Nadja Losbohm

Die Jägerin - In Alle Ewigkeit


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verstaute ich sie im Halfter unter meinem Mantel. Michael entspannte sich merklich und ließ es zu, dass ich näher kam. Als ich vor ihm stand, nahm ich seine Hände in meine. Ich führte sie an meine Lippen und küsste sie zärtlich. „Ich liebe dich, Michael, und ich mache mir Sorgen um dich.“

      „Ich liebe dich auch, Ada“, flüsterte er. Er entzog sich meinen Händen, umfasste mein Gesicht und beugte sich zu mir herunter. Doch statt mich zu küssen, wie ich es erwartete, sah er mir nur tief in die Augen und sagte: „Ich habe mehrere Jahrhunderte in dieser Kirche gelebt. Es war das Einzige, was ich kannte. Ich habe immer daran geglaubt, immer gedacht, dass die Menschen sich eines Tages ändern, die Kreaturen der Nacht aussterben und meine Existenz vorüber sein würde. Nur eines von diesen drei Dingen hat sich erfüllt und auch nur bedingt. Die Vampire gibt es noch. Ich bin wieder ein sterblicher Mensch, kann mich frei bewegen, erlebe die Vor- und Nachteile einer Welt, die ich mir nicht einmal ansatzweise ausgemalt habe. Im Internet Filmchen über die moderne Technik zu sehen, ist eine Sache. Sie tatsächlich zu berühren, zu erleben ist etwas ganz anderes. Manches jagt mir Angst ein. Und auch wenn du glaubst, ich genieße mein Leben, meine Freiheit, weil ich mit dem Motorrad durch den Regen brause – oft genug überfordert mich dieses neue Leben. Ich vollführe einen Spagat zwischen meinem neuen Ich und dem alten, wenn ich Gottesdienste für meine ehemaligen Gemeindemitglieder halte und im nächsten Moment durch ein grell erleuchtetes Shoppingcenter laufe. Ich habe oft das Gefühl, als würde mein Kopf bald platzen, weil er überlastet ist.“

      „Dann lass es“, sagte ich mit Nachdruck, „die Gottesdienste, meine ich. Wenn dich diese Verbindung zu deinem alten Ich behindert, in deinem neuen Leben Fuß zu fassen, dann zerschneide sie.“

      Er schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht. Sie zählen auf mich. Sie brauchen mich.“

      Ich nahm seine Hände von meinem Gesicht und sah ihn mit finsterer Miene an. „Vielleicht ist es eher so, dass du sie brauchst und du willst sie gar nicht loslassen.“

      Michael seufzte und ließ den Kopf hängen „Vielleicht hast du Recht“, gab er zu. Ich spürte, wie der Ärger über seine Worte in mir hochkochte. Es gefiel mir nicht und verletzte mich. „Diese Verbindung zu meiner Vergangenheit gibt mir Halt, Ada. Willst du sie mir mit Gewalt nehmen?“, fragte er. Der schmerzliche Ausdruck in seinen Augen traf mich in meinem Innern. Aber nicht nur er empfand Schmerz und war hin- und hergerissen. Natürlich wollte ich ihm helfen und alles tun, damit er sich in meiner Welt zurechtfand und wohlfühlte, aber ich wollte diejenige sein, die ihm Halt bot. Rosalie sollte sein Halt, sein Anker sein. Anstatt dass die Diskussion uns einer Lösung näher brachte, schien sie uns nur weiter zu entzweien. „Gib mir noch ein wenig Zeit, Liebste, und ich verspreche dir, ich gehe dort nicht mehr hin“, flüsterte Michael. Seine Zusage erinnerte mich stark an die, die ich ihm einst gegeben hatte – damals, als mich das Flussmonster fasziniert hatte. Er gab mir einen Kuss auf die Stirn und umarmte mich. Mein Kinn ruhte auf seiner Schulter, und ich starrte die Seitenstraße entlang, an deren Ende ein Pärchen vorbeilief. Sie hielten Händchen und schwebten mehr als dass sie gingen. Frisch verliebt? Wartet es nur ab. Die Zeiten ändern sich, dachte ich.

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