Brigitte Martin

Die Abenteuer des Henry Himmelblau


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schau ich sie mir näher an“, sagte Henry und lief los.

      „Halt, Henry, warte doch mal!“ rief Lotti.

      Aber Henry stand bereits neugierig vor dem Loch in dem die Maus wieder verschwunden war.

      „Hey Du!“, rief Henry und versuchte mit den Pfoten in das Loch zu greifen. „Du kannst rauskommen, die Luft ist rein, die Schlange ist weg!“

      Nichts rührte sich.

      „Sag mal, Henry, hast du vielleicht jetzt Hunger bekommen?“, fragte Theo so, als ob es eine ganz normale Frage wäre und stieß dabei Lotti sanft mit dem Ellbogen in die Rippen.

      „Ein bisschen Hunger hab ich schon“, sagte Henry und versuchte in das Loch hineinzuschauen. Er sah aber nichts. „Glaubt ihr die Maus hat Angst vor mir?“

      „Katzen und Schlangen fressen Mäuse“, sagte Lotti und musste dabei wieder husten.

      „Wirklich? Igitt! Aber ich bin ja ein Bär, das muss sie doch gesehen haben. Sind denn Katzen auch gefährlich für mich? Für kleine Bären?

      Theo sagte nichts. Lotti sagte auch nichts.

      „So gefährlich, wie Schlangen und schwarze Eichhörnchen?“, fragte Henry weiter, denn so eigenartig wie Lotti und Theo aussahen, vermutete er, dass Katzen richtig gefährlich waren.

      Aber die Bären blieben stumm.

      „Jetzt sagt doch endlich: sind Katzen gefährlich für kleine Bären oder nicht?“, rief Henry.

      „Nein, nein!“ rief Theo und es klang verzweifelt. Er strich sich über die Stirn und Augen, trommelte nervös auf seinem Bauch herum, blickte zu Lotti und schnaufte und seufzte.

      „Ich geb auf“, sagte er. „Drehen wir um, es ist bereits spät am Nachmittag und zum Gipfel brauchen wir mindestens noch eine Stunde und ich hab auch Hunger und außerdem sollten wir zurück sein, bevor es dunkel wird“

      „Also doch“, sagte Henry enttäuscht. „Ich wusste es. Ihr wollt umdrehen! Nein, ich will aber nicht umdrehen. Bis zum Gipfel müssen wir es schaffen! Wir sind doch starke Bären, oder nicht?“

      Lotti nickte und Theo schüttelte sich, als ob er lästige Fliegen vertreiben wollte, dann brüllte er laut und spurtete los.

      „Wollen wir mal sehen, wer eher oben ist!“, rief er Henry zu und verschwand in der dicken Staubwolke, die er aufwirbelte.

      Henry und Lotti rannten hinterher, aber es gelang ihnen nicht, Theo einzuholen. Und als sie atemlos den Gipfel erreichten, saß Theo bereits gemütlich an einem Felsen gelehnt und sah aus, als ob er seit Stunden auf sie warten würde.

      „Auch schon da?“, sagte er und grinste.

      „Wenn ich ein großer Bär bin, werde ich genauso schnell rennen können, wie du!“, sagte Henry und gerade als Theo tief Luft holte, um Henry endlich zu erklären, dass er kein Bär war, gerade in dem Moment, rief Lotti laut aus: „Ach, seht doch nur - die herrliche Aussicht!“

      Staunend blickten alle drei auf den Blaubeerwald, der tief unter ihnen lag. Die Strahlen der späten Nachmittagssonne tauchten ihn in ein Licht, das sich wie flüssiges Gold über dem Wald legte.

      „Wunderschön!“, seufzte Lotti.

      „So winzig klein sieht unsere Höhle aus! Sie ist nur ein Punkt“, rief Henry, als er sie im Süden des Waldes entdeckte. Und auch der Bach, der sich durch den Wald schlängelte, sah vom Gipfel des Berges, fein wie ein Faden aus.

      „Schaut mal unser See“, rief Lotti und zeigte auf den kleinen See, der direkt in der Mitte des Waldes lag.

      „Und da im Norden, da liegt das Wolkenkratzer-Gebirge“, erklärte Theo und zeigte auf die Felsen der mächtigen Gebirgskette. Sie glänzten tiefschwarz. Sie waren spitz gezackt und es sah aus, als ob sie den Himmel berührten. Also ob die letzten Meter der Gipfelspitzen im Himmel verschwanden.

      „Wolkenkratzer?“, murmelte Henry. Das Gebirge gefiel ihm. Er kam ihm bekannt vor. Obwohl er es nie zuvor gesehen hatte. Zwischen den Felsen konnte er einen Gebirgsbach erkennen, der steil in die Tiefe stürzte und sich in einen Wasserfall verwandelte. Daraus wurde ein Fluss, der direkt in den Blaubeerwald floss, der plötzlich einen scharfen Rechtsknick machte und weiter Richtung Westen strömte. Hinter dem Fluss lag noch ein Wald. Es war ein dunkler Tannenwald. Kleiner als der Blaubeerwald. Dort blitzten ab und zu rote Punkte wie winzige Sterne auf.

      Als Henry das sah, wurde ihm heiß.

      „Was ist das?“, flüsterte er und deutete auf den seltsamen Wald.

      „Das ist der Himbeerwald!“, erklärte ihm Theo.

      „Der Himbeerwald?“

      „Ja, der Himbeerwald! Dorthin darfst du NIE gehen!“, sagte Theo.

      „In den Himbeerwald darfst du NIEMALS gehen!“, sagte Lotti.

      Und so wie die Bären blickten, verstand Henry, der Himbeerwald, das war das Gefährlichste, das er heute kennen gelernt hatte.

      „Warum darf ich dort nicht hingehen? Warum ist der Himbeerwald gefährlich?“

      Die Bären blickten einander an. Sie schnauften tief durch.

      „Das ist einfach so. Basta“, brummte Theo mit finsterer Miene.

      „Es ist ein Geheimnis“, flüsterte Lotti. Sie presste die Lippen fest aufeinander.

      „Ein Geheimnis?“, wiederholte Henry.

      Neugierig starrte er wieder zu dem Wald hinüber.

      „Das muss ich herausfinden“, dachte er und seine Pupillen funkelten.

      SCHNECKE

      „Ich will so schnell wie möglich ein starker Bär werden!“

      Mit diesem Satz schlug Henry die Augen auf und sprang aus dem Bett.

      „Vielleicht schaffe ich heute zehn Liegestützen“, dachte er und begann sofort mit den Liegestützen.

      „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, acht“, zählte er laut mit. „Nein, sieben, acht, neun, puh ist das anstrengend, puh, nein, ich kann gleich nicht mehr!“

      Mit Müh und Not schaffte er die zehnte Liegestütze als er sich von dem lauten Gekrächze aus dem Garten ablenken ließ. Was machten die Krähen eigentlich für einen Höllenlärm?

      Henry lief zum Fenster und staunte über den riesigen Schwarm Krähen, der sich im Apfelbaum niedergelassen hatte und krächzend zwischen den Ästen kreuz und quer herumhüpften. Es sah sehr lustig aus. Es aus, als ob sie einander fangen wollten.

      „Hey ihr da!“, rief Henry. „Darf ich mitspielen?“

      Sofort war es still im Garten. Die Krähen hörten auf herumzuhüpfen. Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie Henry an, bis schließlich eine Krähe schrie:

      „Katzenalarm! Bereit machen zum Abflug!“

      „Katzenalarm?“, rief Henry verwundert. „Hey ihr da, Moment mal, wartet doch! Wo soll denn hier eine Katze sein? Hier bin doch nur ich und ich bin ein Bär!“

      „Achtung Falle! Alle abhauen!“, schrie wieder die selbe Krähe, die anscheinend der Anführer der Krähen war und in dem Moment erhoben sich die Krähen und flogen davon und waren schnell nur mehr als schwarze Punkte am Himmel zu sehen.

      „Komisch!“, dachte Henry und es fiel ihm die Begegnung mit dem Raben ein. „Entweder haben alle schwarze Vögel extrem schlechte Augen oder es schleicht eine Katze im Garten herum.“

      Er hüpfte durch das Fenster in den Garten und kletterte den Apfelbaum hoch und setzte sich auf den obersten Ast und beobachtete die Wiese des Gartens, die bedeckt war mit einem Teppich aus Gänseblümchen. Er sah Lottis Gemüsebeet, wo Gurken, Tomaten, Zuccini und orangefarbene Kürbisse