Georg von Rotthausen

Mannesstolz


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etwa zehnjährige Jungs laufen selbstbeschäftigt zwischen ihnen durch. Der eine mit Badehose und einer weiteren in der Hand, der andere nackt und lamentierend.

      „Hej, Du Blödmann! Gib meine Badehose her.” „Hol sie doch, hol sie doch. Alle könn’ Dein’ Pimmel sehn.”

      Er dreht sich hämisch grinsend nach seinem Verfolger um, stolpert, fällt hin und der nackte Junge stürzt sich auf ihn. Eine wilde Rauferei beginnt. Niemand nimmt Notiz, bis auf zwei kichernde Mädchen, die die Köpfe zusammenstecken und sich dann ausschütten wollen vor Lachen. Malvoisin hat die beiden Raufbolde zusätzlich im Blickfeld.

      Der junge Rettungsschwimmer sinkt fassungslos auf die Knie und hämmert mit den Fäusten in den Sand.

      Die Rauferei ist beendet, der nackte Junge hat dem Hosenräuber die Badeshorts wieder entrungen und schleudert dem am Boden liegenden, schwer atmenden Unterlegenen eine Handvoll Sand ins Gesicht.

      „Da! Du Wichser!”

      Der Unterlegende versucht, sich aufzurichten, wischt sich den Sand aus den Augen und spuckt aus. Der nackte Junge steht auf. Und wie es so geht − seine Erregung ist zu sehen: er hat für sein Alter einen enormen Ständer. Wutentbrannt will er mit hochrotem Kopf so an Malvoisin vorbei, der ihn kurzerhand am Arm festhält.

      „Hallo, hallo, junger Mann! So kannst Du hier aber nicht ’rumlaufen. Was sollen denn die Mädchen denken?”

      „Laß mich los, das ist mir scheißegal.”

      Er tritt Malvoisin vors Schienbein, was den nicht beeindruckt.

      „Anziehen.”

      Der scharfe Ton läßt ihn Malvoisin trotzig ansehen, aber gehorchen, und mit ausgebeulten Shorts stürmt der Junge davon.

      „Wat dat nich all gifft.”

      Jetzt reibt er sich doch das getroffene Schienbein. Dem kleinen Rauhbein konnte er natürlich nicht zeigen, daß der Tritt mit nacktem Fuß sehr wohl wehzutun begann.

      Kopfschüttelnd wendet sich Malvoisin wieder dem erschütterten Rettungsschwimmer zu.

      Im Hintergrund lachen die beiden etwa 12jährigen Mädchen immer noch. Eine meint: „Aber süß ist der schon.” Und sie werfen sich mit einem neuen Lachanfall in den Strandkorb zurück.

      „Malte war doch nicht krank. Oder? Heimlich, oder so?”

      Der junge Mann sieht Malvoisin verzweifelt an. „Nein, ich vermute nicht. Wir wissen noch nichts genaues, aber Kraft und Training nützen oft nicht viel, wenn man getötet wird.”

      „Wa …!?”

      Der Blonde erstarrt.

      „Getötet, Malte? Warum denn? Wer?”

      Der junge Mann ist völlig durcheinander.

      „Kommen Sie mal mit. Wir setzen uns hinten an einer ruhigen Stelle gegen den Deich …”

      Malvoisin schiebt den Blonden mit sanftem Druck in Richtung Promenade.

      „Wie heißen Sie übrigens?”

      Er hat es zwar schon von Harm Kallweit gehört, will aber die Bestätigung haben.

      Der Blonde sieht Malvoisin mit leerem Blick an. „Asmussen. Andreas Asmussen.”

       *

      Tewes und Langeland kommen in Grömitz auf die Promenade. Sie bleiben stehen, blicken sich um. Vor ihnen pulsiert das Strandleben. Beide Männer orientieren sich direkt vor der langen Seebrücke, fassen gleichzeitig etwas mit ihren Blicken auf und betreten den Strand.

      Wie aus dem Nichts kommt ein übereifriger Kontrolleur und hält sie an. Ein kleiner dicker Mann, nicht einmal 1,70 m hoch, dafür mit hoher Stirn und einem Blick, der ihn besonders wichtig erscheinen lassen soll. Das braucht er auch, wenn er durch die Strandkorbreihen wuselt und die Schuhpaare an den Körben zählt. Kein Kurtaxpflichtiger ist ihm je entgangen.

      „Darf ich um Ihre Ostseecard bitten!”

      Langeland hält ihm seinen Dienstausweis unter die Nase: „Dauerkurkarte!”

      Der Kontrolleur reagiert verdutzt.

      „Oh, is’ ‘was passiert?”

      „Noch nicht, wird aber gleich!”

      Langeland sieht ihn in einer Mischung aus streng und amüsiert an.

      „Oh.”

      Langeland und Tewes gehen weiter. Der Kontrolleur wendet sich einem Strandkorb zu, sieht sich aber nochmals um, als könne er den Höhepunkt seines Tages noch nicht ganz verarbeiten.

      „War das Dein Bruder?”

      „Wieso?” Tewes‘ Mimik zeigt keinerlei Bewegung. Dafür grinst Langeland umso breiter.

      „Der hat einen ähnlich sprudelnden Wortschatz wie Du!” Tewes hält eine Antwort nicht für nötig.

      Beide gehen auf einen Strandkorb zu vor dem zwei junge Bikinischönheiten in der Sonne liegen.

      Tewes und Langeland bleiben, die Sonne im Rücken, vor den Mädchen stehen, werfen ihre Schatten auf sie.

      Die Schwarzkurzhaarige legt eine Hand über die Augen.

      „He, was soll das?”

      Ihre blondlanghaarige Freundin richtet sich leicht auf, stützt sich auf Ellenbogen und Unterarme, schaut die Männer kritisch prüfend an.

      Langeland scannt die beiden Schönheiten augenblicklich ein. Darin ist er geübt, geradezu ein Spezialist. Die Mädchen sind jede etwa 22 Jahre alt, zwischen 1,72 und 1,75 m groß, zwischen 56 und 58 kg leicht, haben beide eine wunderschöne, makellose Haut; die zahlreichen Sommersprossen auf den Schultern und unter den Augen der Blonden, die trotz ihrer Sonnenbräune zu erkennen sind, empfindet er als süße Attraktion. Wie braun beide bereits sind, sieht er an den ganz schmalen weißen Hauträndern an den Bikinioberteilen, als sich beide Mädchen bewegen. Die Blonde hat eine sehr süße Büste, gerade richtig für seinen Geschmack als Mann, die Schwarze hat etwas mehr zu bieten, wenn sie es denn böte. Als Polizist interessiert es ihn nicht, aber als Mann stellt er zufrieden fest, daß der Unfug der Piercings bei diesen beiden Schönheiten zu keiner Beeinträchtigung geführt hat, denn sie haben beide keine Ringe oder ähnliche Verunstaltungen in ihren atemberaubend schönen Bauchnabeln. Langelang bedauert sehr, dienstlich vor diesen Evatöchtern zu stehen. Beide haben sehr schöne Ohrläppchen, ungestochen, einfach nur natürlich schön; die dazugehörigen süßen Ohren nähme er zu gern als Ausgangsort einer erotischen Expedition über diese weibliche Landschaft, aber er ist ja dienstlich da. Und diese herrlichen Beine! Welch vortreffliche Endpunkte seiner Betrachtung, und gleich doppelt vorhanden. Eine glückliche Stunde − optisch allemal. Er weiß gar nicht, wie er sich losreißen soll. Verweigert sich jeden Gedanken daran, wie es wäre, sich wenigstens bei einem dieser göttlichen Wesen zum Paradies vorschmusen zu dürfen − und dann denkt er ihn doch, diesen Gedanken, der ihn von aller Dienstbeflissenheit abhalten könnte. Oh, wie beneidet er für einen kurzen Augenblick seinen Kollegen Hauke Tewes, diesen altgedienten Ehekrüppel, der sich tatsächlich seit 15 Jahren mit nur einer Frau zufriedengibt. Der sieht diese weiblichen Schätze ganz sicher nicht mehr. Für den sind das nur zu befragende Personen, jede für sich ein Neutrum. Der kleine Neidanfall weicht tiefem Bedauern. Oh, heiliger Ehestand!

      „Sind Sie Lisa und Hanna?”

       Die Langhaarige ist reserviert und mißtrauisch. „Wer will das wissen?”

      Langeland beugt sich vor und zeigt seinen Dienstausweis.

      „Mein Name ist Langeland, das ist mein Kollege Tewes, Kripo Lübeck.”

      Die Kurzhaarige wirkt plötzlich ängstlich.

      „Haben wir falsch geparkt?”

      „Vielleicht, aber da kämen die blauen Kollegen. Von uns bekommen Sie Besuch, wenn das Auto weg ist