Werner Karl

Menosgada


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zweier Feinde zu begeben. Vor allem dann, wenn man von dem vermutlich Gefährlicheren noch nie ein Wort vernommen hatte.

      »Zu jedem und keinem Volk«, antwortete Alaric geheimnisvoll. »Das sind uralte Geschichten. Es ist nicht bewiesen, dass der Junge von einem Schwarzen Krieger getötet wurde.«

      »Und wie erklärst du dir dann das verbrannte Gewebe? Ich kenne weder Kelten, noch Römer … noch Germanen, die mit flammenden Schwertern kämpfen, mein Gemahl!«

      »Erzählt mir von dieser Geschichte, Fürst Alaric. Vielleicht sollte ich bei meiner Abreise um Euren Geleitschutz bitten.«

      »Das wird nicht nötig sein, Händler. Es sind wirklich nur alte Legenden.«

      »Dann will ich sie erst recht hören. Ich liebe alte Legenden.«

      Alaric senkte den Kopf, winkte nun doch einer Schanksklavin und hielt ihr seinen Krug entgegen. Das Mädchen trat vor und kam dabei in das Licht der Kerzen. Jetzt sah Arwed, dass sie nicht unbedingt einen keltischen Eindruck machte. Sie wirkte eher wie eine Gallierin, sicher war er aber nicht. Sie hatte dunkelbraunes Haar und zwei Grübchen in den Mundwinkeln. Der Fürst nahm einen tiefen Schluck und wartete, bis das Mädchen wieder im Halbdunkel verschwand.

      »Lange bevor der Vater meines Vaters über diese Stadt herrschte«, begann er, »überzog eine Horde finsterer Krieger jeden Weiler, jedes Dorf mit Schrecken und Vernichtung. Menosgada wurde nicht allein wegen feindlicher Stämme befestigt. Anfangs waren es nur vereinzelte Berichte, die von Männern auf Rössern kündeten, beide schwarz wie die Nacht. Dabei soll es sich aber nicht um dunkel gekleidete Krieger und Rappen gehandelt haben, sondern um Wesen, die zu Kohle verbrannt waren …«

      »Verbrannt … also tot?«

      »Das ist nicht gewiss. Manche sagen, dass die Krieger nach Asche und Rauch rochen und nicht klar zu erkennen waren.«

      »Also gab es Überlebende.«

      »Nur wenige … manche behaupteten, dass aus den Augen der Krieger Flammen stoben, diese ihre Klingen in Brand setzten und die tödlichen Streiche Wunden hinterließen, als hätte ein glühendes Eisen Haut und Fleisch versengt.«

      »Wie bei dem Jungen«, fügte Brianna hinzu.

      »Ihr sagtet gerade, dass diese Krieger schon lange verschwunden seien. Nun scheint wenigstens einer wieder aufgetaucht zu sein«, schloss Arwed und konnte sich eines leichten Grusels nicht erwehren. »Wie lange waren sie fort? Und wo sind sie die ganze Zeit geblieben?« Er spürte, dass da noch mehr dahinter steckte.

      »Einem meiner Vorfahren gelang es, die Quelle dieses Übels unter großen Verlusten gefangen zu nehmen …«

      »Nicht sie zu vernichten?« Arwed sah zwar die Verstimmung im Gesicht des Fürsten ob der erneuten Unterbrechung, es schien ihm aber kein Anlass zu sein, der Sache nicht auf den Grund zu gehen.

      »Man kann den Schwarzen Druiden nicht töten. Nur sein Geschmeiß, das er ständig um sich scharte und von Tag zu Tag vermehrte. Mein Urahn schloss ihn in einen Berg ein, ließ den Eingang einstürzen und in harten Kämpfen die noch herumstreifenden Schwarzen Krieger vernichten. In dieser Zeit gab es keine Händel zwischen den Keltenstämmen weit und breit. Der Kampf gegen diesen Abschaum aus den finstersten Tiefen der Welt einigte alle …«

      Irgendwie hatte Arwed den Eindruck, dass Alaric sich sogar wünschte, diese Bedrohung existierte wirklich und könnte die keltischen Stämme wieder vereinen.

      »Hmm… ein schwarzer Druide also.«

      »Nein, der Schwarze Druide«, korrigierte Brianna. »Es gab und wird immer nur einen geben.«

      »Wenn Euer Vorfahr nun nicht alle dieser Krieger erwischt hat … kann es sein, dass einer davon nun aufgetaucht ist und den Tod seiner Kameraden und die Niederlage seines Herrn rächen will?«

      »Unmöglich! Die Schwarzen Krieger würden sich niemals zurückziehen. Sie sind beständig auf der Suche nach Menschen, die sie töten können. Das ist ihre Natur. Ihre einzige Aufgabe. Für ihren Herrn.«

      »Aber er ist weg.«

      »Aber nicht tot!«, grummelte Alaric und nahm einen tiefen Schluck. »Man nennt ihn auch den Alten vom Berg … den Seelenfresser …«

      »Den was?«

      »Er ernährt sich von den Seelen der Getöteten«, fuhr die Fürstin fort. »Je mehr Menschen sterben, desto mächtiger wird er. Ganz besonders, wenn es noch sehr junge Menschen sind …«

      »Der Junge«, schloss Arwed und fühlte tatsächlich Gänsehaut aufsteigen.

      Kapitel XII: Kniefall

      Ich verstehe nicht, warum Fürst Alaric den Germanen nicht sofort hat töten lassen, grübelte Feidlim und folgte dem Tierwechsel hinab zum Fluss Menos. Sieht er denn nicht, dass dorthin, wo ein Germane geht, viele andere folgen werden?

      Er wich einem Busch aus, aus dem es hundertfach summte und brummte. Der Druide wusste, dass es ein Wespennest war und keines von Bienen. Sonst hätte er längst einen Bauern darauf aufmerksam gemacht und den Honig einsammeln lassen. Honig war in seinen Augen Götternektar. Und wenigstens diesen wollte er mit den Göttern teilen.

       Tränen der Götter nennen sie den Bernstein. Dass ich nicht lache. Da wäre Honig weitaus besser geeignet … süß und köstlich … eben göttlich. Und dann der Junge … angeschleppt von einem Germanen!

      Er, Feidlim, hatte sofort erkannt, dass die Wunde nur von einem Schwarzen Krieger stammen konnte. Einen Augenblick hatte er mit dem Gedanken gespielt, den Händler trotzdem des Mordes zu bezichtigen. Doch es war ihm kein schlüssiges Argument oder Motiv eingefallen. Und die Wunde sprach für sich.

      Mehrere Nächte hatte er wachgelegen und darüber nachgedacht, wie er sich verhalten sollte. Wie er den Jungen und den Händler für sich nutzen konnte. Aber in beiden Fällen versagte er genauso wie bei seinen Versuchen, mit den Göttern zu kommunizieren. In diesen Nächten fand er wenig Schlaf, schrak immer wieder auf, wenn die Fürstentochter aufschrie, als wolle sie ihm eine Botschaft zukommen lassen.

      Und dann kam eine Botschaft von ganz anderer Seite.

      Erst zaghaft und wie ein leiser Hauch.

      Feidlim lag mit offenen Augen im Dunkeln und starrte durch den Rauchabzug zu den Sternen empor. Er verschwendete einen Gedanken über die Ungerechtigkeit der Götter, dass sie es so eingerichtet hatten, dass im Winter der Himmel zwar oft klar, die Nächte aber eiskalt waren. Dies zwang ihn für Beobachtungen ins Freie und ließ ihn immer vor Kälte zittern. Ging er in sein Haus, verhinderte der Rauch aus dem Feuer einen Blick in die Sterne. Und jetzt, kurz vor Beginn des Winters, hatte er zwar noch kein Feuer an und störte kein Rauch, doch war der Himmel nur selten klar. Die Regenwolken der vergangenen Wochen hatten sich durch Wolken abgelöst, die so aussahen, als würden sie bald Schnee von sich geben. So wie in dieser Nacht. Aber er konnte nicht auf eine wolkenfreie Nacht warten. Irgendetwas lockte ihn, ja, trieb ihn.

      Finstere Schleier schoben sich vor den Mond und die großen Sterne. Die kleineren waren ohnehin nicht zu sehen. Immer dann, wenn sich eine Wolke entfernte, schob sich die nächste heran.

      Von einem Augenblick zum anderen verharrte einer dieser Schleier und bewegte sich nicht mehr. Feidlim hatte vielleicht keinen echten Glauben an die Götter, wusste aber, dass der Himmel immer in Bewegung war. Unweigerlich konzentrierte er sich auf die Erscheinung und tief in seinem Inneren glomm die Hoffnung auf, nun endlich, nach all den Jahren, einen echten Kontakt zu den Göttern gefunden zu haben.

      Aber es war kein Gott.

      Eine unhörbare und ferne Stimme flüsterte ihm Worte zu, die weder seine Ohren noch sein Verstand erfassen konnten. Er war sich sicher, eine männliche Stimme zu hören, die ein Versprechen mit sich trug, das ihn von der ersten Silbe an gefangen nahm. Feidlim atmete schwer, so als hätte er einen Berg erklommen. Kaum hatte er diesen Gedanken, als ein undeutliches Bild sich aus dem Schleier vor ihm schälte; langsam … verstohlen