Philip Hautmann

Yorick - Ein Mensch in Schwierigkeiten


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meinte, davon ausführlich erzählend, Sabine. Unglaublich, wie der Lebensberater es verstehe, Menschen mit der Sprache zu manipulieren, klagte Sabine, ausführlich von den Untaten des Lebensberaters Bericht erstattend, an. Verheerend, auf was alles die immer reinfalle, schwieg Yorick, den Bericht entgegennehmend, dazu. (Zwei Papageien habe sie auf ihrem Pullover aufgestickt, das sehe er wohl, brachte Yorick im Anschluss daran, als sie sich kennengelernt hatten, vor, welche Namen die beiden denn wohl tragen würden?, fragte er sie scherzhaft, denn er war in Fahrt geraten. Vielleicht Anton Antonowitsch Skwosnik-Dmuchanowskij und Ammos Fjodorowitsch Ljapkin-Tjapkin? Ja, Anton Antonowitsch Skwosnik-Dmuchanowskij und Ammos Fjodorowitsch Ljapkin-Tjapkin, das würde sich vorzüglich eignen (jene beiden Namen hatte er, da er Wert darauf legte, auf solche Situationen vorbereitet zu sein, aus dem Personenverzeichnis von Gogols Revisor entnommen.) Sabine entgegnete damals, darüber noch nie wirklich nachgedacht zu haben.) Eine der hervorstechendsten Eigenschaften von Sabine war es, auf so gut wie alles reinzufallen, was ihr Aufmerksamkeit und Interesse entgegenbrachte, und darin vorrangig auf ältere Männer fixiert zu sein, die so auftraten, als würden sie über eine umfangreiche Lebenserfahrung verfügen, dies sogar auch taten und diese Lebenserfahrung verkörperten, andererseits diese Lebenserfahrung aber auch nutzten, unerfahrenere Menschen zu manipulieren. Mit jüngeren Männern könne sie nichts anfangen, sagte Sabine immer wieder in einer wegwerfenden Geste, die würden ihre komplizierte Persönlichkeit nicht zu ergänzen imstande sein. Jüngere Männer würden persönlichkeitstechnisch (sic!) noch in die Hose scheißen. Was sollte sie mit Männern, die sich in die Hose scheißen? (so Sabine). Yoricks Lebenserfahrung dagegen war vorwiegend theoretischer, das heißt insgesamt ungefährlicher Natur, und so schätzte ihn Sabine als harmlosen Gesprächspartner. (Und wie diese beiden markanten Brüste, die sich unter dem Pullover verbergen, wohl heißen würden, fragte er im Anschluss daran, kurz, nachdem er sie kennen gelernt hatte, Sabine, vielleicht Romana Romanowna und Ksenia Lalalaida (darauf hatte er sich nicht vorbereitet, sondern frei improvisiert) Oder Jossif Wissarionowitsch und Vladimer Iljitsch? Oder Rasputin Raskolnikow und Vladlem – Es sei schon gut, antwortete Adelaida Iwanowna darauf. (Oder Zarin Katharina I. und Zarin Katharina II.?, plapperte Yorick noch ein bisschen weiter.))

      Und seine Gesprächspartnerin geriet in ihr Element, denn ihr Herz war voll bis oben. Sie schleuderte die Frage heraus, warum sie die Sache mit dem dummen und eitlen Lebensberater so mitnehme, es gebe ja gar keinen Grund dafür! Und Yorick antwortete: Weil sie eine Kränkung erlitten habe, und es ganz natürlich sei, dass sie sich ärgere bzw. eben gekränkt fühle (wobei er wusste, dass seine Freundin die Sache, die sie so mitnehme, in gut drei Tagen wieder mehr oder weniger vollständig vergessen haben würde). Sabine fragte: Wie man nur so lange in einer so dämlichen Beziehung leben könne! Und Yorick antwortete (sich etwas genüsslich zurücklehnend): Der Mensch habe ein Grauen vor der Einsamkeit (das hatte er von Balzac), und das treibe so manches Mal sonderbare Blüten. Sabine fragte: Warum allgemein zwei Menschen in einer Beziehung leben könnten, obwohl sie gar nicht zueinander passen, und sie sich darüber gegenseitig zermürben würden! Und Yorick antwortete (sich eine Zigarette anzündend): Es gebe viele destruktive Energien im Menschen, welche eben auch im Rahmen von Beziehungen zutage träten und zutage gefördert werden würden. Sabine fragte: Sie kenne da eine Beziehung, wo die beiden gar nicht zueinander passen würden, da sie ganz konträre Vorstellungen vom Idealbild ihrer eigentlichen Traumpartner hätten, und die sich gegenseitig nur annörgeln würden, übereinander öffentlich schimpfen, und immer wieder verkünden würden, sie hätten seit dem gestrigen Tag nun endgültig, definitiv, miteinander Schluss gemacht, was dann aber doch nie der Fall sei. Wie das gehe, was in aller Welt die beiden nach wie vor zusammenhalten würde! Und Yorick antwortete (zurückgelehnt an seiner Zigarette schmauchend): Die beiden hätten in dem jeweils anderen wohl ihr gegenseitiges Negativphantasma gefunden, an das sie sich nun klammern würden; obwohl sie sich hervorragend ergänzen könnten, würden sie es vorziehen, sich gegenseitig zu kritisieren, Beispiel für eine sogenannte Beziehungsfalle. Sabine fragte, denn sie war in einen dieser Zustände der Aufregung geraten, in denen man (beziehungsweise sie) überhaupt alles als fragwürdig empfand: Warum sie so viel Süßigkeiten esse, obwohl sie wisse, dass das nicht gut für sie sei, unglaublich sei das: Ihr Gehirn würde ihr sagen, keine Süßigkeiten zu essen, allein, sie könne trotzdem nicht davon lassen, ob das nicht völlig überirdisch sei! Und Yorick antwortete (in derselben Position wie eben, zusätzlich die Beine übereinandergeschlagen): Weil es ganz natürlich sei, dass der Geist möglicherweise willig, das Fleisch in den meisten Fällen aber schwach sei, und es überhaupt im Wesen eines Suchtverhaltens oder auch nur der Gewohnheit liege, dass die eingeübten körperlichen Bedürfnisse weit über die Klarsicht und Weitsicht des Intellekts triumphieren würden, so Yorick. Warum sie sich keinen Mann finde, der sie in den Arsch fickt und sie auspeitscht und der Rollenspiele mit ihr mache! Dabei lasse sie sich so gerne in den Arsch ficken und auspeitschen, am besten zuerst auspeitschen, und dann in den Arsch ficken, oder nein, am besten überhaupt sich gleichzeitig in den Arsch ficken und dabei auspeitschen lassen, das habe sie so gerne: Arschficken! Auspeitschen! Aber sie fände sich keinen Mann dafür sprudelte es aus Sabine heraus. Yorick (in derselben Position wie eben, allerdings mit der Fußspitze des übergeschlagenen Beines wippend) war nunmehr etwas peinlich berührt von diesem spontanen Vortrag. Da sehe man wieder, was für Schlappschwänze die Männer seien: Immer groß reden – Arschficken! Auspeitschen! –, dann aber würden sie, wenn es ernst werden würde, lieber saufen gehen!, meinte lautstark Sabine. Yorick sagte dazu nichts. Etwas später war es Yorick dann gelungen, zum eher aktiveren der beiden Gesprächspartner aufzusteigen, und so nutzte er den Zusammenhang, um sich über den Charakter der schriftlichen Mitteilungen des Lebensberaters zu mokieren. An dem aufgeblasenen und gleichzeitig völlig läppischen Stil des Lebensberaters sehe man, dass er von der fernöstlichen Weisheit, die er immer wieder versuche anklingen zu lassen, überhaupt keine Ahnung habe, so Yorick, und Sabine bekräftigte. Die Sprache der fernöstlichen Weisen sei nämlich, entgegen der herkömmlichen Meinung, alles andere als dunkel oder schwülstig, sondern hell, reduziert und vollkommen klar, so Yorick, daher sei der Lebensberater wohl kaum ein echter Weiser, und Sabine fiel ihm, mehrere Male wiederholend und exzessiv nickend, in die Rede, nein, der Lebensberater sei ganz sicherlich kein echter Weiser! Und außerdem bekomme er keinen hoch! (--hämisch).Während die Sprache der fernöstlichen Weisen hell, reduziert und vollkommen klar sei, so wie eben auch die Weisheit selbst hell, reduziert und vollkommen klar sei, sei die Sprache des Lebensberaters aufgeblasen und läppisch, da eben mit Sicherheit auch der Lebensberater als Ganzes nicht mehr als aufgeblasen und läppisch sei, so Yorick, und Sabine war vor lauter Freude bereits aufgesprungen. Schließlich äfften sie beide das Gefasel des Lebensberaters nach, und Sabine, die nunmehr ihre volle Souveränität gegenüber ihren Abhängigkeitsgefühlen bezüglich des Lebensberaters wiedererlangt hatte, zerkugelte sich (Yorick, der sich statuarisch sitzend und leicht lächelnd ebenfalls amüsierte, durchzog derweil in diesem Moment der ganz und gar abgeschmackte Gedankengang statuarisch sitzend und in Vornehmheit lächelnd freut sich der Weise, tieferes Empfinden verbirgt sich darin als hinter dem groben Gelächter der Bodenständigen, welches die Welt mit seinem Lärm erfüllt, der Weise hingegen etc). Oh Yorick, ich liebe dich, weil man mit dir so gut über alles reden kann, sagte, als sich alles so vorteilhaft entwickelt hatte, Sabine. Und Yorick lächelte. Da jedoch kam ein kleiner hässlicher Italiener vorbei und bedeutete Sabine isse dasse schöne Pullove mit so schöne Farbe und schöne Papageie, worauf Sabine ihn zunächst noch ignorierte und sich mit Yorick weiter unterhielt. Schöne Pullove füre schöne Fraue, bedeutete der (kleine und hässliche) Italiener weiter, Sabine murmelte Danke und blickte den Störenfried kurz an, um sich wieder Yorick zuzuwenden. In Italia wire habe schöne Pullove füre schöne Fraue, iche dir zeige, wenn du mit mir gehe in Italia, sagte der Italiener, Aha, sagte daraufhin Sabine und schenkte ihm einen etwas längeren Blick. Wie du heisse? Sabine? Aaah, schöne Name! Schöne Name füre schöne Fraue!, woraufhin Yorick sich entschuldigte und ging, der untergehenden Abendsonne entgegen, und das konkrete Thema der nächsten Konversation mit seiner Freundin bereits klar vor Augen habend.

      Eine auffällige Figur aus Yoricks engerem Umkreis