Werner Karl

Menosgada


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zu verhindern, aber so dumm war Arwed nicht, als dass er in ihnen nicht seine Bewacher erkannte.

      Schon ein wenig ungewöhnlich, einem entwaffneten Mann so viel … Aufmerksamkeit zu bescheren, dachte er und richtete immer wieder seine Auslage neu, weil sie ständig von Interessenten in die Hand genommen und seiner Meinung nach nicht wieder in angemessener Weise abgelegt wurde, sodass sie den besten Eindruck machte.

      »Was verlangst du für diesen Stein da?«, dröhnte eine kräftige Stimme auf und als Arwed den Kopf hob, sah er einen Bär von Mann, der, seiner Kleidung nach zu urteilen, eher Handwerker war und kein Edelmann.

      Der Germane erhob sich mit dem Objekt der Begierde und wiegte es von einer Hand in die andere. Er musterte den noch recht jungen Mann und dessen Hände und entschied sich für einen Vorstoß.

      »Nun, Schmied … du bist doch ein Schmied, nicht wahr? Was hättest du denn anzubieten, außer deiner Kraft?«

      Der Kerl schaute einen Moment verblüfft an sich selbst herab und schien sich zu überlegen, woher der Händler auf sein Handwerk schloss, dann schien er eine Erklärung gefunden zu haben.

      »Lass dich von den paar Brandflecken nicht täuschen, Händler. Ich bin ein guter Schmied, wenn nicht der beste im ganzen Tal … und darüber hinaus.«

      »Was will ich mit Hämmern und Beilen?«, stellte er dem Mann eine bewusst provokante Frage. Dabei wusste Arwed genau, dass Schmiede hochangesehene Handwerker waren, sowohl bei den Germanen als auch den Kelten. »Wir Germanen verstehen uns selbst auf das Schmiedehandwerk. Sindri und Brokk schmiedeten Thors Hammer. Allein ihm zur Ehre sind unsere Schmiede die besten weit und breit.«

      »Nun, ich habe schon solche Dinge hergestellt, Germane. Aber ich verschwende das Talent, das mir mein Vater vererbt hat, nicht an einfache Gegenstände. Meine Kunst ist schärferer Natur, wenn du verstehst, was ich meine.« Er warf sich ein wenig in Positur und zog ein Schwert vom Rücken, bei dessen Anblick die beiden Wachen sich zu ihnen drehten und einige der allzu Neugierigen ein paar Schritte zurückwichen.

      Arwed nahm es nach einem Blick zu den Wachen und deren Nicken in die Hand. Ihm entging nicht, dass die beiden ihre eigenen Hände auf ihre Schwertknäufe legten. Die Botschaft war unmissverständlich.

      Das Schwert hatte zwar nicht die Größe eines germanischen Langschwertes, war aber immer noch beeindruckend. Die Klinge war so lang wie Arweds Arme, vom Knauf beginnend breit, zur Mitte hin ein wenig schlanker werdend und im letzten Drittel wieder breiter. Es musste eine überzeugende Schlagkraft haben. Der Germane schwang es gekonnt ein paar Mal hin und her – auch um den Wachen zu zeigen, dass er ein Mann war, der damit umzugehen verstand – und gab es dann dem Schmied zurück.

      »Nicht schlecht, und mir gefällt auch der Griff. Aber um ehrlich zu sein: Es scheint mir ein wenig zu kostbar für ein – zugegebenermaßen sehr schönes – Stück Bernstein zu sein. Bist du sicher, dass dir so ein Handel vorschwebt?«

      Der Schmied sah sich ein wenig um und rückte dann einen Schritt näher. Mit erstaunlich leiser Stimme raunte er dem Germanen zu:

      »Mir gefällt ein Mädchen, das sich wohl wenig mit einem Schwert erobern lassen wird. Da werden ihr die Tränen der Götter schon lieber sein.« Er trat wieder zurück und zog einen eisernen Halsschmuck mit einem Loch in der Mitte aus einem Beutel. »Gold kann ich mir nicht leisten, außerdem haben das viele edle Frauen um den Hals.«

      »Und du willst ihr Eisen anlegen?«, schmunzelte Arwed und hatte plötzlich das Gefühl, dem armen Kerl helfen zu müssen. »Willst du eine Sklavin aus ihr machen oder deine Frau?«

      Verwirrt blickte der Schmied auf sein Werk und schien es zum ersten Mal als das zu erkennen, was es war: ein eiserner Halsring, der noch nicht mal Ähnlichkeit mit einem Torques hatte.

      Arwed beugte sich nun seinerseits zu ihm. »Außerdem glaube ich nicht, dass es einem einfachen Mädchen gestattet wird, Schmuck zu tragen, der Edelfrauen, Priesterinnen und Göttinnen vorbehalten ist.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber das ist deine Sache. Mir wäre der Tausch mehr als recht, mein Guter. Ich fürchte aber, dass du dir selbst damit keinen Gefallen tust.«

      »Meinst du?«, fragte der Schmied und steckte den Eisenring zurück in den Beutel. Nachdenklich betrachtete er den großen Bernstein, den Arwed immer noch in einer Hand hielt. Mit jeder Bewegung brach sich das Licht der Morgensonne darin und schuf winzige Blitze, als wäre er lebendig. »Und wenn ich den Stein nur in eine feine Kette einfüge?«

      »… wird deine Angebetete nicht durch das Gewicht des Eisens zu Boden gedrückt und hätte eine Chance, dir um den Hals zu fallen«, spekulierte Arwed und sah das Gesicht des Schmiedes aufleuchten.

      Die Wachen hatten sich zur Freude Arweds wieder abgewandt. Vermutlich war ihnen der Verlauf der Verhandlungen zu langweilig geworden. Vor allem deswegen, weil sich das Schwert wieder auf dem Rücken des Schmiedes befand.

      »Ich selbst kann keine feine Kette fertigen«, sagte dieser gerade. »Aber unser Goldschmied schon. Da er der Bruder meines Vaters ist, wird er mir den Wunsch nicht abschlagen.«

      »Nun, dann schlage ich vor, du kommst wieder, wenn du diese Kette hast. Ich verspreche dir, den Stein inzwischen niemand anderem zu verkaufen.«

      In Wahrheit befürchtete er nur, die Wachen hätten die Bezahlung untersagt oder ihm das Schwert sofort abgenommen und erst bei seiner Abreise außerhalb der Wälle übergeben. Arwed hatte aber keine Lust, völlig unbewaffnet in dieser Stadt zu verweilen, bis er all seine Geschäfte getätigt hatte. Vielleicht ergab sich ja in einer der folgenden Nächte eine Gelegenheit, das Schwert unauffällig zu erwerben.

      Nachdem er den jungen Schmied zwar nicht als Einfaltspinsel, aber durch die Liebe ein wenig … abgelenkt einstufte, gab er ihm noch ein paar geflüsterte Worte mit auf den Weg. »Es muss ja nicht jeder sehen, was du kaufst … komm in der Nacht zu mir, in der deine Kette fertig ist.«

      Er blieb noch den ganzen Vormittag mit seiner Ware vor seiner Behausung sitzen und verkaufte gegen eine nette Summe Gold einen Teil seiner Bestände. Allerdings hatte er die besten Stücke gar nicht ausgelegt, da sich weder der Fürst noch seine Frau blicken ließen. Ein ganz außergewöhnliches Amulett hatte er ohnehin für die Tochter der Fürstin ausgesucht und hoffte, es nach einem kurzen Mittagsmahl präsentieren zu können.

      Doch plötzlich stand eine der Sklavinnen der Fürstin vor ihm und räusperte sich.

      »Meine Herrin lässt fragen, ob Ihr an einem Mahl teilnehmen wollt.«

      Verblüfft blinzelte Arwed in die Sonne, die hinter dem Mädchen stand und ihn blendete, da er wieder auf dem Boden saß. Er richtete sich auf und trat ein wenig zur Seite.

      »Äh, nun ja, sicher. Wann? Heute Abend?«

      »Nein, jetzt. Fürst Alaric und Fürstin Brianna erwarten Euch in ihrem Haus.« Sie betrachtete ihn von oben bis unten und wagte noch einen Einwand. »Ihr solltet Euch waschen und etwas dem Anlass Entsprechendes anziehen … wenn Ihr bessere Kleidung besitzen solltet.«

      Tatsächlich führte er einen feingewebten Umhang und ein zweites Paar Hosen mit sich. Schließlich hatte er damit gerechnet und gehofft, in Häuser eingeladen zu werden, in denen er das erfuhr, was er wissen wollte.

      Natürlich war Arwed kein Bernsteinhändler.

      In allererster Hinsicht war er Germane.

      Und Spion.

      Kapitel XI: Gastfreundschaft und Gänsehaut

      Die Sonne hatte gerade ihren Höchststand erreicht gehabt, als Arwed, frisch gewaschen und gekleidet, dazu einen kleinen Beutel in der Hand, vor dem Haus der Fürstenfamilie angelangt war. Vier Wachen waren davor gestanden, hatten ihn aufgehalten, einen Blick in seinen Beutel geworfen und ihn nach Waffen durchsucht.

      Nun verschwand einer im Inneren des deutlich größten Gebäudes auf dem Plateau und kam kurz darauf wieder heraus. Mit einem stummen Nicken forderte er Arwed auf einzutreten. Zwei der Wachen folgten und postierten