Michael Aulfinger

Sie wollen doch betrogen werden!


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das Sabine angesichts des Vorfalls an diesem Abend noch mit Thomas Schluß machte, mit der Bemerkung: „Schöne Freunde hast du. Betrüger nenn ich so was. Eigentlich müßte ich zur Polizei gehen und diesen Mistkerl anzeigen. In den Knast gehört er.“

      Thomas war äußerst schlecht auf Harry zu sprechen, doch schaffte dieser es immer wieder, Thomas an seiner weichen Stelle des Herzens zu erfassen. Ein treuer, bereuender Blick verbunden mit der Zusage, das dies wirklich nie wieder geschehen würde, gepaart mit einem eindringlichen Appell an die Freundschaft, und seine Wut ließ allmählich nach. Es ist nicht immer ein Vorteil, wenn man ein gutes Herz hat. Es besteht zu leicht die Gefahr, daß andere Mitbürger, die weniger Skrupel haben dies erkennen und radikal ausnutzen. So auch in diesem Fall. Sabine hat bis heute die 2000,- Mark nicht wieder gesehen.

      Kapitel 5

      Im Laufe der Zeit hatte Harry heraus bekommen, daß man sehr leicht Ware bestellen kann. In Warenhäusern, an Kiosken und anderswo kann man sich verschiedene Kataloge und Prospekte mitnehmen. Ein Anruf, und die neuesten Kataloge werden umgehend an die angegebene Anschrift versandt. Dann sitzt man zuhause auf der Couch und hat vor sich einen Stapel mit Prospekten und Katalogen. Harry, der ja arbeitslos war und dadurch viel Zeit hatte, stöberte Tagelang durch diesen Berg von angebotenen Konsumartikeln. Seine Gier wurde geweckt. In der Werbebranche gibt es den Begriff AIDA – Aufmerksamkeit, Interesse, Desire (Wunsch/Begierde, Aktion(Kauf). Bei ihm war es nicht anders. Er wollte die Sachen haben, ob er sie unbedingt benötigte oder nicht, war ihm einerlei. So wählte er in aller Ruhe aus, und bestellte das Erwünschte.

      Wenn die Ware kommt, kann man sich an ihnen erfreuen, oder unter der Hand weiter verkaufen, beziehungsweise Freunden schenken. Wer redet den von bezahlter Ware? Rechnungen, Zahlungserinnerungen und Mahnungen wurden umgehend dem Mülleimer überantwortet. Es interessierte ihn auch nie, wenn er nach einigen Malen bei der jeweiligen Firma wie Quelle nichts mehr bekam, und sie sein Einkaufskonto sperrten. Es gab ja noch reichlich andere Versandhäuser. Die Kataloge waren überall zu bekommen. In Ruhe setze er sich weiterhin auf seine Couch und suchte Neues aus. Da kam das Kind in ihm zum Vorschein, daß unbekümmert eine Liste der Wünsche wie vor Weihnachten zusammenstellt. Seine Wunschliste wurde immer umfangreicher.

      Allmählich verlor er auch die letzten Hemmungen und die Gier andere hereinzulegen artete in einem regelrechten Sport aus. Es war wie ein Zwang, der ihm immer neuere Methoden entdecken ließ.

      Ein Beispiel zeigt seine Naivität, und das diese Wirtschaftsform, in der einer für seine zur Verfügung gestellte Arbeit oder Dienstleistung ein Entgelt erhält, nichts für ihn war. Er begriff nicht, daß andere arbeiten und Ware verkaufen wollen, um leben zu können. Das dieser in sich greifende Zyklus die Grundlage unseres Wirtschaftssystems darstellt. Wenn es dann Subjekte wie Harry in unserer Gesellschaft gibt, die nur aus Spaß und Gier gemischt, Ware bestellen, ohne dafür den reellen Gegenwert zu entrichten, ist es nur eine Frage der Zeit bis die Konjunktur lahmt, die allgemeine Zahlungsmoral singt, und es noch mehr Arbeitslose gibt. So weit dachte Harry aber nicht. Damit wollte er sich nicht belasten, denn er wollte nur Spaß.

      Das oben angesprochene Beispiel beinhaltete, daß er sich in Hamburg zwei Autoradios, zwei Handys und drei Verstärker bestellte. Dabei hatte er natürlich nicht auf den Preis geachtet, und nur das Beste vom Besten bestellt. Wie ein Schneekönig freute er sich, als er die Ware in den Händen hielt. Nachdem die erste Euphorie verflogen war, überlegte er, was damit geschehen sollte. Er erinnerte sich an seine Freundschaft mit Thomas, und das dieser trotz aller Schwierigkeiten, die er ihm bereitet hatte, immer wieder zu ihm hielt. Das war Harry bewußt, so daß er es ihm mit einem neuen Autoradio und einem Verstärker zu danken gedachte.

      Die übrig gebliebenen Technikartikel machte er zu Bargeld. Er hatte Oliver aus dem kleinen Dorf Klein-Schretstaken kennen gelernt. Dieser hatte Beziehungen in Hehlerkreise, so daß jener Harry 400,- Euro für die Artikel gab. So hatte Harry eine Möglichkeit heraus bekommen, aus Ware Bargeld machen zu können, ohne arbeiten gehen zu müssen.

      Thomas sagte wegen dieser Illegalität nicht viel, weil er merkte, daß für ihn auch etwas abfiel. Damit ließ er sich regelrecht kaufen. Aber ihm war es auch um der Freundschaft willen gegangen. Öfters hatte er auch wegen Harrys Lebenswandel Streit mit ihm. Im Dezember kam einmal eine Telefonrechnung, für den gemeinsamen Anschluß, die sich auf 1500,- Euro belief. Harry hatte wegen seiner Bestellungen eben viel telefonieren müßen gab er lapidar als Erklärung ab. Es war notwendig. Das müßte Thomas doch verstehen. Damit war für ihn die Angelegenheit erledigt.

      Ein weiterer Streitfall war, als Harry eines Abends nach Hause kam, mit einem Autoschlüssel und dem dazu gehörendem VW Golf, einem Lautsprecher, einem Telefon, mehreren CDs und Levi’s Jeans. Die Polizei hatte ihn wegen Diebstahls angezeigt, aber nach ein paar Wochen wurde dieses Strafverfahren eingestellt. Immer mehr fühlte er sich unantastbar. Dieses erneute Erlebnis verstärkte das Gefühl das er sich alles erlauben könnte, ohne erwischt zu werden, immer mehr. Keiner kann mich erwischen, dachte er im geheimen.

      Kapitel 6

      Der Januar des Jahres 2002 war sehr mild. Harry hatte sich ein Auto zugelegt, und angemeldet, für welches er selbstverständlich auch nie eine Versicherungsprämie, oder die anfallende KfZ-Steuer entrichtet hatte. Ein Fahrzeug besorgte er sich auf unterschiedliche Weise. Er stahl in unbeobachteten Augenblicken, wenn er sich das Vertrauen von verschiedenen Leuten erschlichen hatte, deren Autoschlüssel. Aber auch Kfz-Aufbrüche gab es. Auch ohne Schlüssel, hatte er es sich angeeignet ein Auto starten zu können. Damit der Diebstahl nicht sofort auffiel, war er der Meinung, daß er besonders schlau handeln würde, wenn er sich andere Kfz-Kennzeichen abschraubte und an sein jeweiliges Fahrzeug montierte. Auf die Idee, daß diese Kennzeichen dann auch gesucht werden würden, kam er nicht. Soweit dachte er nicht voraus. Einmal wäre er beim abschrauben fast ertappt worden, aber seine flinken Beine trugen ihn schnell in die schützende Dunkelheit der Nacht, und so konnte er seine illegalen Tätigkeiten weiterhin ungestraft ausführen. Und wenn er mal in eine Polizeikontrolle geriet, wurde er nicht so bestraft, wie er es verdient gehabt hätte. Einmal wurde er von der Polizei wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis angehalten, und sein Auto stillgelegt. Es stand seit dem auf dem Parkplatz einer Apotheke in Trittau. Thomas erzählte er, daß der Wagen auf dem Schrottplatz gelandet sei, womit die Angelegenheit für ihn erledigt war. Das hoffte er zumindest.

      Der Schein trog, denn schon nach wenigen Wochen bekam er ein Schreiben vom Anwalt des Apothekers, der ihn unmißverständlich klarmachte, daß das Auto zu entfernen sei.

      Normalerweise war er abgebrüht, aber dieser Aufforderung kam er bald nach. Nur gab es ein kleines Problem. Er hatte keinen Schlüssel mehr. Dieses war für ihn aber nicht unüberwindbar. So erbrach er das Auto, und schloß es kurz, wie er es gelernt hatte. Er fuhr auch gleich weiter. Das Auto stellte er auf dem Hof von Thomas Arbeitgeber, dem Kurierfahrerchef Eddie Fürst, ab.

      Als er dies erledigt hatte, packte er sein weniges Hab und Gut, und fuhr mit der Bundesbahn nach Bayern zu Bekannten, die er noch aus jugendlichen Anstaltszeiten kannte. Dort konnte er vorübergehend wohnen. Dies hatten sie ihm zugesichert. Bei Stefan und Jenny bekam er sogar ein eigenes Zimmer, weil sie eine große Wohnung hatten. Er bemühte sich anfangs sogar nicht als Schmarotzer zu erscheinen, und beteiligte sich des Öfteren auch an den anfallenden Lebensmittelkosten. Nur irgendwann wollte und konnte er nicht mehr zahlen, so daß ein Streit zwischen den drei unabdingbar war.

      „Du kannst auch mal wieder was einkaufen“ Jenny war sauer.

      „Ja mach ich auch.“ Harry versuchte die erhitzten Gemüter zu beruhigen.

      „Und wann?“ Stefan wollte es genauer wissen.

      „Morgen geh ich los. In Ordnung? Seit ihr damit einverstanden?“ Sie bejahten, und Harry hatte wieder Zeit gewonnen. Am nächsten Tag ging er auch wirklich einkaufen, aber nur Lebensmittelartikel, die nicht gerade zu den teuersten Luxusgütern gehörten, wie Nudeln, oder Saft. Nachdem er seinen Alibieinkauf hinter sich gebracht hatte, zog der alte Schlendrian wieder ein, bis er dann zum wiederholten Male aufgefordert wurde sich auch finanziell an den Kosten zu beteiligen.