Brigitte Martin

Die Abenteuer des Henry Himmelblau


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gelaunt. Das war sie meistens, wenn sie kochte, denn Lotti liebte es zu kochen.

      „Mein Lieblingsessen“, murmelte Henry.

      „Nein, mein Lieblingsessen!“, brummte Theo, der bereits am Esstisch saß.

      Lotti lachte.

      Sie wendete den Pfannkuchen wie eine Zirkuskünstlerin. Warf ihn mit Schwung in die Luft, so dass er sich dreimal drehte, bis sie ihn geschickt wieder auffing.

      „So, das ist mein letzter Pfannkuchen“, meinte sie zufrieden und legte ihn auf den hohen Berg fertiger Pfannkuchen.

      „Glaubt ihr, das reicht euch?“

      Lotti wischte sich die Pfoten an der Kochschürze ab und wandte sich Henry zu. Sie stutzte.

      „Um Himmelswillen, was ist denn los mit dir?“, rief sie besorgt, als sie Henrys traurige Augen bemerkte.

      Doch Henry seufzte nur und setzte sich zu Theo an den Esstisch.

      „Na erzähl, mal mein Junge, was ist denn los?“, sagte er.

      Aber Henry brachte kein Wort heraus. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Unruhig rutschte er auf dem Stuhl hin und her.

      „Was ist passiert?“, fragte Lotti weiter. „Hast du dir wehgetan?“

       „Hast du was angestellt?“, brummte Theo.

      Henry schüttelte den Kopf.

      „Ich war heute am See“, stieß er plötzlich hervor. „Dort habe ich etwas entdeckt!“

      „Was Gefährliches?“, schnaufte Theo. Er trommelte unruhig mit den Pfoten auf dem Tisch.

      „Eine Katze!“, flüsterte Henry. Seine Schnurrbarthaare und sein Kinn zitterten.

      Lotti schnappte nach Luft. Dann war es still in der Bärenhöhle bis Theo langsam sagte: „Du hast eine Katze gesehen?“

      Henry nickte.

      „Ja“, murmelte er und begann zu weinen. „Mich selbst. Mein Spiegelbild im See.“

      Mit einem leisen Schrei zog Lotti Henry auf ihren Schoß. Sie drückte ihn fest an sich.

      „Aber wieso? Wie ist das möglich? Ihr seid doch Bären. Das kann doch gar nicht sein?“

      „Mein lieber Henry“, brummte Theo so sanft er nur konnte, „Wir wollten es Dir schon so lange sagen, aber wir konnten nicht den richtigen Zeitpunkt finden. Hör zu, Henry, Du bist unser Junge. Und ob du ein Bär bist oder eine Katze, das ist für uns egal. Total egal. Das spielt überhaupt keine Rolle. Du bist unser Junge. Wir haben dich lieb. So wie du bist. Genauso wie du bist!“

      „Ja, du bist mein allerliebster Schatz“, flüsterte Lotti Henry ins Ohr und drückte ihn noch enger an sich. „Hör zu, mein Kleiner“, sagte sie und erzählte Henry von dem Tag, als sie ihn in dem Körbchen vor der Höhle gefunden hatten. Er erfuhr, wie sehr sie sich über ihn gefreut hatten. Nur den Brief, den verschwieg Lotti. Sie wollte Henry nicht beunruhigen.

      „So bist du zu uns gekommen. So bist du unser Sohn geworden!“, erklärte Lotti mit Tränen in den Augen. „Wir sind so glücklich, dass wir ausgerechnet DICH bekommen haben! Du bist ein Geschenk des Himmels für uns!“

      Mit diesem Satz beendete Lotti ihre Geschichte und Theo fügte leise hinzu:

      „Gegen keinen Bären der Welt würden wir dich tauschen wollen!“

      Dabei musste auch er sich die Tränen aus den Augenwinkeln wischen.

      Henry drückte sich tief in Lottis warmes Fell. Er spürte ihr Herz klopfen und roch den vertrauten Geruch, den er so sehr mochte. Noch immer war er sehr verwirrt und fühlte sich wie im Traum.

      „Nun lach doch wieder, mein Junge“, sagte Theo leise.

      „Du bist etwas ganz Besonderes!“, sagte Lotti.

      „Genau!“, brummte Theo.

      „Aber ich will keine besondere Katze sein. Ich will genauso werden wie ihr. So stark und groß! Ein Bär eben“, dachte Henry, aber er sagte es nicht und war um so erstaunter, als Theo rief:

      „Und Du wirst die stärkste Katze aller Katzen werden. So stark wie ein Bär! Dafür werde ich sorgen!“, brüllte er, dass die Wände der Bärenhöhle zitterten.

      Aufmunternd zwinkerte er Henry zu.

      „Was hältst du davon Henry?“, sagte er. „Wir könnten zum Beispiel mit einem Boxtraining beginnen, Du wirst sehen, das wird toll!“

      Theo lachte und tänzelte wie ein Boxer herum, schlug wild mit den Fäusten ein paar Hacken in die Luft und rief Henry zu: „Na komm schon meine Junge, worauf wartest Du?“

      „Ja, komm, Henry!“, rief auch Lotti. „Komm, mach mit!“

      „Ich wusste gar nicht, dass du so sportlich bist!“, rief Theo als Lotti vor ihm in geduckter Haltung mit erhobenen Fäusten im Kreis herumhüpfte und geschickt seinen Luft-Schlägen auswich.

      „Ich auch nicht“, rief Henry begeistert. Die Schatten aus seinen Augen waren verschwunden. Er sprang zu seinen Bäreneltern und hüpfte zwischen Ihnen herum und boxte in ihre dicken Bäuche und er vergass, dass er eine Katze war und er konnte sich keine besseren Eltern vorstellen, als Lotti und Theo. Sie waren die besten Bäreneltern der Welt.

      „Jetzt hab ich Hunger! Auf Pfannkuchen“, rief Henry lauthals.

      „Ich auch!“, stimmte Theo ein.

      Rasch band sich Lotti ihre Kochschürze um und in Windeseile stand ein frischer Berg dampfender Pfannkuchen auf dem Tisch, die dick mit Himbeermarmelade bestrichen wurden.

      „Das Wichtigste fehlt!“, rief Henry.

      Lotti blickte verwirrt. Theo schien nichts zu fehlen. Er hatte bereits seinen ersten Pfannkuchen verschlungen.

      „Es ist weiß und süß!“

      „Puderzucker! Natürlich, Puderzucker!“

      Glücklich, die Marmelade tropfte vom Kinn, der Schnurrbart weiß vom Puderzucker, so aß Henry einen Himbeerpfannkuchen nach dem anderen und rülpste schließlich laut.

      „Aber Henry!! So benimmt sich kein anständiger Bär!“, rief Lotti.

      „Ich bin auch kein Bär“, sagte Henry. Und drückte sich an Lotti. In ihrem Fell blieben Puderzucker und Marmelade kleben.

      „So kleine Jungs sind einfach unwiderstehlich“, seufzte sie. „Man kann ihnen nicht böse sein, nicht wahr, Theo?“

      Theo nickte.

      GEFAHR

      Am nächsten Morgen erwachte Henry bereits sehr früh. Im Halbdunkeln schlich er zu Lotti und Theo und kroch unter ihre Bettdecke.

      „Schätzchen, bitte hör auf zu zappeln. Ich bin noch müde“, brummte Lotti.

      „Ihr habt mir gestern nichts über meine Katzeneltern erzählt“, flüsterte Henry.

      Aber Lotti war bereits wieder eingeschlafen. Sie schnarchte leise.

      Noch einmal wiederholte Henry den Satz und flüsterte ihn direkt in das große Bärenohr hinein.

      „Wieso habt ihr mir gestern nichts über meine Katzeneltern erzählt?“

      Jetzt schreckte Lotti hoch.

      „Wir kennen sie nicht, deine Katzeneltern, wir wissen nichts über sie“, sagte sie schlaftrunken.

      „Denkst du, meine Katzenmama hat mich nicht lieb gehabt?“

      Henry hielt den Atem an. Im Schlafzimmer war es still. Draußen begannen die Vögel zu zwitschern.

      Lotti räusperte sich und schüttelte den Kopf.

      „Nein,