K.P. Hand

Willenbrecher


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das Fatimas Erziehung streng gewesen wäre. Im Gegenteil. Sie hatte eine große und liebevolle Familie. Aber man hatte ihr Respekt vor älteren Personen beigebracht. Und eine Schwester widersprach dem großen Bruder nicht, wenn er sich liebevoll um sie kümmerte.

      »Ist gut, bis gleich«, erwiderte Fatima noch, dann legte sie auf.

      Evrens Besuche in ihrem Büro hatten aber noch einen Grund: Norman.

      Fatimas Bruder war wenig begeistert darüber, das sie mit einem Mann zusammenarbeitete, weshalb er so oft er konnte vorbei kam und nach dem Rechten sah. Und natürlich um Norman immer wieder deutlich einzutrichtern, das er die Finger bei sich behalten sollte.

      Aber so war das gar nicht zwischen ihr und ihrem Partner. Sie waren wirklich ausschließlich Arbeitskollegen. Nicht mehr aber auch nicht weniger.

      Obwohl Fatima natürlich zugeben musste, das sie ihn sehr mochte. Er sah gut aus und war ein toller Ermittler. Leider würde zwischen ihnen aber nie etwas passieren. Dafür waren ihre Ansichten wohl zu verschieden.

      Norman war zu sehr auf seine Arbeit konzentriert, während Fatima ein Familienmensch war und sich nach Heirat und Kindern sehnte. Norman sagte immer, er habe nur flüchtige und unkomplizierte Beziehungen, das missfiel Fatima. Sie war da eher ... altmodisch.

      Natürlich hatte auch sie Beziehungen gehabt. Sie war lange mit ihrem ersten Freund zusammen gewesen, bis er sie dann wegen einer anderen verlassen hatte. Wäre das nicht geschehen, hätte Fatima ihn ganz sicher geheiratet. Seither hatten sich keine sexuellen Beziehungen mehr ergeben.

      Nun wartete sie einfach ab, in der Hoffnung, dass bald »der Richtige« auftauchen würde. Bis dahin würde sie sich ihrer Arbeit verschreiben. Und das war nun wichtiger denn je. Sie musste die junge Frau lebend finden! Alles andere würde sie sich selbst nie verzeihen können.

      6

      Mona würde nie wieder das Wort Angst falsch gebrauchen.

      Wie naiv sie doch gewesen war, immer dann, wenn sie behauptete, Angst in der Dunkelheit zu haben oder sich vor Spinnen zu fürchten. Bis zu dem Moment, als sie in diesem Raum aufgewacht war, hatte sie keine Ahnung gehabt, wie sich wirkliche Angst anfühlte. Nun kam es ihr total banal vor, einer Spinne zu begegnen. Der Raum könnte voll davon sein, sie würde die Tür dennoch am meisten fürchten.

      Die Tür, die ihr die Freiheit verwährte und durch die ihr Peiniger ein- und ausging.

      Angst war nicht so leicht zu beschreiben, wie Mona immer geglaubt hatte. Sie blieb auch nicht stetig. Mal war sie gar nicht da, immer dann, wenn Monas Gehirn kein Adrenalin mehr produzierte und sie furchtbar müde wurde. Dann gab es Zeiten, in denen die Angst so schlimm war, dass sie hyperventilierte. In jenen Minuten sah sie nicht mehr richtig, alles wirkte irgendwie unwirklich. Ihr Herz raste, sie begann zu schwitzen obwohl ihr nicht heiß war, ihre Finger kribbelten, als fließe plötzlich kein Blut mehr hindurch, sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Sie wollte fliehen, war aber gefangen.

      Das war Angst! Pure, panische Angst. Und es wollte nicht aufhören.

      Nachdem er gegangen war, hatte Mona sich in ihre Ecke geschleppt. Denn dort fühlte sie sich auf unerklärliche Weise sicher.

      Noch immer war sie nackt und in der Zeit, in der die Angst nicht auf ihrem Höhepunkt war, fror sie. Außerdem wünschte sie, ihr Peiniger hätte das Licht ausgelassen. Die Dunkelheit war tröstender gewesen als die kahlen, grauen Betonwände, die sie jetzt sehen musste.

      Aber nun wusste Mona wenigstens, warum der Raum so feucht war. Es handelte sich nämlich um eine Art Duschraum.

      In der Mitte des Raums, an jener Stelle über der sie von der Decke gehangen hatte, war ein kleiner Abfluss zu sehen und an der Wand, in deren hinteren Ecke sie kauerte, hatte sie eine Duschbrause entdeckt. Stetig hörte Mona nun auch das rhythmische Tropf ... Tropf ... Tropf der Brause. Es machte sie fast wahnsinnige. Nie hätte sie gedacht, dass ein einfaches Geräusch wie tropfendes Wasser auch eine Art von Folter sein konnte.

      Aber alles, was sie sich zuvor nicht hatte vorstellen können, hatte sich in den wenigen Tagen ihrer Gefangenschaft geändert. So wie sie immer gedacht hatte, ihr würde so etwas nicht passieren. Und ebenso hatte sie geglaubt, in der Lage zu sein, gegen ihre Entführer anzukämpfen, wie all die tapferen Frauen in den Filmen oder Romanen.

      Sie war ja so naiv gewesen!

      Selbst wenn sie kämpfen wollte, würde die Angst sie nicht lassen. Sie lähmte sie und bestimmte ihr Verhalten.

      Die Angst war es auch, die sie zusammenzucken ließ, als die Tür aufschwang.

      Mona schlang die Arme um ihren nackten, geschundenen Körper und senkte den Kopf.

      Sie durfte nicht aufsehen, also tat sie es nicht.

      Schritte näherten sich, doch hatte sie nicht gehört, wie sich die Tür wieder geschlossen hatte.

      »Schau mich an!«, hörte sie die Stimme ihres Entführers.

      Mona blickte zu ihm auf.

      Er stand dicht bei ihr, überragte sie bedrohlich und sah mit eiserner Miene auf sie herab, in der rechten Hand hielt er den Griff einer Peitsche mit vielen dünnen Lederstreifen.

      Oh Gott, habe ich etwas falsch gemacht?, fragte sie sich sofort ängstlich. Sie würde keine weiteren Schläge mehr aushalten. Aber schmerzhafter als die Gerte konnten die Lederstreifen nicht sein. Mona glaubte, nichts könnte je mehr wehtun als die schwarze Gerte. Diese fürchtete sie fast mehr als den Mann selbst, der die Folterinstrumente führte.

      Er zeigte auf sie und warnte: »Du bleibst, wo du bist. Nicht einmal zucken darfst du!«

      Mona sah ihm weiterhin in die Augen. Die blaue Iris schien im Neonlicht geradezu zu leuchten. Es waren schöne Augen. Eine Verschwendung, das sie zu diesem Mann gehörten.

      Sie hörte Geräusche. Mehr Schritte. Schwerer Atem. Männliches Grunzen, als hebe jemand schwer. Etwas wurde abgestellt, über den Boden geschliffen. Wieder Schritte. Eine männliche Stimme fragte: »Brauchst du sonst noch etwas, Boss?«

      »Nein«, erwiderte Monas Peiniger ohne den Blick von ihr zu nehmen. »Aber ich will nicht gestört werden. Wenn Tie hier auftaucht, schick ihn weg und sag ihm, er soll heute Abend wieder kommen.«

      »In Ordnung«, wurde erwiderte, dann hörte Mona, wie die Tür geschlossen wurde.

      Während all das geschah, hatte sie brav zu ihrem Entführer aufgesehen. Er hatte nicht gesagt, dass sie den Blick abwenden durfte, also tat sie es nicht.

      Mona hatte sich während der Angstzustände geschworen, ihn ganz genau beim Wort zu nehmen. Sie hoffte, das würde ihr weitere Strafen ersparen. Die Frage war nur, ob die Strafen schlimmer waren als das, was er noch von ihr verlangen würde.

      Kein Mann hielt eine Frau bei sich fest ohne etwas ganz bestimmtes mit ihr vorzuhaben. Und davor fürchtete Mona sich am meisten. Schläge, Peitschenhiebe, an der Decke hängen ... alles ertragbar ... alles irgendwie überlebbar. Aber wenn er sie gegen ihren Willen anfassen und »nehmen« würde, wusste sie nicht, ob sie das je überwinden könnte.

      Plötzlich zog er schmunzelnd eine dunkle Augenbraue hoch.

      »Braves Mädchen«, sagte er voller stolz, »du kapierst wirklich sehr schnell. Alle anderen versuchen beim ersten Mal, irgendwie die Tür zu erreichen, um zu fliehen.«

      Dann war das wohl auch eine Art Test gewesen. Sie war wirklich froh, ihn bestanden zu haben.

      »Du siehst furchtbar aus«, stellte er beinahe bedauernd fest. Er wandte sich um und blickte zur Wasserflasche, die Mona nicht angerührt hatte.

      Ihr Vorhaben, es sich einteilen zu wollen, hatte sie verworfen, als ihr Verstand wieder klarer geworden war und sie erkannte, dass etwas nicht stimmen konnte. Niemals hätte er ihr einfach so Wasser da gelassen. Es würde dem widersprechen, was er mit ihr vorhatte. Sie sollte von ihm abhängig sein, die Flasche hätte ihr einen Funken