Dieter Gronau /// AMEISE

E R S A N


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auffüllen, zog ein Bündel Geldscheine aus seiner Hosentasche und bezahlte den Dieselkraftstoff beim Tankwart.

      „Du, da hinten ist ein Wasserhahn. Fülle unsere beiden Wasserflaschen da auf!“ Befahl der Dicke Ersan, seinem tüchtigen Beifahrer. Ersan tat nachdenklich, was ihm der Dicke aufgetragen hatte, trank unter dem voll aufgedrehten Wasserhahn so viel, wie er irgendwie selber trinken konnte und füllte dann beide Wasserflaschen bis zum Überlaufen. Wer weiß, wann es wieder Wasser für ihn gab. Wasser war wichtig. Essen, was ihm der Dicke alles restlos weggefressen hatte, darauf konnte Ersan ruhig einige Tage gut verzichten. Als Ersan mit den Wasserflaschen in beiden Händen zum Fahrzeug zurückkehrte, palaverte der Dicke gerade mit einem anderen Fahrer.

      „Nach etwa 5 Kilometer ist die Straße blockiert. Da ist ein Anhänger umgekippt. Ihr müsst vorher abbiegen und durch ein Dorf fahren.“

      „Ok, das werde ich machen!“ Erwiderte der Dicke seinem Gesprächspartner im anderen Lkw. Ersan hatte eine Wasserflasche in seinen Rucksack gesteckt, die zweite versteckte er, nicht sichtbar für den dicken Fahrer, hinter seinem Sitz. Nach ein paar weiteren Stunden des Schwitzens und Schweigens,

       Verdammt, ich habe einen Durst! Kannst du mir mal das Wasser reichen! Oh je, an der letzten Tankstelle haben wir vergessen, uns etwas zu essen zu besorgen!“ Der Dicke trank mit ein paar Schlücken die halbe Wasserflasche leer., verschraubte sie wieder und stellte sie neben sich auf seinen Sitz. Er kam überhaupt nicht einmal auf die Idee, Ersan zu fragen, ob er auch Durst hätte. Nur er selber war wichtig. Nach einer weiteren Stunde war auch der Rest der Wasserflasche geleert

      „Oh man, ich hab Durst. Eine Affenhitze heute. Die Tomaten kommen nur noch als Matsch an. Macht sowieso nichts, die machen dort nur Ketchup draus. Was die Flasche ist leer? Wo ist die andere, die zweite Flasche?“

      „Ach je, die muss ich bei der Tankstelle vorhin in aller Eile stehen haben lassen! In meinem Rucksack ist auch keine. Das tut mir leid!“

      „Du dummer Kerl, kannst nicht mal auf zwei Wasserflaschen aufpassen. Dich sollte man doch wirklich! Dafür bleibst du heute Abend durstig und hungrig!“

      „Ach lieber Mann, das kannst du mir doch nicht antun, immerhin habe ich dir dein Autoradio repariert und mein ganzes Essen hast du mir einfach weggegessen. Findest du das gerecht von dir?“

      „Was ist heutzutage schon noch gerecht? Gerecht ist etwas, wenn es einem persönlich nützt! So jetzt halten wir an. Ich muss mir selber etwas zu trinken schaffen. Du kannst zuschauen und etwas lernen!“

       Der Lkw hielt ruckelnd und laut quietschend endlich an. Der Dicke ließ sich, auf seiner Seite nach dem Öffnen der Tür, regelrecht aus dem Auto fallen, denn normal aussteigen, konnte er bei seiner Leibesfülle schon gar nicht mehr. Der Sitzplatz auf der Sitzbank, wo er bisher gesessen hatte, wirkte pitschnass von seinem Schweiß und stank fürchterlich. Jetzt war die beste Zeit für Ersan, ein Griff mit der linken Hand hinter seinen Sitz, zog die zweite Flasche hervor und leerte imnu die halbe Wasserflasche mit dem Wasser von vorhin, von der Tankstelle und ließ sie sofort wieder in dem Versteck hinter seinem Sitz verschwinden.

      „He Junge, wo bist du? Komm her, ich will dir etwas zeigen!“

      „Ja, einen Moment!“ Ersan schwang sich elegant von seinem Sitzplatze und landete mit beiden Füßen gleichzeitig auf der asphaltierten Straße. Dann eilte er schnellen Schrittes zu dem Dicken, der sich aufgeregt an einer Tomatenkiste auf dem Anhänger zu schaffen machte.

      „Ja, schau mal, so macht man es!“ Nach diesen Worten griff der Dicke mit seiner rechten Pranke in die Tomatenkiste, nahm eine Tomate in die Hand, quetschte seinen Kopf in den Nacken und presste die überreife Tomate so lange über seinem weit geöffneten Mund, bis der Saft der Tomate tropfte, mal dicker, mal dünner, dann warf er die ausgequetschte Tomate an den Straßenrand und ergriff sofort die nächste aus der Kiste auf dem Anhänger.

      „Siehste, so hilft man sich weiter, ist das Trinkwasser mal knapp. Hast du großen Hunger, kannst du den Rest der Tomate auch noch aufessen. Das sättig dann noch. Für ein paar Stunden und ist außerdem sehr gesund.“ Ende der Belehrung für Ersan, Wenn der Dicke wüsste, wie viele Tomaten, sonnenwarm und herrlich süß, Ersan schon selber zu Hause im Garten genascht hatte. Lieber den Mund schön halten und sich unbemerkt etwas amüsieren Es bot sich Ersan wirklich ein Bild zum laut loslachen, Der Dicke da ihm, mit hochroten Kopf von der enormen Anstrengung, gerade zu stehen und auch noch dabei den Kopf möglichst weit in den Nacken zu pressen.,. Das halbe Gesicht, unterhalb der Nase war voll bekleckert mit dem roten Tomatensaft, sogar sein Hemd wirkte hier und da rötlich gefärbt, was sich jedoch bald mit seinem Körperschweiß neutralisierte und sich der allgemeinen Schmutzfarbe des Oberhemdes anpasste. Was für ein ekeliger Kerl, dieser dicke Lkw-Fahrer! Nach dieser gelungenen Belehrung, ein Getränk für den Wassernotstand zu produzieren, rollte der Lkw eine riesige schwarze Rauchwolke hinterlassend wieder weiter.

      Überschrift 4

       Nach weiteren zwei Stunden Fahrtzeit fuhr der Dicke, inzwischen war es schon dunkel geworden, auf eine Art Raststelle. Ein gutes Dutzend anderer Lkw`s stand dort bereits, nebeneinander gereiht. Der Fahrer mit Ersan an seiner Seite, steuerte unter großen Schwierigkeiten in eine freie Parklücke. Der Abstand zu den beiden anderen Fahrzeugen, rechts und links war verdammt knapp, das man glatt von einem Lkw auf den anderen pinkeln hätte können.

      „Nun mein Kleiner, wir machen drei Stunden Pause. Siehst die Uhr im Armaturenbrett? Drei Stunden später weckst du mich, verstanden? Dann bin ich für den Rest der Strecke aufgeruht. Wir haben dann auch viel Verkehr, denn es geht auf die Autobahn nach Istanbul. Du kannst später, während der Weiterfahrt im Auto schlafen.“ Sagte es, lehnte sich ächzend in seinem Sitz zurück und schien auch schon sofort zu schlafen. Ersan öffnete nach ein paar Minuten leise seine Autotür, angelte mit der linken Hand nach der Wasserflasche hinter seinem Sitz, zog sie vorsichtig hervor und nahm sie mit. Dann ging er von einem Lkw zum anderen. Einige hatten so ein kleines Gerät über der Frontscheibe mit einem wechselnden Bild darauf. Das müsste, wie Ersan es in den Teestuben von Datca gesehen hatte, ein sogenannter Fernseher sein., so heißt das Ding, glaubte Ersan. Tolle Ausrüstung der anderen Fahrzeuge verglichen mit seinem fahrbaren Untersatz. Einige der Fahrer unterhielten sich in Sprachen von einem Fahrerhaus zum anderen, die Ersan nicht verstand. Ein paar Brocken englisch hatte er in der Schule von Eski-Datca schon mitbekommen, aber diese Sprachen? Ersan nahm sich vor, auch diese Sprachen kennenzulernen und verstehen zu können.

      „He Junge, kannst du mir einmal den Karton dort raufheben!“ Tönte es plötzlich aus einem geöffneten Fahrerhausfenster, zwar in gebrochenem Englisch, noch eine Sprache, aber es reichte Ersan den Mann zu verstehen

      „Aber sehr gern!“ Versuchte Ersan sich in Englisch mit leichtem Schwung, den man Ersan gar nicht zutraute, war der Karton in den Händen des Lkw-Fahrers.“ Wo kommst du denn her? Natürlich erst einmal vielen Dank für deine Hilfe!“

      „Ich komme von dem Lkw, der eben eingeparkt hatte, der mit den vielen Tomaten Kisten.“ Ach so der, der beinahe die beiden Nachbarfahrzeuge gerammt hat. Warst du der Fahrer?“ Ein tiefes Lachen erscholl. Ersan glaubte, diese Stimme schon einmal gehört zu haben. Sie kam ihm sehr bekannt vor, wie ihm schien.

      „Oder ist dein Kollege besoffen, wohl zu viel Tomatenlikör getrunken?“

      „Neh, neh, vielleicht ist er etwas übermüdet. Jetzt schläft er drei Stunden so fest, das man ihn glatte davontragen könnte, ohne das er aufwacht.

      „Wo wollt ihr hin?“

      „Nach Istanbul, Tomaten für eine Ketchupfabrik. Morgen Mittag sollen wir dort sein.“

      „Dann müsst ihr euch aber gewaltig beeilen. Für den alten Klapperkasten ist das eine Marathonstrecke