Werner Karl

Menosgada


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erwartete schon, dass die Stimme weitere Nahrung fordern würde, doch dann glommen in einigem Abstand zwei kleine Punkte vor ihm auf. Sie flimmerten und schienen noch schwach zu sein.

      »Mehr!«

      Der Druide nahm den Sack und schüttete den Rest auf den Boden. Nach einem Zeitraum, der nach seinem Empfinden auch Tage hätten sein können, verstummte das Mahlen von Zähnen, das Splittern von kleinen Knochen und trockene Schlucken. Dafür waren die Lichter ein wenig größer geworden. Mit nicht wenig Grauen verfolgte Feidlim, wie sich die Lichter auf die Höhe eines stehenden Mannes erhoben. Dabei klirrte verhalten Metall und schlugen Knochen an Eisen.

      »Wie ist dein Name, Sklave?«

      »Feidlim … Meister.«

      »Dann knie dich nieder, Feidlim und nimm meine nächsten Befehle entgegen! Diese Nahrung war gut, aber nicht von der Art, die mir am besten schmeckt. Du wirst mir mehr davon bringen … aber lebend! Fleisch für Fleisch.«

      »Ja, Meister.«

      »Und du wirst nicht nur Tiere töten. Ich brauche Seelen, um wieder völlig auferstehen zu können. Je mehr, desto besser. Je jünger, desto besser. Je blutiger, desto besser. Hast du das verstanden, Feidlim?«

      »Ja, Meister, ich habe verstanden. Ich tue, was du befiehlst.«

      Kapitel XIII: Tougener

      Alaric wusste nicht, was ihn mehr frustrierte. Die hilflose Sorge um seine Tochter, der abgeschlachtete fremde Junge, seine getöteten Jäger und natürlich die Späher der Germanen. Oder das Auftauchen mindestens eines Schwarzen Reiters. Und dem, was dieses Auftauchen bedeuten konnte. Wenn die Legende Recht behielt, dann standen ihm und seinem Volk schwere Zeiten bevor.

      Er hatte vorgehabt, sich mit dem Druiden Feidlim zu beraten, ihn nach mehr Details der Legende zu befragen. Vor allem die genauen Umstände, die es seinem Vorfahren ermöglicht hatten, den Schwarzen Druiden in den Berg einzuschließen. Feidlim musste als Druide davon wissen.

      Alaric wusste genau, welcher Berg dies war. Es genügte nur ein Blick über das Tal des Menos. Wie ein beständiger Stein in seinem Bauch wog das Wissen um diese Gruft schwer in ihm. Aber Feidlim war seit Tagen verschwunden. Nun war es nicht ungewöhnlich, dass der Druide sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte und natürlich frei gehen und kommen konnte, wie es ihm beliebte. Doch ausgerechnet jetzt, da ihn sein Fürst am dringendsten brauchte, war er nicht da.

      Also hatte sich Alaric mit zehn Männern auf den Weg gemacht, um die nächste Siedlung der Tougener aufzusuchen.

       Streitaxtleute … ein respektvoller Name. Sie wissen mit ihren Äxten umzugehen.

      Andererseits zeugte es auch von dem bescheidenen Wohlstand – wenn man dieses Wort überhaupt benutzen wollte – der Tougener.

       Nun, diese Tougener sind nicht der Hauptteil ihres Volkes, es sind Versprengte, Flüchtlinge. Sie haben nicht die Mittel um nennenswerte Mengen von Schwertern schmieden zu können.

      Dies war einer der Gründe, warum dieser Stamm in den vergangenen Jahren hin und her gerissen war, zwischen dem Gedanken, die Kelten von Menosgada anzugreifen oder Handel mit ihnen zu treiben.

      Ich mache endlich den ersten Schritt, dachte Alaric und blickte zum Himmel, wo die Sonne sich bemühte, seine düsteren Gedanken mit warmen Strahlen zu vertreiben. Ich biete ihnen nicht nur Metall zum Schmieden an, sondern ein echtes Bündnis … ich brauche ihre Männer und Äxte gegen die Germanen … und die Finsternis. Wenn sie denn wirklich auferstanden ist.

      Sie waren nun den dritten Tag nordwärts unterwegs und Alaric wusste, dass es nicht mehr weit war zur Tougener-Siedlung. Eigentlich hätten sie schon auf einzelne Bauern, Jäger oder Wachen stoßen müssen, doch sie hatten bis jetzt niemanden gesehen.

      Der Fürst von Menosgada hatte in einem Beutel ein Stück Stoff der Bekleidung des toten Jungen. Vielleicht half ihm dies bei den Verhandlungen. Allerdings konnte es durchaus sein, dass der Junge gar kein Tougener war, sondern ein Boier. Und die wären sicher nicht begeistert, wenn er mit diesem Beweis einer Schandtat bei ihnen auftauchen würde, egal, ob er nun schuld war oder nicht. Die Boier waren nicht sehr gesprächsbereit.

      Wieder sah Alaric gen Himmel und erst jetzt fiel ihm auf, wie still es in dem Wald war. Die Sonne schickte goldene Strahlen auf die Erde, doch die Vögel blieben stumm.

      Wolfried hätte mich längst mit seinem Misstrauen darauf aufmerksam gemacht. Aber Wolfried schützte in seiner Abwesenheit Menosgada. Alaric wollte gerade einen Späher vorausschicken, als ein Mann an der Spitze des Trupps die Hand hob und sein Pferd zügelte.

      Alaric, der sich in der Mitte befand, scherte aus und ritt an die Seite des Mannes. Der brauchte kein Wort zu sagen, denn das Bild, das sich ihnen nur wenig abseits des Weges bot, sprach für sich selbst.

      Eine junge Frau lag dort, die Kleider zerrissen und blutig. Sie lag auf dem Rücken, den Oberkörper zur Hälfte entblößt. Die Beine standen unnatürlich ab, wahrscheinlich gebrochen. Wären sie weit gespreizt gewesen, spräche es für eine Vergewaltigung … ob nun vor oder nach ihrem Tod. Doch Alaric hatte nicht den Eindruck, dass die Frau vergewaltigt worden war. Ihr starrer Blick trug immer noch das Entsetzen, das sie bei ihrem Tod empfunden hatte. Doch das war es nicht, was die Männer und ihn schlucken ließ.

      Von ihrer linken Brust bis zu ihrer rechten Hüfte klaffte eine Wunde, die sie hatte ausbluten lassen, wie ein abgestochenes Schwein. Maden bewegten sich darin und fraßen sich satt. Die Ränder der Wunde waren aufgewölbt wie eine geplatzte Wurst, dunkel verkrustet von einem sengenden Hieb.

      »Also ist es wahr, Herr?«

      Der Krieger hatte längst seinen Schild vom Rücken und in die Linke genommen. Mit langsamer Bewegung zog er sein Schwert aus der Scheide, so als hätte er Angst, ein zu lautes Geräusch zu machen. Nach und nach taten es ihm einige seiner Kameraden gleich.

      »Scheint so«, antwortete Alaric und sah für einen Moment in dem Gesicht der jungen Frau das von Kyla. »Wir sollten sie begraben«, sagte er.

      Doch bevor er den Männern den Befehl dazu geben konnte, zischte ein Speer nur knapp an seiner Brust vorbei, der ihn nur verfehlte, weil er sich den Männern zugedreht hatte. Dem Speer folgte ein wütender Schrei, dem sich Dutzende weitere anschlossen.

      Alaric riss seinen Schild hoch.

      »Zusammenbleiben!«, schrie er.

      Auf beiden Seiten des Pfades raschelte und knackte es im Wald. Ein, zwei weitere Speere und etliche Pfeile schossen durch die Luft und fanden ihr Ziel in Hals und Brust von zweien seiner Männer. Die beiden lagen noch nicht am Boden, als Alaric und der Krieger neben ihm kehrt machten.

      »Bildet einen Kreis!«, befahl er und konnte einem Pfeil ausweichen, der ihn dennoch am Ohr streifte. Alaric fühlte, dass warmes Blut seinen Hals herablief.

      Männer brachen aus dem Wald hervor, 20, 25 Mann. Sie alle trugen Äxte in den Händen. Nur einer schwang ein Schwert, sicher der Anführer. Sie brüllten wie eine Herde rasender Rinder und brachen wie solche durch die Gewächse am Wegesrand, dann hatten sie die Reiter erreicht. Es waren allesamt Kelten, das sah Alaric sofort. Es mussten die Tougener sein, die er aufsuchen wollte … und von denen eine tote Frau zu seinen Füßen lag. Mit kräftigen Schlägen wehrte er die Hiebe von einem Krieger ab, der nach seinem Bein hackte. Er schlug dem Mann die Klinge flach auf den Kopf, da er ihn nicht töten wollte.

      »Haltet ein, Tougener!«, brüllte er und wusste dabei, dass ihm niemand zuhören würde. »Wir sind nicht die Mörder dieser Frau!«

      Er hätte genauso gegen ein Gewitter anschreien können. Der Mann trat zwei Schritte zur Seite und schlug nun seine Axt auf das Maul von Alarics Pferd. Das schrie vor Schmerz auf und stieg in die Höhe. Die Bewegung kam so überraschend, dass Alaric den Halt verlor und zu Boden stürzte. Das Pferd keilte um sich und schleuderte einen anderen Tougener zwischen zwei seiner Kameraden, dann stob es davon. Sofort war der Krieger bei Alaric und hob die Hand zum tödlichen Schlag. Im allerletzten