins Haus kam, quietschte Pamela vor Vergnügen.

      »Jetzt kannst du die Ratten für dich haben, Jesse«, sagte sie zu ihrem Bruder.

      »Fine, aber wir müssen die Tiere nicht aufteilen. Wir können beide mit ihnen spielen.«

      »Ja, aber lasst sie bitte getrennt. Ich glaube nicht, dass sie sich untereinander verstehen. Mom besorgt dann gleich morgen Käfige und Futter für sie«, sagte Amos.

      »Interessant, wie du die Aufgaben verteilst«, murrte Francis.

      »Ich kann das auch gerne übernehmen, wenn es euch recht ist«, meinte Emily.

      »Danke, Mom, aber Frances wollte ohnehin in den Supermarkt, um sich ein wenig umzuhören.«

      »Das ist jetzt hoffentlich das letzte Tier, das du ins Haus bringst«, sagte Frances.

      »Natürlich, aber wir konnten sie doch