Ihre faszinierenden Augen strahlten selbstbewusst und hielten seinem Blick stand.
„Zeit ist genau das, was wir nicht haben, Cherub. Das müsstest du am besten wissen“, entgegnete er entrüstet. Calliel ließ sich von dem Ausbruch nicht einschüchtern. Sie kannte Arabas gut genug und wusste, dass er sich beruhigen würde. Es gab wichtigere Ziele für ihn als Jazar. „Und wie lange siehst du schon zu, wenn ich fragen darf?“ Seine Belustigung darüber war deutlich herauszuhören. Calliel grinste ihn an und zuckte mit den Schultern.
„Eine Weile“, meinte sie provozierend. Arabas stieg in ihr Grinsen ein, bis er lachte. Dass der Cherub seine eigenen Worte als Antwort wählte, reizte ihn. Calliel wusste, wie sie ihn aus der Reserve locken konnte. Er nahm es ihr nicht übel. Sie war eine von den Personen, die sich das erlauben konnten. Arabas musste sich eingestehen, dass es ihm gut tat, wenn jemand ihm Paroli bot. Das holte ihn zurück auf den Boden der Tatsachen. Er wusste nicht, ob Calliel sich dessen bewusst war, er war ihr insgeheim dankbar.
„Einverstanden, ich gebe ihm Zeit. Früher oder später wird er es erkennen. Er gehört zu uns, freiwillig oder nicht, das spielt keine Rolle.“ Calliel nickte wissend. „Er hat sich gut geschlagen gegen Sariel, nicht wahr?“ Sie lächelte milde und kam auf ihn zu.
„Das hat er. Sariel wird wütend sein. Er hasst es, wenn er verliert. Es wird es erneut versuchen. Wir müssen damit rechnen, dass er jederzeit auftauchen kann, um zu beenden, was er begonnen hat.“ Sein Nicken bestätigte ihre Schlussfolgerung.
„Ich werde vorbereitet sein. Es wird mir ein Vergnügen sein, ihn gebührend zu empfangen“, meinte er siegessicher. Calliel konnte ihm ansehen, dass es in seinem Kopf arbeitete und er sich einen Plan für Sariel zurechtlegte. Das nächste Mal, wenn der Vollstrecker die Höhlen der Gefallenen aufsuchte, würde er es mit Arabas höchstpersönlich aufnehmen müssen. Sie wollte unbedingt dabei sein. Diesen Kampf durfte sie nicht verpassen, schwor sie sich. Jazar kämpfte sich in das nächstgelegene Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Als er sich darin umsah, stellte er fest, dass es das Zimmer war, indem er zusammen mit Ariana Zeit verbracht hatte. Sein Blick schwankte zu dem Bett und er sah die Bilder von ihnen beiden vor sich. Gequält stöhnte er auf und stiefelte ins Badezimmer. Sein Spiegelbild starrte ihn anklagend an. Die Haare zerwühlt vom Kampf und Blessuren von Sariels Fäusten im Gesicht erinnerte er sich an die letzten Minuten mit dem Vollstrecker. Er hatte ihn besiegt. Es ärgerte ihn zwar, dass Sariel feige geflohen war, aber er hatte den Kampf überlebt. Innerlich zerrissen musste er sich fragen, weshalb er den Kampf mit Sariel gesucht hatte? Tat er es um Arabas zu schützen? Oder wollte er damit Ariana schützen und hatte sich Sariel vorgenommen, bevor dieser sie angreifen konnte? Jazar schüttelte verzweifelt den Kopf. Er wusste es nicht mit Gewissheit. Die Gefühle für Ariana waren nicht mehr dieselben. Er wollte nicht, dass jemand ihr Schaden zufügte. Sie war ihm nach wie vor wichtig. Allerdings spürte er den Verrat ihr gegenüber, den er begangen hatte. Er hatte sich auf Arabas Seite gestellt, direkt vor ihren Augen. Ihre dunkelbraunen Augen verfolgten ihn und ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Anklagend und entsetzt hatte sie ihn angestarrt. Sie hatte die Tränen zurückgehalten. Er würde es erneut tun, gestand er sich ein. Es war wie ein innerer Zwang, gegen den er nicht ankam. Das Leben von Arabas war ihm heilig. Es gab keinen Zweifel für ihn. Sollte es zu einem Kampf zwischen Ariana und Arabas kommen, würde er sich für Arabas entscheiden. Er war ein Gefallener. Jazar stützte sich mit den Händen am Waschbecken ab und beugte sich stöhnend vor. Den Kopf gesenkt, versuchte er sich zu beruhigen. Was sollte er tun? Wie konnte er Ariana das antun? Nach allem was sie zusammen erlebt haben, was sie durchgestanden haben. Konnte seine Liebe zu ihr verblassen? Das war absurd. Oder nicht? Sein Herz schlug kräftig in der Brust, aber es schrie nicht mehr nach ihr. Jedenfalls nicht so, wie es das zuvor getan hatte. Vor dem Fall. Bevor er zu dem geworden war, was er jetzt darstellte. Jazar verfluchte die Himmelsgarde. Er verfluchte die Entscheidung den Mann umzubringen, damit er als Gefallener zurückkehren konnte. Alles stürzte auf ihn ein. Sämtliche Entscheidungen, die er getroffen hatte, seitdem er Ariana das erste Mal begegnet war. Erinnerungen an ihre Zweisamkeit und die Nähe, die sie miteinander geteilt hatten, fraßen sich in seinen Kopf. Er versuchte alles, um die Gefühle für sie aufleben zu lassen. Er wollte, dass es wieder so war, wie damals. Er wollte, dass er sich nach ihr sehnte. Er wollte, dass sein Herz nach ihr schrie, wenn sie nicht bei ihm war. Er wollte sie berühren, sie küssen, sie lieben. Sein wütendes Brüllen ließ die Wände erzittern, sobald er die Verzweiflung herausschrie. Jazar ließ sich erschöpft auf den Boden nieder und senkte betrübt den Kopf. Er war verloren. Die Liebe zu Ariana war erloschen, egal wie sehr er sich das Gegenteil wünschte. Gefühle konnte er nicht erzwingen, das wusste er. Jazar sah auf und wischte die Tränen energisch mit einer Hand ab. Er konnte nur noch eines tun. Er konnte dafür sorgen, dass der Vollstrecker und die Himmelsgarde sie nicht in die Finger bekamen. Er würde zusammen mit Arabas und Calliel dafür sorgen, dass sie unbeschadet davon kam. Er musste noch Arabas davon überzeugen, dass sie keine Beute war. Der Gefallene wollte sie ebenfalls für seine Zwecke fangen. Jazar schwor sich alles zu tun, um das zu verhindern. Das war er ihr schuldig. Sie verdiente ein Leben in Freiheit.
2. Kapitel
Sie standen vor der verschlossenen Tür. Nicholas ließ ihre Hand los, nachdem die Teleportation abgeschlossen war, und sie ihr Ziel erreicht hatten. Ariana sah ihn von der Seite skeptisch an.
„Bist du dir sicher?“, meinte sie. Nicholas holte Luft und klingelte. Sobald die Türglocke erklang, starrte Ariana die Tür vor sich an. Sie war unsicher, ob das eine gute Idee war. Nicholas war überzeugt davon. Sie hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Ausgerechnet dieser Ort sollte ihre Zuflucht werden? Das war eine blöde Idee. Sie wollte schon umkehren und gehen, bis die Tür geöffnet wurde. Blaue Augen starrten sie entsetzt an, sobald sie erkannten, wer vor ihrer Tür stand. Sie öffnete kurz den Mund, brachte aber keinen Ton heraus. Ihre blonden Locken hatte sie hochgesteckt, sodass ihre Gesichtszüge besser zur Geltung kamen. In dunklen Jeans und einem weinroten Sweatshirt stand sie da. Sie hielt sich mit einer Hand am Türrahmen fest, als ob sie jeden Moment in Ohnmacht fallen würde.
„Hallo Kate, hast du kurz Zeit?“, erklang Nicholas muntere Stimme. Seine Exfreundin sah ihn entgeistert an, bis sie die Stirn runzelte und ihr Blick sich veränderte. Wütend betrachtete sie ihn und hob den Kopf an.
„Was tust du hier, Nick?“, donnerte sie los. „Hatte ich mich nicht klar ausgedrückt?“ Nicholas wechselte mit Ariana einen kurzen Blick, der ihr Zuversicht geben sollte. Die merkwürdige Situation beunruhigte sie. Wieso sollte Kate ihnen helfen? Nicholas hatte sie verlassen. Und jetzt stand er vor ihr und tat, als ob nichts geschehen war. An ihrer Stelle würde Ariana ihm die Tür vor der Nase zuknallen. Kate reagierte anders. Fragend sah sie ihn an und wartete auf eine Erklärung von ihm. Ariana nahm sie nicht zur Kenntnis, was sie ihr nicht verübeln konnte. Der Schock musste erst einmal verarbeitet werden. Ariana sah sich um und prüfte, ob Arabas ihnen gefolgt war. Anscheinend hatte er aufgegeben und die Verfolgung abgebrochen. Erleichtert entspannte sie sich.
„Ich weiß, wir hatten gesagt, dass wir den Kontakt abbrechen und nicht mehr miteinander reden“, fing er an, „wir wussten uns keinen anderen Rat. Wir brauchen deine Hilfe, Kate. Können wir drinnen weiterreden? Ich erkläre dir sofort alles, versprochen.“ Nicholas sah sich gehetzt um, bevor er Kate flehentlich ansah. Erst jetzt wandte Kate sich an Ariana und betrachtete sie von oben bis unten mit überheblichem Blick. Ariana hatte das Gefühl, als ob sie der Grund für die Trennung der beiden war. Kate sah sie an wie eine Furie, die jeden Moment auf sie losgehen wollte. Fragend sah sie zu Nicholas. Er räusperte sich verlegen und zuckte kurz entschuldigend mit den Schultern. Also hatte er sie angelogen, was die Trennung der beiden betraf. Verärgert boxte sie ihm in den Oberarm.
„Du Idiot! Wieso lügst du mich an?“, meinte sie zu ihm. Kate hielt sich den Bauch und fing an zu lachen. Was war daran amüsant? Entgeistert sah Ariana sie an. „Das ist nicht witzig“, sagte Ariana beleidigt.
„Es tut mir leid, Ari. Ich habe nicht alles erzählt, ich hielt es für das Beste“, erklärte er entschuldigend. Kate verstummte abrupt und starrte ihn verärgert an.
„Mich wundert das nicht, Ariana. Dein bester Freund kann das hervorragend und erzählt ständig nicht alles,