Michael Aulfinger

Sie wollen doch betrogen werden!


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Harrys Hose im Kniebereich zerfetzt war, und ein großes Loch aufwies. Darunter schimmerte es rot, und ein paar Tropfen Blut kamen zum Vorschein.

      „Aua.“ Harry versuchte aufzustehen, was ihm aber schwerlich gelang. Er wollte von der Straße runter, damit der Verkehr weiter ungehindert fließen konnte.

      „Wie geht es Ihnen?“

      „Es geht schon. Es schmerzt halt, und brennt. Ist die Polizei schon informiert?“ Harry sah den Autofahrer fragend an.

      „Bitte keine Polizei.“ Der Autofahrer winkte ab, und in diesem Moment dämmerte es Harry. Aus irgendeinem Grunde wünschte der Verursacher keine polizeiliche Aufnahme des Verkehrunfalls. Sofort begriff er, daß aus diesem Umstand Kapital zu schlagen war. Er mußte nur das Gespräch in die nötige Bahn lenken. Schließlich war nicht sein kluges Köpfchen verletzt, sondern nur sein Knie. Das bekam er schon hin.

      „Moment mal, aua,“ Harry bildete ein schmerzverzerrtes Gesicht. „Die Polizei muß doch kommen, um den Unfall aufzunehmen. Schließlich bin ich auf dem Weg zur Arbeit. Bei Arbeitsunfällen muß die Berufsgenossenschaft informiert werden. Es kann ja ein bleibender Schaden werden.“ Harry log, um das schlechte Gewissen und die Zahlungsbereitschaft des Autofahrers zu vergrößern.

      „Können wir uns nicht anders einigen. Nur bitte keine Polizei.“ Es war dem Autofahrer anzusehen, wie wichtig ihm das war. Das konnte er gut gebrauchen. Deshalb ging Harry darauf ein. Äußerlich gab er sich zwar schwerfällig, doch innerlich frohlockte er. Denn schließlich war sein Fahrrad auch geklaut. Das brauchte die Polizei nicht zu wissen, und der Autofahrer auch nicht. Deshalb ging er darauf ein.

      „Darüber können wir gleich sprechen, aber wir sollten erst mal die Straße freimachen, weil es sonst noch einen größeren Stau gibt, und dann kommt die Polizei doch noch.“

      Sofort machte sich der junge Mann auf, sein Auto an den Straßenrand abzustellen, und das ramponierte Fahrrad von der Straße zu bergen. Er wirkte sehr nervös. Harry hatte sich derweil auf dem Gehsteig mit schmerzverzerrtem Gesicht hin gesetzt. Er übertrieb ein wenig mehr, als es nötig gewesen wäre, aber er roch Geld, und dafür konnte man nun schon mal ein wenig leiden.

      Bald kam der junge Autofahrer zurück, und setzte sich neben Harry. Der Verkehr floß nun wieder ungehindert.

      „Ich weiß, daß es meine Schuld war. Sie waren auf der Vorfahrtstraße. Es tut mir leid, daß das passierte, nur brauchen wir keine Polizei. Wir können das doch auch so regeln. Das wäre mir lieb.“ Der Autofahrer brachte sein Anliegen merklich nervös hervor. Nach einigem vorgespieltem zögern ging Harry auf dessen Wunsch ein.

      „Wenn sie meinen. Es scheint ihnen ja furchtbar wichtig zu sein, daß wir es ohne Polizei regeln.“ Harry stocherte noch ein wenig in der Wunde herum. Schaden konnte es nicht, sondern nur den Preis steigern.

      „Oh ja, daß würde mir im Moment gar nicht passen, ehrlich gesagt. Also wie können wir uns einigen?“

      Harry schien nachzugrübeln, und schlitzohrig wie er schon mit seinen neunzehn Jahren war, trieb er den ausstehenden Gewinn in die Höhe.

      „Wie ich schon sagte. Sie sehen ja selbst. Es ist eine blutende Wunde. Das Knie kann ich nur unter Schmerzen bewegen. Von arbeiten kann die nächsten Tage keine Rede sein. Vielleicht wird es ein bleibender Schaden? Dann wäre es schon von Vorteil, wenn die BG es wüßte. Außerdem ist die Hose hinüber. Das Fahrrad ist Schrott. Nun, kurzum gesagt. Was ist es ihnen wert?“ Er sah den jungen Mann herausfordernd an. Dieser überlegte, und schien den Schaden abzuwägen.

      „Hose, Knie, Fahrrad, Schmerzensgeld. Ich biete ihnen zusammen sechshundert Mark, und wir vergessen die Sache.“ Erwartungsvoll sah er Harry an.

      „Na, das halte ich aber für untertrieben. Allein das Fahrrad hat mir schon vierhundert Mark gekostet. Darauf habe ich lange gespart. Die Hose kostete allein hundert Mark. Und wenn wir die Polizei aus dem Spiel lassen wollen, dann muß sich das auch noch lohnen, weil ich nämlich auch einen Verdienstausfall habe. Das haben sie nicht mit berechnet. Deshalb brauche ich eintausend Mark, oder ich ruf die Polizei an, und zwar augenblicklich.“ Harry konnte ein knallharter Verhandlungspartner sein.

      „O.k, o.k...., schon in Ordnung. Dann machen wir es so. Ist mir trotzdem lieber. Sie brauchen dringend ärztliche Versorgung. Ich schlage vor, wir fahren an einem Geldautomaten. Ich hole das Geld, gebe es ihnen, und bringe sie dann ins Krankenhaus zur Notaufnahme, wo sie sich dann verbinden lassen können. Einverstanden?“

      „Gut, das machen wir so.“ Harry versuchte unter Schmerzen auf zu stehen.

      „Und was ist mit ihrem Fahrrad?“

      „Das lasse ich erst mal hier. Ich hole es später ab. Ein demoliertes Rad klaut sowieso keiner. Das ist sicher.“ Er humpelte zum Ford, und stieg schwerfällig auf der Beifahrerseite ein. Das kaputte Fahrrad lehnte er an einem Zaun. Er sah es nie wieder.

      Wie sie es besprochen hatten, so geschah es. Eine Stunde später hatte Harry einen ordentlich angelegten Verband um sein Knie, und freute sich über leicht verdiente eintausend Mark. Seitdem fuhr Harry mit dem Fahrrad nicht mehr auf Sicherheit bedacht. Vielleicht geschah so etwas ähnliches ja noch mal. Man weiß ja nie.

      Das war nicht schlecht, schnell und leicht verdientes Geld. Verursachte zwar etwas Schmerzen, aber es lohnte sich allemal.

      Kapitel 4

      Thomas war im Herbst mit Sabine befreundet. Er hatte inzwischen eine Anstellung als Kurierfahrer erhalten, deren Touren ihn überallhin innerhalb Europas führte. Die ganze Woche über war er unterwegs. In seinem Jumper Kastenwagen von Peugeot brachten die Touren ihn von Portugal bis Schweden, und von England bis Österreich. Seinen Golf hatte er auf Harrys Namen angemeldet, weil er sich davon einen Vorteil versprach. Auch wenn Harry keinen Führerschein hatte, konnte dieser trotzdem Eigentümer eines Kfz sein. Der Vorteil wäre auch weiterhin beständig gewesen, wenn nicht eines Tages, als Thomas sich gerade auf einer Tour befand, der Golf einen größeren Schaden gehabt hätte. Sabine wußte nicht, daß Thomas der eigentliche Eigentümer des Golfes war. So war sie erstaunt, als Harry bei ihr in der Vorweihnachtszeit vorsprach, und um eine größere Summe Geld bat.

      „2000,- Mark möchtest Du, das ist aber viel Geld. Das wäre alles was ich habe.“

      Zähneknirschend ließ sie Harry ins Wohnzimmer treten.

      „Ich weiß,“ Harry blieb in seiner äußeren netten Art ruhig und bescheiden. Aber er hatte herausbekommen, daß man auf der Freundschaftstour reitend viel mehr erreichen konnte.

      „Aber Thomas hat es mir versprochen, und wenn ihr mal Hilfe braucht, bin ich sofort da, und helfe euch. Wir sind doch Freunde, oder?“

      Er lächelte Sabine herzerwärmend an, so daß sie gar nicht anders konnte.

      „Also, gut. Nur muß ich mich noch mal absichern. Dafür hast Du sicherlich Verständnis. Thomas ruf ich auf dem Handy an. Er müßte noch in Schweden sein, wenn er sein Einverständnis gibt, bekommst Du das Geld, aber nur unter der Voraussetzung, daß ich es so bald wie möglich wieder bekomme, schließlich ist es alles was ich habe, und ich habe lange darauf gespart.“

      „Aber natürlich. Ich verspreche es.“ Harry legte wie unter Eid seine rechte Hand auf seine Brust, worunter sich sein Herz befand.

      Sabine griff nach dem Handy und wählte Thomas Nummer. Die Verbindung war schlecht, so daß sie nicht lange reden konnten. Der Ton war miserabel, so daß nur Wortfetzen an ihr Ohr drangen. Sie fragte ihn nur, ob es in Ordnung sei, wenn sie Harry für das Auto Geld leihen würde. Eine Summe wurde nicht genannt. Thomas bejahte es am anderen Ende, und schon war die Leitung unterbrochen. Danach ging sie beruhigt mit Harry zur Sparkasse. Eine halbe Stunde später bedankte sich Harry recht nett für die 2000,- DM in bar, und ging auch gleich weiter.

      Als Thomas wieder aus Skandinavien zurück war, klärte es sich auf. Er hatte angenommen, daß es sich um eine geringere Summe handeln würde, und Sabine erfuhr, daß Harry gar keinen Führerschein, und auch gar kein Auto besaß. Sie suchte gleich