Dagmar Herrmann

Aus dem Leben kleiner Leute


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über die neuerlichen Verluste der Grünweißen, die gerade mit Ach und Krach durch zwei Auswärtssiege der Abstiegszone entronnen sind, fragt mit flehendem und wehem Unterton in der Stimme, damit sie so sein Leid erkennen möge, dass sie justament im Begriff ist, ihm zuzufügen:

      „Was is los, is was angebrannt?“

      Sie, Henriette, „damals“, meinte sie liebevoll, es sei kein Zufall, dass sie beide dieselben Anfangsbuchstaben in ihren Vornamen trügen, schleudert wutentbrannt das Staubtuch in die Ecke:

      „Ich rede und rede … sag mal, hörst du mir denn überhaupt nicht zu?“ Herbert gesteht sich ein, ohne es verlauten zu lassen, dass Henriette wie so oft den Nagel auf den Kopf getroffen hat, aber leugnet dies im Brustton des geübten Lügenbolds:

      „Aber wie, ich sollte dir nicht zuhören … habe alles gehört bis auf den letzten Satz, bei dem du so die Stimme gehoben hast. Ich war nur verwirrt.“

      Er senkt jetzt ergeben die Zeitung: „Was ist also los?“

      „Muttertag, das ist los! Ich wette, du hast deiner lieben“, das sagt sie spitz mit Überbetonung jeder Silbe, „Mutter wieder mal kein Geschenk besorgt … aber eins sage ich dir, ich mach das dies Jahr nicht. Sieh doch zu, wie du mit ihr klarkommst, und überhaupt, ich verreise, mir schenkt auch keiner was!“

      Herbert kleinlaut:

      „Aber du sagst doch, dir soll keiner was schenken, es sei albern, an einem Tag im Jahr … .“

      „Ja, ja, ist ja gut.“

      Herbert erkennt, dass für das Weiterlesen des Sportteils ein ungeeigneter Moment gekommen sei: Jetzt heißt es taktisch vorgehen. Er legt die Stirn in Dackelfalten und hebt von der Sofaecke ausgehend den gewissen Hundeblick zu ihr auf, der gewohnt ist, erfolgreich beschwichtigend auf sie einzuwirken:

      „Henny, bitte mach das doch für mich, du kannst das besser und koch uns was Hübsches zum Muttertag, vielleicht dein berühmtes ‚pot au feu‘, dazu dein knuspriges selbstgebackenes Brot ...?!“

      Aber Henriette hat doch momentan Männer mit treuherzigem Hundeblick auf Sicht und schnauzt:

      „Ach ja!? Damit sie mich runterputzen und daran rummäkeln kann und mir eine Lektion erteilt, was sie an besonderen Zutaten verwendet, damit es WIRKLICH bekömmlich wird, und diesen verfeinerten würzigen Geschmack … der mein Gericht natürlich nicht vorzuweisen hat!“

      Herberts Stimme wird jetzt weinerlich. Er lässt die Zeitung, ganz und gar in einer Geste demütiger Unterwerfung, auf die Knie sinken:

      „Henny! Ich bitte dich … du weißt doch, grad am Muttertag bin ich aufgeschmissen ohne dich! Sie wird mir die Hölle heiß machen, wenn du nicht da bist, oder sie wird unter Tränen türekrachend das Haus verlassen … Henriette! Das kannst du mir nicht antun!“

      Henriette seufzt, sie lächelt fein, nimmt das Staubtuch wieder auf und wischt den einen letzten unsichtbaren Staubfussel von der Anrichte, indem sie besänftigt antwortet:

      „Ist schon gut. Herbert, reg dich nicht auf, ist nicht gut für dein Herz … Ich mach das schon.“

      Herbert strahlt sie noch schnell an und murmelt ein beiläufiges „Danke“, dann ist er auch schon wieder hinter der Zeitung mit dem Sportteil verschwunden, findet auch gleich die Passage, an der er unterbrochen wurde … liest, dass der neue Trainer aus Bukowina den Spielern Feuer unterm Hintern machen will … Henriette nimmt den ihrigen Faden wieder auf, nicht ohne Herbert aus den Augenwinkeln aufs Korn zu nehmen:

      „ ... also, wie ich sagte, diese Schlange von Bäckerin, die so hausbacken tut, hat sie doch letztens ... “

      „HERBERT! Du hörst mir nicht zu … leg doch mal die verdammte Zeitung aus der Hand!!!“

      Die Karten gezinkt, die Hände gerieben, das Teewasser aufgesetzt, der gute Tütentee bekannter Büntingfirma, deren Name Geschicht´ ist, und sich aus dem Gedächtnis diskret entfernt hat,

      noch ein paar Schnittchen für das Marathongewinn- und Verlierspielchen, das mehrere Stunden nicht unterschreiten sollte - - - hier wird lange weile klein geschrieben

      mit einer großen Geste - der Herr des Hauses - den Satz Karten virtous durch die Finger gleiten lassen - zusammenklopfen - austeilen … jeder hat da eine andere beeindruckende Methode - das allein erzeugt Spannung - Stapel in die Mitte des Tisches - - - wer gießt den Tee ab? Die Hausfrau eilt - ja, mach, wir wollen anfangen - er hibbelig - ein schlechter Verlierer - sie verbrennt sich die Zunge - ah, Mist, ein Fettfleck, die Leberwurst - pass doch auf - nun leg ab, wieso die Karte, um Himmelswillen, wie kann man so blöd sein - siehste, jetzt kann er ablegen - ah, ein Joker - Glück muss man haben - mach ich, hier den König - da nun noch die fehlende Pik 8 - fertig - lange Gesichter - sauertöpfisches Kommentieren - Seitenhiebe an die kindliche Mitspielerin - wenn du nicht immer mit den Gedanken woanders … sei mal einmal bei der Sache. Neue Runde - die Tochter, sie weiß, wird wieder verlieren - wir spielen Rommé.

      mit dem Vorschlaghammer bearbeitete er

      die Kiste, die ihm die Postbotin vor die Tür

      gestellt hatte. Die Nachbarin streckte erschreckt

      den Kopf aus der Tür und zog ihn sogleich

      wie ein verängstigtes Huhn in Sicherheit

      bringend zurück.

      Hinter der Häkelgardine ihrer Haustür mit dem

      Glasfensterchen beobachtete sie das massive

      Vorgehen gegen eine einfache Holzkiste aus

      hellem Holz, wahrscheinlich Kiefer, aus Buche

      wäre nicht so einfach Kleinholz zu machen.

      Er hob den Kopf, rot vor Anstrengung, die Augen

      stierten durch die Fensterscheibe, stieß ein

      unartikuliertes Gebrüll aus: Was glotzt die so!

      Er drohte mit dem Vorschlaghammer in ihre

      Richtung

      Sollte sie Hilfe holen, aber es gab keinen Anlass.

      Es war seine Kiste und kein ruhestörender Lärm,

      schließlich war es erst Nachmittag.

      Sie hatte gerade Kaffeewasser aufgestellt,

      um sich einen Schwarzen aufzugießen

      Frau Johannsen, sie liebt den Kaffee schwarz

      und sehr stark, ihr Erich hatte immer gesagt:

      Da kann man Tote mit aufwecken

      Der Nachbar war sonst ein friedlicher Mann,

      vor einigen Wochen hatte er seine Frau verloren

      durch einen Autounfall, vielleicht hatte es ihn

      um den Verstand gebracht, und er hasste jetzt

      alle Welt. Frau Johannsen würde das nicht

      weiter wundern.

      Sie öffnete die Tür, spähte durch den Spalt,

      traute sich einen Schritt vor und zeigte sich

      im Rahmen mit einem Fuß im Treppenflur.

      Was ist es denn, da in der Kiste, was sie so

      dringend brauchen, dass Sie sie kurz und klein

      schlagen müssen? wagte sie zaghaft die Frage

      an ihn zu stellen. Der Mann richtete sich auf

      zu seiner ganzen beträchtlichen Größe. Seine

      Stirn war schweißbedeckt, dicke Tropfen rannen

      das Gesicht hinunter. Mit einer heftigen Bewegung

      des angewinkelten Armes wischte er sie mit dem

      Hemdsärmel fort.

      Was