Michael Aulfinger

Sie wollen doch betrogen werden!


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ganz Deutschland. Als er von einem seiner Ausflüge wieder in seiner Türschwelle erschien, mußte er feststellen, daß die Reifen nicht da waren. Sie wurden geklaut. Sein Gemüt, das sonst eher ruhig war, kann in Streßsituationen eskalieren, wie jene eine war. So etwas hatte er noch nie erlebt. Er war es gewohnt, andere zu betrügen und zu beklauen, aber selber beklaut zu werden? Frechheit. Wie konnten sie nur? Wie schlecht war doch die Welt.

      Er konnte es nicht auf sich sitzen lassen, so kam es, daß Harry der sonst immer angezeigt wurde, diesmal auf der anderen Seite stand und selber eine Anzeige wegen Diebstahls aufgab.

      Kapitel 8

      Nachdem er sich wieder gefangen hatte, kam neuer Ärger auf. Carola hatte ihre Versprechungen hinsichtlich der Mietzahlungen nicht eingehalten, und da ihre Mitmieter nicht konnten und nicht wollten, so dauerte es nicht lange, bis die Kündigung der Wohnung im Briefkasten lag.

      Thomas war von Jule nicht mehr zu trennen, und zog ganz zu ihr nach Mölln, in einer kleinen Dachgeschoßwohnung. Sie befand sich am Waldesrand, in einer sehr ruhigen Gegend. Harry war zwar oft bei den beiden, die sich gut verstanden, doch mußte er für sich nun eine neue Bleibe finden. Manchmal übernachtete er im Wohnzimmer auf der Couch. Die beiden Kater liefen um ihn herum, aber es störte ihn nicht. Er mochte Katzen. Zuerst versuchte er sich bei seinen Freunden anzuhängen, aber da es ein Liebespaar war, fühlte er sich als störendes Glied, welches sie ihm auch ausdrücklich zu verstehen gaben. Wenn er kam, ging er gleich in die Küche, machte den Kühlschrank auf, holte sich heraus, was ihm mundete, oder schmierte sich ein paar Schreiben Brot ohne zu fragen. Zuerst wurde es noch hingenommen, weil sie Mitleid mit ihm hatten, aber es kam der Punkt, wo sie ihm wissen ließen, daß sie diese Eigenmächtigkeit nicht gutheißen konnten. So war die Stimmung zwischen ihnen auch bald vergiftet, dazu kam auch noch, daß sie mitbekamen, welche krummen Touren er unternahm. Da sie sich etwas für ihn verantwortlich fühlten, versuchten sie auf ihn einzureden, und ihn von seinen illegalen Taten abzubringen, aber Harry dachte anders. Er hatte weltfremde Ansichten und lebte in seinem eigenen Rechtssystem, welches für andere ein undurchdringlicher Dschungel war, und sich niemand anderes darin zurechtfand. Psychologen hatten ihre Statements abgegeben, und sie als wohlklingende Worte in psychologischen Gutachten geparkt. Da er durch seine Straftaten ein guter Bekannter des Jugendgerichts inzwischen war, bekam er im November über die Jugendgerichtshilfe eine Wohnung, welche in der Nähe des Ratzeburger Bahnhofs lag. Das Sozialamt übernahm großzügigerweise neben der Miete auch noch die Kaution. Wer denkt denn bei so viel Wohlfahrt auch noch ans stupide arbeiten? Er wollte mitnehmen, was er bekommen konnte.

      Carola war damals im Streit mit Harry ausgezogen, bei dem verbale Schimpfwörter der übelsten Sorte ausgetauscht wurden. Sie war innerlich so aufgewühlt, daß sie beim verlassen der Wohnung die Hand zur Faust ballte. Ihre Augen traten hervor, und sie war innerlich so aufgewühlt, daß sie sich trotz ihres enormen Gewichtes auf die Zehen stellte und dabei ein paar Zentimeter an Größe gewann. Dabei schwor sie Rache. Sie fand Unterschlupf in Breitenfelde, und hat ihren Kontakt zu Jule nicht abbrechen lassen. Sie trafen sich oft, und unterhielten sich über den gemeinsamen Bekannten Harry.

      Kapitel 9

      Das Handy klingelte. Thomas fuhr den Wagen, und sah kurz in den Rückspiegel, als Harry nach dem Handy griff. Außerdem befanden sich noch Jule, und deren Mutter Rebecca im Wagen. Die vier waren auf dem Weg zu einem Möbelhaus nach Bad Segeberg, weil sie Möbel kaufen wollten, vor allen Dingen wollte Harry dabei nicht kleinlich sein.

      „Ja, ich heiße Harry Flosbol. Ja, genau, das Telefon geht immer noch nicht. Nein, im Moment bin ich nicht zu Hause.“ Harry macht eine Pause, und lauschte seinem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung, dabei räusperte er sich leicht.

      „So gegen 16.00 Uhr werde ich wieder zu Hause sein, wir sind gerade auf dem Weg um Möbel zu kaufen. Genau. Also bis heute Nachmittag. Tschüß.“

      Harry nahm die neugierigen Blicke der Insassen wahr, die wissen wollten, was es mit dem Anruf auf sich hatte. Stolz erzählte er.

      „Wißt ihr, ich hatte doch erzählt, daß ich wieder Telefon beantragt hatte. Es war auch schon angemeldet, und alles ging auch erst ein paar Wochen gut. Dann hab ich natürlich die Rechnung nicht bezahlt, worauf sie mir die Leitung kappten, aber ich bin nicht blöd. Hab angerufen, daß etwas mit der Leitung nicht stimmen würde. Jetzt hat mich der nette Herr angerufen, daß sie vorbeischauen, und es wieder freischalten wollen. Er wollte nun wissen, wann ich zu Hause wäre. Dann kommt er nachher. Klasse.“

      Zufrieden steckte er das Handy wieder ein, und lehnte seinen Kopf etwas zurück.

      „Das wird noch mal ein schlimmes Ende mit dir nehmen,“ ließ Jule sich verlauten. „Aber wart erst mal ab, ob die es wirklich wieder freischalten.“

      „Das glaub ich schon. Was soll da schief gehen. Jetzt wollen wir doch erst mal einkaufen gehen. Nicht wahr?“

      Thomas schüttelte angesichts Harrys Optimismus den Kopf, aber er wurde sofort abgelenkt, weil Rebecca das Gespräch in eine andere Richtung lenkte.

      „Jule, wir sehen nachher gleich mal nach einem Kinderzimmer.“

      „Mama“ entgegnete diese aufgebraust, „wir wollen doch noch gar kein Kind. Das hat doch noch Zeit“

      „Aber ich dachte doch nur, weil wir doch gerade da sind. Wir können uns doch schon mal umsehen.“ Sie strahlte Angesichts der Aussicht, daß sie bald Oma werden könnte. Harry grinste mit.

      In dieser lockeren Atmosphäre fuhren sie weiter Richtung Bad Segeberg. Allmählich setzte leichter Nieselregen ein.

      Im Möbelhaus hatten sie sich getrennt. Thomas ging mit Jule und ihrer Mutter Möbel ansehen. Harry brauchte viel Zeit, denn auf seiner Einkaufsliste standen ein Tisch, ein Sofa, ein Bett, ein Schrank, eine Waschmaschine und ein Wäschetrockner. Selbstverständlich suchte er nur das qualitativ hochwertigste Produkt aus. Als seine Bestellung nachher fast 6.000,- Euro betrug, lächelte er zufrieden. Unter dem Namen Manuel Koslowski hatte er alles bestellt. Da die Ware beim Möbelhaus mit einem Zahlungsziel von drei Wochen geliefert wird, hatte er es so geplant, daß er auch diesmal die Rechnung die mit der Post käme, gleich wegwerfen würde.

      Nach dem anstrengenden Einkaufsbummel traf er sich mit seinen drei Freunden in dem zum Kaufhaus zugehörenden Imbißraum. Es roch angenehm nach frischem Essen, worauf er bald großen Hunger bekam. Ansonsten machte der Imbißraum den Eindruck einer großen Kantine, denn er wirkte kahl, und deshalb etwas ungemütlich. Es mangelte an einer gemütlichen Dekoration. Dort wurde er schon erwartet. Strahlend berichtete er über seine neuen Errungenschaften. Dabei erntete er unverständliches Kopfnicken.

      Seine Wohnung in Ratzeburg befand sich im dritten Stock eines Neubaues. Durch die Wohnungstür betrat man zuerst einen kleinen Flur von drei Quadratmetern. Rechte Hand war kein Schuhrank oder eine Garderobe vorhanden, sondern seine Schuhe lagen durcheinander auf einem Haufen. Sobald die Wohnung betreten wurde, kam einem ein penetranter Gestank in die Nase, der sich noch verstärkte, wenn man vom Flur aus links in das Badezimmer trat. Die Toilette war voller Urin- und Kotflecken. Die Dusche war hinten Rechts in der Ecke. Sie befand sich in keinem besseren Zustand. In der Linken Ecke stand die Waschmaschine, die schon lange nicht mehr benutzt wurde, weil es keinen Strom in der Wohnung gab. Harry hatte keine Rechnung bezahlt.

      Von Ordnung konnte wirklich keine Rede sein. Seine Wohnung erinnerte eher an einen Messie. Ganz rechts um die Ecke an der Wand standen der Kühlschrank und die Küchenzeile. Beim öffnen des Kühlschrankes hätte ein Biologe Luftsprünge vor Freude gemacht, denn es waren lebende Beweise des Pilzwachstums in verschiedenen Variationen zu bestaunen. Das Brot war steinhart, und die Wurst, die offen herumlag, war nur noch ungenießbar, und schimmerte mit einem weichen Pelzbezug belegt in den verschiedensten Farben. Es war ein einziger Bakterientempel. Die restliche Küchenzeile sah auch nicht besser aus.

      Da er keinen Strom hatte, mußte er sobald die Dunkelheit eingebrochen war, zu Kerzen als Lichtquelle greifen. Doch da er sich wohl in dieser Ansammlung von Unrat fand, kam er immer gerne zurück in seine vier Wände.