Dieter Gronau /// AMEISE

E R S A N


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kleine Sensation für die Kontrolleure an den Grenzen. Besonders die Türken wollen auch immer ein paar Scheiben probieren. Man, der Plan erscheint mir wirklich genial!“

      „Es wäre zu schön, wenn es so klappen könnte, Bebe!“

      „Siehste, da hinten, von da bis da, alles gehört zu der Stadt Istanbul. Es ist fast schon ein kleines Land, so groß, finde ich. Riesig, riesig! Warst du schon einmal dort?“

      „Nein, leider noch nie, aber es sollen dort eine Tante und ein Onkel von uns wohnen. Aber frage mich nicht, in welchem Stadtteil. Selbst meine Mutter weiß, weiß das auch nicht. Die beiden haben sich schon endlos lange nicht mehr bei uns in Eski-Datca, gemeldet. So haben wir keinen Kontakt mehr, eigentlich sehr schade, findest du nicht auch? Ich hätte sie zu gerne einmal besucht und gesprochen!“

      „Bei mir ist es ähnlich. Einige meiner Verwandten sind ins Ausland gezogen und haben sich nie wieder gemeldet. Wir wissen teilweise nicht einmal, ob sie überhaupt noch am Leben sind, das ist wirklich traurig!“ So ist das Leben und das Schicksal! Keiner kann etwas daran ändern. Findest du nicht auch, Bebe?“ Die Lichter von Istanbul verschwanden langsam zwischen irgendwelchen Hügeln langsam und beide starrten schweigend in den Scheinwerferkegel vor sich auf der Straße. Jeder hing seinen Gedanken nach und schien innerlich sehr damit beschäftigt zu sein.

       Tatsächlich, kurz vor Mitternacht:

      „Siehste das Helle am Himmel? Das ist der Grenzübergang. Ich stoppe gleich, dann machen wir alles, wie besprochen. Mach dir keine Sorgen, ich kriege das schon hin!“

      „Mir ist irgendwie sehr mulmig! Ich habe ein ungutes Gefühl!“

      „Du kannst mir ruhig vertrauen! Bete noch einmal, wenn wir anhalten und es wird alles klappen. Mh, hier ist die Salami!“

      „Puh, die hat aber einen merkwürdigen Geruch!“

      Überschrift 7

      „Jetzt riechst du wirklich wie eine Salami, man könnte dich fast in Scheiben schneiden.“

      Der Wagen steuert zielsicher und gekonnt die Abfertigungsspur für Fernlaster an und stoppt vorschriftsmäßig vor dem Schlagbaum.

      „Na wie geht’s, alles in Ordnung wie immer?“

      „Klar ich will doch keinen Ärger mit euch. Ich muss pünktlich in Bukarest sein, da kann ich mir keine Fehler erlauben. Hat doch gut geklappt, letztes Mal mit meinem Hinweis, da konnte euer Chef einen dicken Fisch landen. Ist er schon befördert?“

      „In der Tat, er und noch einige von uns, sind zur Beförderung vorgeschlagen und haben schon eine Gehaltserhöhung bekommen.“

      „Das freut mich für euch! Ich pass weiter für euch auf! In der Türkei wird so viel versucht. Wir bleiben lieber sauber! Wir sind Europäer.“

      „Nun gut, mein Alter! Auf weiter gute Zusammenarbeit und willkommen wieder Zuhause in Europa!“

       Darauf winkte der griechische Zöllner und Passkontrolleur Bebe durch den Kontrollposten und wünschten ihm gute Weiterfahrt. Der türkische Posten, kurz vorher, blickte nur verschlafen durch sein Fenster und wandte sich sofort wieder seinem Fernseher zu. Der Fernseher war viel wichtiger als Bebe, denn es wurde gerade eine Fußballübertragung gesendet, die durfte auf keinen Fall verpasst werden.

      „Kleiner, Ersan, wir haben es hinter uns! Wir sind jetzt in Europa! Du Salami kannst wieder runterkommen und dich neben mich setzen!“ Kaum hatte Bebe die Worte ausgesprochen, fiel Ersan förmlich aus seinem Versteck von oben, aus der Schlafkoje.

      „Puh, du bist wirklich ein ausgekochter Gauner! Hätte ich dir nie zugetraut.“

      „Ja Ersan, ich habe letzte Mal 3.ooo,--Euro Belohnung kassiert für einen Schmuggeldeal an der griechischen Grenze. Es ging um 3 Zentner Zigaretten und Menschenschmuggel. Dabei wurde auch einer der beiden Drahtzieher geschnappt, der in einem anderen Wagen folgte, den anderen der beiden Bosse haben sie nachts in Athen aus seinem Bett geholt. Die Griechen haben die Bande dann der türkischen Polizei übergeben. Der Vorfall stand aogar bei uns in den rumänischen Zeitungen.“

      „Du bist ja demnach ein Held und mit mir soeben ein Gauner geworden, denn du hast jetzt selber einen Menschen geschmuggelt.“

      „Ich glaube, bei dir, habe ich gewissermaßen etwas Gutes für uns Europäer getan. Wir brauchen so kluge Köpfe, wie dich, für unsere Zukunft.“

      „Bebe, hat uns auch ja keiner gehört?“

      „Da kommt gleich ein Brunnen, eine Trinkwasserstelle. Da kannst du dir mit Seife gründlich den Salamiduft von der Haut abwaschen.“

      „Du bist langsam wie ein Vater zu mir! Bebe, ich danke dir! Kann mich schon selber nicht mehr riechen., pfui!“

       Ersan wusch sich gründlich Schweiß und Salamifett ab und duftete danach wie eine Primaballerina. Ersan musste sich selber in den Arm kneifen, um zu glauben, das er es wirklich war, er selber, Ersan, er war jetzt in Griechenland und Europa! Unglaublich, unglaublich! Es stimmte, er war seinem Ziel ein großes Stück näher!

      „So, Ersan! Gleich kommt eine wundervolle Raststelle. Dort werden wir die Nacht in Ruhe verbringen.“

      „Uuahh, ich bin jetzt aber verdammt müde, nach alledem was ich bisher erlebt habe. Ein hellerleuchteter riesiger Parkplatz, mit Kantine und Hotel wurde von Bebe angesteuert. Kurz darauf standen die beiden in der Parkreihe der Fernfahrer.

      „Feierabend für heute! Es reicht auch. Jetzt werde ich auch hundemüde! Bis so etwa sieben Uhr früh können wir uns ausruhen. Los wir machen alle Vorhänge an den Fenstern zu und schmeißen uns in die Kojen. Der Wecker ist schon gestellt. Nimm dir noch etwas zu trinken mit, falls du Durst bekommst! So verbrachte Ersan eine traumhafte Nacht auf einem Rastplatz in Griechenland. Natürlich verrichtete Ersan noch kurz vor dem Einschlafen sein Abendgebet, in einer Lautstärke, in der Bebe kein einziges Wort verstehen konnte. Der Text war geheim und Ersan würde ihn auch nur an seinen erstgeborenen Sohn weitergeben. Das hatte er seinem Vater versprochen.

      „Sag mal, was murmelst du eigentlich so bei deinem Gebet für einen Text so vor dich hin? Ich kann immer kein einziges Wort verstehen.“

      „Die Worte soll auch kein Außenstehender vernehmen. Jedes Wort ist geheim und beruht auf eine sehr alte Familientradition.“

      „Ach so ist das! Dann frage ich dich auch nie mehr nach dem genauen Wortlaut. Lass uns morgen Früh lieber mit der Einführung in die rumänische Sprache beginnen. Die rumänische Sprache beruht auf der lateinischen Sprache, folglich kannst du somit alle romanischen Sprachen entziffern und leicht erlernen, das wäre italienisch, französisch und spanisch. So, jetzt aber Schluss mit dem Gesabbel!“ Dann herrschte wieder absolute Funkstille im Fahrerhaus des hochmodernen Fernlasters, dem Orient-Express, wie Bebe von seinem Chef in Bukarest genannt wurde.

       Ein immer lauter und dann wieder leiser werdender nerviger Summton ließ Ersan, neugierig auf die Herkunft dieses Geräuschtons, wieder wach werden. Bebe war sofort aus seiner Koje, zog die Vorhänge von den Innenseiten der Fenster- und Türscheiben und öffnete, elektrisch, durch einen Knopfdruck die seitlichen Türscheiben.

      „Guten Morgen, junger Mann!“ Tönte es Ersan in rumänischer Sprache ans Ohr.

      „Da kennst du noch nicht. Es heißt `guten Morgen, junger Mann`. Ab jetzt fangen wir tüchtig an diese Sprache zu lernen! Komm, lass uns waschen gehen!“ Sagte Bebe, war mit einem eleganten Sprung von seinem Fahrersitz und auf der Straße vom Parkplatz.