Nadja Losbohm

Die Jägerin - In Alle Ewigkeit


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beendeten unser Tete-a-tete. „Guten Abend Mister und Misses Dale.“ Michael und ich stoben auseinander wie von der Tarantel gestochen. Geistesgegenwärtig platzierte er mich vor sich, damit der Störenfried nicht noch mehr Zeichen seiner Erregung sah, als er es ohnehin schon getan hatte. Mit hochrotem Kopf sahen wir unsere Nachbarin Misses Winston an, eine rundliche ältliche Lady, die uns grinsend und mit aufgemalten wackelnden Augenbrauen unverhohlen von oben bis unten musterte. Michael schob mich vor sich her in Richtung der Fahrstuhltüren. „Guten Abend Misses Winston“, sagte er. Seine Stimme war rauer als üblich und belegt. Er räusperte sich. „Wie geht es Ihnen?“, fragte er, nun wieder Herr seiner selbst.

      „Gut, danke. Und Ihnen?“, erkundigte sie sich bei ihm mit einem Zwinkern.

      „Bestens, bestens, danke“, antwortete Michael.

      „Ja, das sehe ich“, erwiderte sie, lehnte sich ein Stück zur Seite, vortäuschend, einen Blick auf sein bestes Stück zu werfen.

      Im Spiegel sah ich, wie Michael an sich hinunterschaute, kontrollierend, ob ich ihn nach wie vor verdeckte. Er sah zu der Alten, lächelte peinlich berührt und manövrierte uns beide aus der Kabine. Sobald wir draußen waren, ließ er mich los, drehte sich um und verschwand in Richtung unserer Wohnungstür. Ich wollte ihm folgen, doch Misses Winstons Hand auf meinem Arm hielt mich zurück. Ich wandte mich zu ihr um und sah sie fragend an. Sie zog mich dicht zu sich heran und flüsterte: „Ich verstehe Sie voll und ganz. Wäre ich an Ihrer Stelle, könnte ich auch nicht die Finger von ihm lassen.“

      Nachbarn – wie sehr ich sie vermisst habe.

      4. Kapitel

      Vermutlich war es besser, dass wir unterbrochen worden waren. Ich hatte durch die Sorge um Michael, das Warten auf seine Rückkehr und die Liebesspiele viel Zeit verloren. Meinen Unmut darüber, dass ich den Vampiren etliche Stunden Vorsprung geschenkt hatte, in meiner Heimatstadt nach Belieben zu wüten, ließ ich an Michael aus. Er konnte von Glück sagen, dass es schon spät war und Rosalie in ihrem Bett friedlich schlummerte, wodurch ich gezwungen war, ihn leise zu beschimpfen. Da mir das nicht reichte, versetzte ich ihm einige heftige Boxhiebe, von denen er noch eine Weile etwas haben würde in Form von blauen Flecken. Als ich meine schwarze Tarnkleidung, perfekt, um mit den Schatten der Nacht zu verschmelzen, aber auch um Blutspritzer zu kaschieren, angelegt hatte, fehlten nur noch meine Waffen. Bei dem Brand in der St. Mary’s Kirche hatten wir alles verloren. Alles, was von jener Zeit noch zeugte, waren das Schwert, der Bogen und die Pfeile sowie die Pistole, eine Handvoll Kruzifixe und die Silberkugeln. Die letzten beiden Utensilien für die Jagd waren rapide zur Neige gegangen, und ihre Herstellung war für Michael und mich nicht mehr möglich. In der unterirdischen Anlage hatten wir eine großartige ausgestattete Werkstatt besessen. Nichts war uns davon geblieben: keine Tiegel, Gussformen oder Feilen, Messer und Eschenholz für Pfeile. Nix, nüscht, null, nada. Nur dank der hilfsbereiten Gemeindemitglieder, die Michael und mich nach wie vor unterstützten, saß ich nicht völlig auf dem Trockenen. Wie auch immer sie an die Dinge kamen, ich war unendlich dankbar und stellte keine Fragen, deren Antworten mir nicht gefallen oder mich in Bedrängnis bringen würden. Ich wog die Silberkugeln in meiner Hand. Es waren nur noch ein halbes Dutzend. Würden sie mir in dieser Nacht ausgehen, während ich auf der Jagd war, hätte ich noch die Pfeile und den Bogen, die mir, wenn ich Glück hatte, lediglich einen Vorsprung für die Flucht verschaffen, aber nicht die Blutsauger töten würden. „Ich brauche Nachschub“, sagte ich und lud die Pistole.

      „Ich kümmere mich darum“, meinte Michael. Er stand im Türrahmen unseres Schlafzimmers, wo wir alle meine Arbeitsmittel in einem abschließbaren Schrank lagerten. Nicht sehr romantisch. Wer hortet schon ein Waffenarsenal in dem Raum, in dem er Schäferstündchen hält?

      Ich verstaute die Pistole in dem Halfter unter meinem Mantel, glättete seine Falten und nickte. „Aber pronto, Mister!“ verlangte ich. Im Vorbeigehen stach ich ihm mit dem Zeigefinger in die Brust. Er gab einen gequälten Laut von sich. Hatte ich ihn wirklich so fest angefasst? Ich ließ sein Gejammer an mir abprallen und ging zur Wohnungstür.

      „Pass auf dich auf, Liebste“, sagte Michael hinter mir.

      Mit dem Türgriff in der Hand hielt ich inne. Ich drehte mich zu ihm herum. Er rieb sich immer noch die Stelle, wo ich ihn gepikt hatte, und sah mich mit einem traurigen Ausdruck in den Augen an. Ich hatte es wohl ein bisschen damit übertrieben, ihm ein schlechtes Gewissen zu machen. Mein gesamtes Gebaren und Reden hatten Wirkung gezeigt: Er fühlte sich schlecht. Nicht, dass ich das gewollt hätte. Na schön, vielleicht ein klein wenig. Aber ich bin kein Unmensch. Genug ist genug. Ich trat zurück in die Wohnung und lief zu Michael hinüber. Zu meinem Erstaunen wich er vor mir zurück und hielt die Hände abwehrend vor sich. „Wenn du mich wieder schlagen, boxen, treten oder piken willst – lass es bitte. Mir fällt keine Stelle meines Körpers ein, die nicht gelitten hat. Wirklich keine“, sagte er. Ich blickte an ihm hinunter und bekam Stielaugen, als ich verstand, auch wenn er an dieser Stelle auf andere Weise gelitten hatte.

      Ich schüttelte den Kopf. „Kein Grund zur Besorgnis. Ich wollte dir nur einen Kuss geben.“ Michaels Augen verengten sich. Er überlegte, ob ich die Wahrheit sagte oder ihn reinlegen wollte. „Ehrlich. Ich schwöre!“, beteuerte ich. Bevor sich dieses Drama weiter in die Länge ziehen konnte und mich kostbare Zeit kostete, stürzte ich vor, schlang meine Arme um seinen Hals und küsste ihn. Als ich mich von ihm gelöst hatte, sagte ich: „Siehst du, ich war brav.“

      Er nickte und lächelte. „Ich kann es nicht leiden, wenn wir streiten“, flüsterte er, „aber mir gefällt die Art und Weise, wie wir uns vertragen.“

      Ich rollte mit den Augen. „Das glaube ich gern. Aber ich stimme dir zu. Mit dir zu streiten, ist furchtbar. Umso wichtiger ist es, dass wir uns schnell vertragen, besonders wenn ich gleich auf die Jagd gehe“, meinte ich.

      Michael nickte. „Du weißt, ich kann dich begleiten und Seite an Seite mit dir kämpfen. So lange Zeit habe ich mich danach gesehnt, mit dir des Nachts hinauszugehen und dich zu beschützen.“

      Ich gluckste bei seinen Worten. „Du bist jetzt ein normal-sterblicher Mensch, den eine Kinderkrankheit aus den Latschen kippen lässt. Wie wirst du dich da wohl im Zweikampf mit den Vampiren schlagen? Ich müsste dich beschützen.“ In der Tat wussten wir nicht, wie viel von dem Krieger, der von Gott vor dem Tod bewahrt worden war, noch in ihm steckte. Michael war so etwas wie ein übernatürliches Wesen gewesen. Jetzt war er wie jeder andere auch: verwundbar, sterblich, gefährdet. Daran, dass er kämpfen konnte, zweifelte ich nicht. Die Bewegungsabläufe der Kampfkünste, die man ihm vor langer Zeit beigebracht hatte, waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Aber was war mit der Kraft? Er hatte stets über unmenschliche Stärke verfügt. War auch sie mit seinem Tod gestorben? So oft hatte ich darüber nachgedacht, und noch häufiger hatten wir diese Diskussion geführt. „Du wirst hier gebraucht. Wer passt sonst auf Rosalie auf?“

      Michael zuckte mit den Schultern. „Wir könnten Misses Winston fragen, ob sie den Babysitter spielt“, antwortete er.

      Ich prustete. „Klar, die wird sich bestimmt freuen. Aber lass uns ein anderes Mal darüber sprechen. Ich muss jetzt los“, sagte ich, bevor er mir abermals den absurden Vorschlag machen konnte, dass wir seine Fähigkeiten testen sollten, indem er mit mir ging. Ich gab ihm einen geräuschvollen Schmatzer auf den Mund und lief zur Tür. Dort angekommen wandte ich mich ein letztes Mal zu ihm um. „Das da werde ich auch wiedergutmachen“, sagte ich und deutete auf seine Körpermitte.

      Das schiefe und so unendlich sexy Grinsen, mein Grinsen, tauchte auf. „Darauf warte ich sehnsüchtig“, erwiderte er und zwinkerte mir zu.

      Vampire. Nosferatu. Lebende Tote. Blutsauger. Oder wie ich sie gern nenne: ätzende Quälgeister. In Film und Fernsehen als Retter in der Not dargestellt, als in schimmernder Rüstung gekleidete Helden, sind sie in Wirklichkeit alles andere als Schönheiten, die in der Sonne glitzern, in einem teuren Auto vorfahren und die Traumfrau huckepack auf romantische abgelegene Baumwipfel tragen, um ihr eine atemberaubende Aussicht zu zeigen. Nun, ich war jedenfalls noch keinem von dieser Sorte begegnet. Vielleicht liegt es an mir?, dachte ich und