Brigitte Martin

Die Abenteuer des Henry Himmelblau


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willst mit mir befreundet sein?“

      Er spürte wie ihm wieder die Tränen hochstiegen. Er musste sich zusammenreißen,

      „Ich bin doch eine Katze, ein Kater“, sagte er schließlich und schämte sich.

      „Allerdings“, kicherte jetzt die Maus. „Das sieht doch ein Blinder, dass du eine Katze bist! Wie kommst du bloß auf die Idee, ein Bär zu sein?“

      Wieder kicherte sie.

      Henry schaute sie traurig an.

      „Und trotzdem sollen wir Freunde sein?“, fragte er.

      Muriel nickte heftig. Mit fliegenden Löckchen.

       „Ja, das will ich. Weil du keine normale Katze bist. Statt mich zu fressen, hast mich gerettet! Das ist doch keinesfalls normal! Das mag ich! Und aussehen wie eine normale Katze, tust du auch nicht. Wer hat schon eine blaue Katze gesehen? Für mich steht fest: du bist etwas Besonderes.“

      Sie zwinkerte Henry zu, der aussah als ob ein Wunder geschehen sei, das er nicht begreifen konnte.

      Er streckte der Maus seine Pfote entgegen und Muriel legte ihre Mäusepfote, leicht wie eine Feder, in die blaue Katzenpfote. Für eine Weile war es still. Schüchtern lächelten sie sich an.

      „Wie heißt du eigentlich?“, fragte Muriel.

      „Henry Himmelblau.“

      „Olala! Das passt zu dir!“, rief Muriel. „Warum bist du so traurig, Henry Himmelblau?“

      Wieder seufzte Henry. Mit hängendem Kopf erzählte er Muriel seine Geschichte. Er erzählte ihr, dass seine Eltern Bären waren und dass er bis heute geglaubt hatte, auch ein Bär zu sein.

      „Die Geschichte ist wirklich komisch, aber deswegen musst du nicht so heulen. Es kenne viel schlimmere Geschichten. Und ganz ehrlich, ich würd ja viel lieber eine Katze sein!“

      „Wieso das denn?“

      „Ist doch einfach! Dann müsste ich keine Angst vor Katzen haben!“, sagte Muriel schelmisch. Sie sprang auf, verbeugte sich wie eine Schauspielerin auf der Bühne und begann zu singen. Es war eine Mischung aus Sprechen und Singen. Ein Sprechgesang. Es war ein Rap, den sie sang. Laut und hoch.

      Wenn ICH

      eine Katze wär

      wenn ICH

      eine Katze wär

      ja dann

      ja dann

      dann wär

      mein Leben gar nicht schwer, gar nicht schwer

      Henrys Augen wurden heller und heller als er Muriel zusah wie sie abwechselnd von einem Bein auf das andere sprang, mit ihren Hüften wackelte und dabei die hoch erhobenen Pfoten in der Luft nach rechts und links schwang.

      Denn dann

      ja dann

      das ist doch sonnenklar

      ja klar

      dann wär ich stark

      dann wär ich groß

      dann würd ich kämpfen gegen Riesen

      ja Riesen

      und müsst mich nicht im Loch verkriechen

      Muriels Löckchen flogen, sie schnalzte mit der Zunge und klopfte weiter den Takt mit den Füßen.

      „Kapiert?“

      Henry nickte. Er versuchte die gleichen Tanzschritte wie Muriel zu machen. Er wackelte wild, allerdings noch etwas ungelenk mit den Hüften und seine rechte Pfote stieß er im Rhythmus wie zum Schwur im Takt gegen den Himmel. Er sang.

      Ich geb dir mein Versprechen

      ich geb dir mein Versprechen

      und werd es niemals brechen, brechen, brechen

      wenn du mich rufst

      dann bin ich da

      oh ja, oh ja

      dann kämpf ich gegen Riesen

      und du

      du musst dich nicht im Loch verkriechen, verkriechen

      fisch dich aus jedem Wasser

      raus

      und bring dich immer heil nach Haus

      und tanz mit dir bis in die Nacht hinein

      oh ja, oh ja

      und tanz mit dir im Mondenschein

      Muriel johlte. Sie klatschte, lachte und tanzte mit.

      „Olala! Du bist ein echter Rapper, Henry, weißt du das? Du bist der coolste Kater der Welt!“

      „Das hab ich von meinen Bäreneltern gelernt!“, sagte er und seine Augen leuchteten stolz. „Wir singen immer in der Badewanne!“

      „ Feststeht, du bist die coolste Katze der Welt!“, rief sie dreimal hintereinander, raste um ihn herum, klatschte dabei in die Pfoten, stellte sich federnd auf die Zehenspitzen, sprang ab und machte einen Rückwärtssalto. Kinderleicht sah das aus. So leicht, dass Henry versuchte es nachzumachen. Aber er landete recht unsanft auf seinem Hinterteil.

      „Das musst du noch üben!“, kicherte Muriel.

      „Aber im Bäume hochklettern, da bin ich echt gut“, sagte Henry verlegen.

      „Und im Mäuse retten!“, sagte Muriel.

      Wieder schlug sie einen Rückwärtssalto. Allerdings keinen einfachen Salto. Es war ein doppelter Rückwärtssalto.

      „Du bist eine echte Supermaus!“, rief Henry und Muriels Ohren liefen vor Freude dunkelrosarot an.

      „Du kannst das auch. Ich bin sicher, du kannst das!“

      Henry zögerte.

      „Los!“ rief Muriel.

      Und Henry holte tief Luft. Mit Schwung bog er sich rückwärts nach hinten und genau in dem Moment fiel ein Sonnenstrahl auf seinen grünen Stein, der hell aufblitzte. Er spürte ein Prickeln, eine eigenartige Wärme, die durch sein Blut schoss. Und leicht wie ein Blatt flog er im hohen Bogen durch die Luft und landete sicher auf den Beinen.

      „Olala! Cool! Ist dein Stein ein Zauberstein?“

      „Zauberstein?“

      Vorsichtig berührte Muriel den Stein.

      „Er fühlt sich glatt und warm an!“, sagte sie und blickte hindurch.

      „Olala, ich sehe alles in grün. Es ist als ob ich in einen grünen See schauen würde. Ich glaube mir wird schwindlig! Ich glaube, es ist ein Zauberstein“,

      „Nein, nein, kein Zauberstein!“, entgegnete Henry. „Der Stein ist nichts Besonderes. Den Stein hab ich schon immer.“

      Aber Muriel ließ sich nicht beirren.

      „Du wirst schon sehen“, sagte sie. „Es ist todsicher ein Zauberstein!“

      In dem Moment flogen Wildgänse schnatternd über den See und Henry bemerkte, dass die Sonne bereits am Untergehen war.

      „Ich muss jetzt los, Muriel, Ich muss nach Hause, es ist schon spät. Sollen wir uns morgen wieder hier treffen? Um die Mittagszeit?“, fragte Henry.

      Muriel nickte und kicherte.

      Dann jagte Henry in langen Sätzen davon. Seine Gedanken drehten sich im Kreis.

      „Warum bin ich kein Bär? Meine Eltern sind doch Bären? Warum haben sie mir nicht gesagt, dass ich eine Katze bin? Warum bin ich eine Katze?“

      Er bemerkte nicht das Eichhörnchen mit dem schwarzen Schwanz, das ihn von Ast zu Ast begleitete.