Michael Stuhr

DAS GESCHENK


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Zügen schwamm sie ein gutes Stück kurz unterhalb der Wasseroberfläche, während ein Schwarm von Luftperlen von ihrem schlanken Körper abglitt. Ihre offenen, blonden Haare umgaben schimmernd ihren Kopf. Sie glitten bei jedem Schwimmstoß zurück, um sich dann wieder sonnenglitzernd aufzufächern.

      Geschmeidig drehte sie sich auf den Rücken und ließ sich von den Wellen sacht wiegen. Vom Grund aus schien es, als sei sie in Silber getaucht, so viele, hellschimmernde Luftperlen umgaben leuchtend die dunkle Silhouette ihres Körpers.

      Er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Er spürte in sich das Verlangen, sie jetzt zu umfassen, sie zu umschlingen, ihren weichen, zarten und doch so kräftigen Körper zu spüren. Ihm lief ein Schauer über den Rücken. Er wusste, dass das nicht gehen konnte. Dass er vielleicht niemals einen Menschen den er liebte, so innig würde berühren können.

      07 OLDIES UND NAGELLACK

      Total verschwitzt und wie gerädert fahre ich um halb acht aus einem unruhigen Schlaf. Langsam, ganz langsam kommt die Erinnerung an den gestrigen Abend zurück und an das, was heute passieren soll: Ich soll mich vor aller Welt blamieren, steht heute auf dem Programm.

      „Quatsch!“ fluche ich laut vor mich hin und schäle mich ächzend aus meinem Bettzeug, das sich bei meinem nächtlichen Hin- und Hergewälze mindestens fünf Mal um meinen Körper gewickelt hat.

      Ich schlüpfe in meine Bikinihose, schnappe mir mein Badehandtuch von unserer Wäscheleine und schlurfe nicht gerade energiegeladen zum Strand. Das Einzige, was mir jetzt helfen kann, wieder fit zu werden, ist ein Bad im kühlen, morgendlich stillen Meer.

      Der Strand ist völlig leer. Mein Handtuch lasse ich neben den Badelatschen achtlos in den Sand gleiten und gehe langsam ins Wasser. Es ist so still, die Wasseroberfläche bewegt sich zu dieser frühen Morgenstunde kaum. Nur ein sachtes Plätschern der Wellen am Strand, das man auch hören kann, wenn man sich ganz still auf dem Rücken treiben lässt. Deswegen liebe ich den Morgen so sehr. Der ganze Strand gehört zu dieser frühen Stunde mir allein.

      Am Horizont sehe ich ein kleines Boot, das eilig auf Port Grimaud zu tuckert. Sonst ist es ganz still. Langsam gehe ich weiter und zerteile dabei die Wasseroberfläche mit den Händen. Der Sand unter meinen Füßen ist weich und geschmeidig. Spielerisch bewege ich die Zehen, um die kleinen neugierigen Fische anzulocken, die sich begierig auf den aufgewirbelten Sand stürzen und mir vor lauter Eifer auch manchmal ein bisschen in die Zehen kneifen.

      Ich lasse die kleinen Räuber hinter mir, wobei ich tief einatmen muss, weil mir die Kühle um meine Brust einen Schauder über den Körper treibt. Ich stoße mich ab, tauche mit dem Kopf zuerst ein und schwimme ein gutes Stück unter der Wasseroberfläche. Schließlich drehe ich mich auf den Rücken und lasse mich treiben. Arme und Beine ausgebreitet, den Blick in den blauen Himmel gerichtet. Meine Ohren sind unter Wasser und ich höre das gedämpfte Tuckern des kleinen Fischerboots.

      Alles ist so friedlich. Ich könnte stundenlang so treiben. Es hat schon etwas Meditatives, dieses Schweben in dem mich leicht wiegenden Wasser. Aber trotzdem fühle ich mich nicht so unbefangen wie sonst, denn ich habe das merkwürdige Gefühl, dass mich jemand beobachtet. Es ist nicht unangenehm, eher ungewöhnlich, und es ist mir fast so, als hätte ich heute Nacht etwas Ähnliches geträumt. Ich versuche mich zu erinnern, aber die Träume sind fort und verblasst.

      Mit ein paar schnellen Zügen schwimme ich an das Ufer zurück und schaue mich dabei um. Niemand ist zu sehen, ich bin hier ganz allein.

      Lana, nimm dich zusammen, du bist noch nicht bei der Miss-Wahl, keiner beobachtet dich und du solltest das alles nicht zu Ernst nehmen, schimpfe ich mich, während ich meine Sachen zusammensuche und barfuß zur Dusche laufe, um mir das Salzwasser vom Körper zu spülen.

      Alle sitzen schon vor unserem Wohnwagen an dem wackeligen kleinen Campingtisch und frühstücken. Ich lege das Badehandtuch über meinen blau-weiß gestreiften Klappsessel und lasse mich lustlos hineinfallen.

      Dank des guten Vorrats, den Maman in unseren Wohnwagen gestopft hat, muss ich heute noch nicht mit der Blauen Elise in den Ort fahren. Das ist auch gut so, denn ich kann mich vor Aufregung kaum auf den Beinen halten, geschweige denn einen Roller sicher durch das tägliche Verkehrschaos auf der Küstenstraße steuern.

      „Nun iss doch was Chérie“, drängt meine Mutter mich. „Du fällst dort sonst noch um, das willst du doch nicht, oder?“

      Als ich sehe, wie Didier sein rattiges Grinsen aufsetzt, siegt mein Verstand. ‚Du wirst mich nicht zusammenklappen sehen, mein Lieber!’ Aufseufzend nehme ich mir ein Croissant, bestreiche es mit Konfitüre und quäle es mir lustlos in meinen protestierenden Magen. Geht doch!

      Nach dem Frühstück treffen wir uns wie verabredet bei Pauline. Fleur sieht auch nicht besser aus, als ich mich fühle. Nur Felix tänzelt wieder fröhlich um uns herum. „Ihr werdet schon sehen, alles wird great!“, behauptet sie.

      „Ja klar, und peng“ meint Fleur müde.

      „Habt ihr auch alles mitgebracht?“ Pauline rennt hin und her und holt Klamotten aus ihrem Wohnmobil. Was hat die nur alles mitgenommen?

      Ich hingegen hatte einige Mühe, überhaupt ein paar coole Sachen zu finden, denn ich habe mit Schrecken festgestellt, dass Maman längst nicht alles, was ich zu Hause aufs Bett gelegt hatte, auch wirklich eingepackt hat. Wahrscheinlich zugunsten von Fressalien und Getränken.

      Wir breiten unsere Sachen auf einer Campingliege aus und begutachten unsere Schätze. Pauline schleppt ihre beachtliche Kollektion von Einteilern heran.

      „Warum besitzt du so much von diese Swimsuits?“ fragt Felix verwundert.

      „Weil ich keine Bikinis tragen darf. Es ist zu unanständig. Originalzitat meiner Mutter!“ Pauline verzieht genervt den Mund.

      „Strange!“, sagt Felix. „Crazy!“, und wieder mal: „Franzosen sind lustig.“ Ich kann das nur bestätigen.

      „Die setzt mich damit für das ganze Jahr matt“, jammert Pauline weiter. „Wenn ich die Dinger eine Woche lang getragen habe, kann ich Bikinis noch nicht einmal mehr heimlich anziehen. Oben braun, unten braun und in der Mitte schneeweiß, das geht ja nun gar nicht.“

      Wir stellen uns das alle natürlich sofort vor, und während wir grinsend auf der Kante der Liege hocken und uns Paulines Badeanzüge anhalten, ruft Felix plötzlich freudig: „Look! Die Hund von Strand. Da bist du ja wieder! Hey, little Dusty.“

      Schwanzwedelnd steht der Hund von gestern Abend vor uns und lässt sich von Felix kraulen. Er ist rötlich-blond mit ein paar dunkleren Flecken im borstig aussehenden Fell und hat lustige Klappohren. Mit seinen braunen Augen schaut er uns neugierig an und schnuffelt schließlich mit seiner dunklen Nase an unseren Sachen herum.

      „Hübsche Swimsuits, Dusty, oder?“ meint Felix und klopft ihm dabei auf sein Fell, das es staubt. Lachend wendet sie sich zu uns. „Dusty passt, right?“

      „Ja Dusty“, sagt Fleur und hält ihm die Hand hin. Auch ich versuche, ihn zu mir zu locken.

      „Na, du schwimmst wohl gerne“, flüstere ich ihm zu, denn sein Fell fühlt sich salzig an. Trotzdem ist es weicher, als es aussieht.

      Nur Pauline schaut kritisch und bleibt lieber in sicherem Abstand auf der anderen Seite der Campingliege. „Gebt ihm bloß nichts zu essen, sonst werden wir ihn nicht mehr los“, sagt sie bestimmt. Dusty legt seinen Kopf schräg und schaut uns neugierig an. Genau darauf hat er wohl gewartet, denn als er merkt, dass bei uns nichts zu holen ist, trollt er sich und stellt sich bei dem noch frühstückenden Nachbarn erwartungsvoll vor dem Tisch auf.

      Alain und Pascal kommen herangeschlendert. „Braucht ihr professionelle Unterstützung?“ Alain deutet mit großer Geste auf sich und seinen Bruder. „Hier ist sie.“

      „Tja, ich weiß nicht. Was meint ihr?“ Fleur schaut uns an und wirft dabei einen mehr als kritischen Seitenblick auf Pascal. Pure Abneigung spiegelt sich darin und er schaut weg. - Was ist denn da los?

      „Warum