Claudia Rack

Die Erlösung


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Nacht geschneit haben. Lächelnd ging sie ins Bad, um sich zu waschen und anzuziehen. Es war Zeit für das Frühstück. Auf leisen Sohlen schlich sie sich in die Küche, um Nicholas und Ariana nicht unnötig zu wecken, die auf der Couch schliefen. Ihr Blick fiel auf die beiden, sobald sie an ihnen vorbei ging. Rücken an Rücken lagen sie auf der Couch und schliefen friedlich. Wer sie nicht kannte, nahm an, dass dort ein Paar schlief. Es wirkte vertraut und normal. Der eifersüchtige Stich in ihrer Brust störte Kate. Selbstverständlich wusste sie, dass nichts zwischen den beiden lief. Dennoch war der Anblick schmerzlich. Genau diese Momente waren es, an denen ihre Beziehung zu Nicholas letztendlich gescheitert war. Die Freundschaft zu Ariana hatte ihre Liebe zerstört. Sie hatte nicht damit umgehen können. Ihre Streitereien nahmen zu, bis sie sich nichts mehr zu sagen hatten. Betrübt verdrängte Kate diese Erinnerungen und erinnerte sich daran, dass sie Kaffee machen wollte. Sobald sie sich einen Schritt von Ariana entfernte, spürte sie es. Ein schmerzhaftes Stechen in ihrer Brust ließ sie innehalten. Gekrümmt hielt sie sich die Hand auf ihrer Brust und verkrampfte sich. Mit der anderen Hand stützte sie sich am Tresen ab, der das Wohnzimmer mit der Küche trennte. Was zum Teufel war mit ihr los? Ängstlich zitterte sie und dachte schon an einen Herzinfarkt. Sie war viel zu jung, besann sie sich. Das konnte es nicht sein. Der Schmerz in ihrer Brust war eindeutig vorhanden. Sie bekam keine Luft und sah alles verschwommen vor sich. Ihr Kreislauf spielte verrückt. Schweißausbrüche kamen hinzu und sie schwankte bedenklich. Ihre Hände kribbelten unaufhörlich und sie bekam Gänsehaut. Instinktiv ging sie zurück und näherte sich Ariana, die friedlich auf der Couch schlief. Der Schmerz verebbte augenblicklich. Verwundert starrte Kate auf sie hinunter. Wie konnte das sein? Sobald sie in ihrer Nähe war, ging es ihr gut. Nichts war mehr zu spüren von ihrem Zusammenbruch oder dem Schmerz in der Brust. Um herauszufinden, ob ihre Vermutung korrekt war, trat sie zurück und wollte erneut zur Küche gehen. Es dauerte wenige Sekunden, bis der Schmerz in der Brust erneut einsetzte. Kate schnappte nach Luft und krümmte sich. Sie konnte nicht verhindern, dass sie Geräusche machte und damit Nicholas und Ariana weckte. Eilig kämpfte Kate sich in einen der Sessel, sodass sie in der Nähe von Ariana war. Sofort beruhigte sich ihr Körper und sie atmete erleichtert aus. Sie öffnete die Augen und sah in die verwunderten Gesichter von Ariana und Nicholas.

      „Geht es dir gut?“, fragte Nicholas besorgt. Kate sah ihn an und versuchte ein Lächeln. Ariana runzelte die Stirn und sah noch verschlafen aus.

      „Es ist alles in Ordnung, Nick. Mir war schwindelig. Da fehlt der Kaffee“, meinte sie lachend. Ihr Lachen wirkte aufgesetzt, sodass er sie weiterhin besorgt ansah. Kate schluckte und erhob sich. Kurz schloss sie die Augen und konzentrierte sich. Sie musste es bis in die Küche schaffen, ohne das sie erneut einen Anfall bekam. Als sie einen Fuß nach vorn setzen wollte, spürte sie Ariana. Abrupt öffnete sie die Augen und erschrak. Sie stand direkt vor ihr und sah sie skeptisch an. Hatte sie irgendetwas bemerkt? Kate konnte es sich nicht erklären, die Nähe von Ariana half ihr. Es war seltsam.

      „Ich helfe dir mit dem Frühstück“, meinte Ariana zu ihr. Kate nickte und war insgeheim froh darüber. Das bedeutete, dass sie in ihrer Nähe war, wenn sie beide in der Küche hantierten. Sie wollte auf keinen Fall, dass Ariana bemerkte, was mit ihr geschah. Sie ging an ihr vorbei und wartete, bis sie ihr folgte. Jeder Schritt war ein Schritt ins Ungewisse, sie wusste nicht, ob Ariana nah genug bei ihr war. Absichtlich ließ sie sich Zeit, sodass Ariana dicht hinter ihr war und aufschloss. Nicholas sah den beiden hinterher und schüttelte den Kopf. Er kümmerte sich um das Bettzeug und legte es zusammen, bevor er duschen wollte. Ständig fiel sein Blick auf die beiden Frauen, die sich unterhielten und vertraut miteinander wirkten. Irgendetwas war anders. Kate benahm sich merkwürdig, bemerkte er. Es lag irgendetwas in der Luft, was ihn verunsicherte und ihm eine Gänsehaut bereitete. Ungern wollte er die beiden zurücklassen, aber die Dusche musste sein. Sobald sein Blick sich mit Arianas traf, versicherte sie ihm stumm, dass er gehen konnte. Hatte sie es gespürt? Ariana ließ keinen Zweifel daran aufkommen, sobald sie ihn direkt ansah. Es brauchte keine Worte zwischen ihnen. Sofort spürte er, dass Gefahr drohte. Irgendetwas Schlimmes passierte. Nicholas konnte es nicht greifen, das Gefühl war deutlich vorhanden. Ariana nickte ihm zuversichtlich zu. Er beschloss, sich im Bad zu beeilen. Sie brauchte eventuell seine Hilfe. Ariana sah ihrem besten Freund noch nach, als er ins Bad ging. Erleichtert, dass er aus der Gefahrenzone war, seufzte sie auf. Sie wusste nicht, ob es daran lag, dass sie jetzt ein Nephilim war. Sie spürte, wie Gefahr von Kate aus ging. Eine Erklärung hatte sie nicht. Sobald sie aufgewacht war, hatte sie die Veränderung an ihr wahrgenommen. Ariana hatte keine Ahnung, was jeden Moment geschehen konnte. Falls sie zu irgendetwas gezwungen war, was sie nicht wollte, sollte er das nicht mit ansehen müssen. Vor allem, wenn es um Kate ging. Er hatte einst Gefühle für sie gehabt. Er war ihr bester Freund und sie wollte ihm nicht weh tun. Ariana warf einen kurzen Blick auf Kate, die ungezwungen das Frühstück bereitete und vor sich hin summte. Sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, wie es in ihr drinnen aussah. Vorsichtig versuchte sie, die Konversation mit Kate aufrecht zu halten. Evnentuell konnte sie es abwenden und sie aufhalten. Sie wollte ihr helfen. Das Letzte, was sie wollte, war, mit Kate in einem Kampf auf Leben und Tod verwickelt zu sein. Sie war unschuldig. Sie hatte mit alldem nichts zu tun. Wütend über die Tatsache, dass sie Kate benutzten und es geschafft hatten, sie für ihre Zwecke zu missbrauchen, presste Ariana die Lippen aufeinander. Es war nicht leicht, sich zu beherrschen und so zu tun, als ob alles in Ordnung war. Als Kate an den Kühlschrank wollte, streifte ihre Hand kurz ihren Unterarm. Sofort sprang sie zurück und sah Ariana irritiert an. Sie hatte es gespürt. Der Kontakt hatte ausgereicht. Innerhalb von Sekunden veränderten sich die Gesichtszüge von Kate und sie starrte sie mordlustig an. Ihre blauen Augen blitzten gehässig, sobald sie auf sie zukam. Bevor Ariana reagieren konnte, um sie aufzuhalten, griff Kate nach einem Küchenmesser und richtete es direkt auf ihre Brust. Kopfschüttelnd starrte Ariana sie an.

      „Tu das bitte nicht, Kate. Das bist nicht du. Jemand muss dich verhext haben. Ich weiß nicht, wie oder wann es geschehen ist, aber das willst du nicht tun, glaub mir“, flehte sie Kate an. Sie ging auf sie zu und bedrohte sie mit dem Messer. Ihre Augen funkelten begierig. Ihre Worte prallten an ihr ab und drangen nicht bis in ihr Bewusstsein vor. Ariana hob die Hände und sah sie mitfühlend an. Sie wollte das nicht tun. Sie konnte ihr nicht weh tun. Verzweifelt rang sie mit sich und sah das Messer auf sich zukommen. Kate lachte gehässig und sprang nach vorn. Ariana reagierte instinktiv und konnte sich geradeso zur Seite drehen, sodass das Messer sie nicht traf. Fassungslos sah sie an sich hinunter und daraufhin zu Kate. Sie hatte sie nicht getroffen. Ariana erkannte, dass Kate es Ernst meinte. Das war kein Spiel. Sie wollte sie umbringen. Kurz schaute sie zur verschlossenen Badetür.

      „Er kann dir nicht helfen, Nephilim. Du gehörst mir und ich werde dich vernichten. Du hast keine Chance“, sprach Kate gehässig. Ariana hörte ihr zu und konnte es nicht glauben. Die Worte aus Kates Mund kamen nicht von ihr. Absolut sicher wusste Ariana, dass es nicht Kate war, die da zu ihr sprach. Als sie in ihre blauen Augen sah, spürte sie eine andere Präsenz, die sie anstarrte. Jemand hatte von Kate Besitz ergriffen. Jemand, der ihren Tod wollte. Jemand, der keine Skrupel hatte, einen unschuldigen Menschen zu benutzen. Bilder stürmten auf Ariana ein. Bilder davon, wie Nicholas Hände sich um ihre Kehle legten und zudrückten. Er hatte es ebenfalls versucht, als er unter dem Zwang von Ramael stand, erinnerte sie sich. Passierte das in diesem Moment mit Kate? Hatte ein Engel von ihr Besitz ergriffen und manipulierte sie? Erschrocken wich Ariana zurück von ihr und wollte sich aus der Gefahrenzone bringen. Kate grinste gierig und folgte ihr. „Stirb endlich, Nephilim“, schrie sie. Mit dem Messer in der Hand rannte sie auf Ariana zu. Kurz bevor sie ihr Ziel erreichte und das Messer sie ernsthaft verletzte, streckte Ariana abwehrend eine Hand aus und kniff die Augen zusammen. Das darauf folgende Scheppern und Stöhnen in ihren Ohren ließ sie die Augen sofort öffnen. Der Anblick, der sich ihr bot, erschrak sie zutiefst. Kate ächzte und stöhnte. Sie lag auf dem Wohnzimmertisch, der unter ihrem Gewicht zusammengebrochen war, und hielt sich den Kopf. Die Hand auf die Brust gelegt, konnte sie nicht fassen, dass sie das getan hatte. Ariana betrachtete verwundert ihre Hand und starrte zu Kate. Sie war nicht wütend gewesen. Zumindest nicht so wütend, als sie dasselbe mit Sariel getan hatte. Sie hatte ihn durch die Luft geschleudert, weil sie wütend gewesen war. Bestürzt und zu Tode erschrocken versuchte sie, einen klaren Gedanken zu fassen. „Dafür wirst du bezahlen, du Miststück“, sagte Kate zu ihr und kämpfte sich hoch. Blut tropfte von ihrer Stirn herab. Es kümmerte sie nicht.