verursachte ihr eine Heidenangst. Ihre Flügel waren bereit, aber ob sie das war, stand auf einem anderen Blatt. Sie erinnerte sich daran, wie es sich angefühlt hatte, sobald ihre Flügel das erste Mal zum Vorschein gekommen waren. Es war ein herrliches Gefühl. Empfindungen von Freiheit, Macht und purer Energie hatten sie erfüllt.
„Ganz allein unterwegs, Auserwählte?“, erklang eine bekannte Stimme hinter ihr. Ariana wirbelte erschrocken herum und entdeckte Arabas. Er stand lässig an einem Baum gelehnt und grinste sie an. Sie kniff die Augen misstrauisch zusammen. Wie hatte er sie finden können? Alarmiert schaute sie sich um. „Wir sind ungestört“, meinte er bei ihrer Reaktion. Sobald sie ihn erneut ansah, bemerkte sie, dass er in seiner Ledermontur vor ihr stand. Das Emblem mit dem feuerspeienden Drachen auf der Brust sprang ihr entgegen. Obwohl sie es sich nicht zugestand, war sie von dem Auftreten des Gefallenen fasziniert. Die Selbstsicherheit, die er ausstrahlte, beruhigte sie. Entspannt sah sie ihn direkt an. Seine dunklen Augen ließen sie nicht los, fesselten sie und erzählten ihr eine stumme Geschichte. Sie fragte sich, ob es daran lag, dass sie ein Nephilim war, weshalb sie sich von ihm angezogen fühlte. Dieses Gefühl überraschte sie. Verunsichert unterbrach sie den Blickkontakt mit Arabas und sah zum Haus. Kate und Nicholas bemerkten nichts und waren in ihrem Gespräch vertieft. Sobald sie sich gefasst hatte, sah sie ihn trotzig an.
„Was willst du, Arabas?“, fragte sie. Arabas zuckte mit den Schultern und trat einen Schritt auf sie zu. Sofort ging sie einen Schritt zurück, bis er stehenblieb und sie fragend ansah. Er sagte kein Wort, beobachtete ihre Reaktion auf ihn und erst das Stirnrunzeln sagte ihr, dass sie sich seltsam benahm. Es stimmte. Bisher hatte sie kein Problem damit, wenn er in ihrer Nähe war. Dieses Mal war es anders. Sie fühlte sich magisch angezogen von dem Gefallenen und das ängstigte sie. Ariana hielt Abstand zu ihm, weil sie glaubte, die Kontrolle zu behalten. Seine Gesichtszüge veränderten sich. War da Mitgefühl in seinem Blick? Diese sanften dunklen Augen, die sie anschauten, brachten sie durcheinander. Sie schüttelte verwirrt den Kopf. „Was machst du mit mir?“ Arabas hob eine Augenbraue an und wusste nicht, was sie meinte.
„Wovon sprichst du, Ariana? Ich tue nichts“, antwortete er verteidigend. An seiner Körperhaltung erkannte sie, dass er sich angegriffen fühlte. Da war sie wieder, diese Wut, die sie überkam, sobald er dieses Verhalten zeigte.
„Ich weiß nicht, wie du das anstellst, Arabas. Ich finde das nicht witzig, hörst du? Was willst du?“ Er verstand kein Wort von dem, was sie sagte.
„Ich wollte dich wissen lassen, dass ich weiß, wo du steckst. Falls du dachtest, ich wüsste es nicht.“ War das eine Drohung? Ariana richtete sich auf.
„Mir war klar, dass du uns finden kannst. Tu nicht so überheblich“, sagte sie beleidigt. Er lachte und schien die Konversation mit ihr zu genießen. „Lebt er noch?“ Arabas Lachen erstarb, sobald sie auf ihn zu sprechen kam. Selbstverständlich wollte sie wissen, wie es um Jazar stand. Es gefiel ihm zwar nicht, aber sie hatte ein Recht darauf, es zu erfahren.
„Es geht ihm den Umständen gut“, meinte er gedehnt.
„Wieso hast du das zugelassen, Arabas? Wieso hast du ihn nicht aufgehalten? Er hätte sterben können“, brauste Ariana wütend auf. Arabas schnaubte zornig. Sie gab ihm die Schuld daran, dass Jazar freiwillig gegen Sariel gekämpft hatte? Vorbei war es mit der Selbstbeherrschung. Ungeachtet dessen, dass sie sich davor fürchtete, stampfte er direkt auf sie zu. Mit zornigem Blick schloss er zu ihr auf. Ariana riss die Augen auf und ging einen Schritt zurück, desto näher er ihr kam. Es kümmerte ihn nicht.
„Es war seine Entscheidung gegen Sariel zu kämpfen, Auserwählte. Vergiss das nicht“, meinte er drohend. Ariana ging rückwärts, bis sie gegen einen Baum prallte und keine Gelegenheit mehr hatte, ihm zu entkommen. Arabas war direkt vor ihr und nagelte sie an Ort und Stelle fest. Seine Hände stützten sich rechts und links von ihr am Baum ab, sodass sie nicht weglief. Sie zischte wütend und sah ihn an.
„Du hättest ihn aufhalten können. Du hättest ihm sagen können, dass er sich heraushalten soll“, bestand sie auf ihre Meinung. Seine Nähe ließ sie zittern, aber nicht vor Angst. Ihr Herz raste und sprang ihr fast aus der Brust. Sie verstand ihre Reaktion nicht und kämpfte dagegen an. Arabas sah sie eindringlich an. Sie hoffte, dass er nichts von ihrem inneren Gefühlsausbruch bemerkte. Ihr Körper reagierte auf ihn, ob sie das wollte oder nicht. Er kniff die Augen zusammen und dachte nach.
„Das ist es nicht, was dich wütend macht“, sinnierte er. Sein Kopf kam noch näher, bis sein Mund direkt vor ihrem war und sie seinen Atem auf ihren Lippen spüren konnte. „Du bist wütend, weil er dich abgewiesen hat“, stellte er fest. Ariana verzog wütend das Gesicht und stieß ihn kräftig von sich.
„Nein“, schrie sie ihn trotzig an. Bevor er reagieren konnte, rannte sie los. Arabas sah ihr überrascht nach, bevor er sich ebenfalls in Bewegung setzte und die Verfolgung aufnahm. Er wusste, dass es stimmte. Die Wut in ihr war nicht gegen ihn gerichtet. Es war die Situation mit Jazar und die Tatsache, dass er ein Gefallener war. Oder lag es daran, dass sie ihm etwas vormachen wollte? Er hatte gespürt, wie ihr Herz unruhig schlug, sobald er dicht vor ihr stand. Ihre Augen hafteten auf seinen Mund, sobald er näher gerückt war. Als ob sie den Wunsch hegte, dass er sie küssen würde. Konnte das sein? Hegte die Auserwählte Gefühle für ihn? Sein Herz machte Luftsprünge. Eilig sprintete er hinter ihr her und genoss es, sie zu fangen. Sie wusste, dass er sie jederzeit einholen konnte, aber er ließ sich absichtlich Zeit. Arabas mochte das Spiel, welches sie mit ihm trieb. Sie wusste es nicht, aber damit provozierte sie ihn noch mehr. Wenn sie so weitermachte, würde er sich holen, was er will. An Konsequenzen war nicht zu denken. Unvermittelt stolperte Ariana und fiel zu Boden. Sie schimpfte und verfluchte den Ast, den sie übersehen hatte. Arabas musste lachen und holte sie ein. Als er vor ihr aufragte, sah sie ihn hitzig an. Er streckte ihr die Hand entgegen, um ihr aufzuhelfen. Sie starrte seine Hand an und bewegte sich nicht. Gelassen stand er da und wartete, bis sie die Hand ergriff. In seinen dunklen Augen lag ein stummes Versprechen. Er musste nichts sagen, sie spürte es, sobald ihre Blicke sich trafen. Ariana ergriff zaghaft die Hand und erschrak, als er sie daraufhin hochzog, bis sie an seine breite Brust prallte. Sofort hielt er sie in seinen Armen gefangen. Er lächelte sie verschmitzt an. Er hatte sie durchschaut. Ariana hielt den Atem an und brachte kein Wort heraus. Ihre Hände lagen auf seinen Schultern. Sie konnte jederzeit den Kontakt unterbrechen, wenn sie das wollte. Das wusste sie. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt und die Gänsehaut auf ihren Armen kribbelte unaufhörlich. Was machte er mit ihr? Das war absurd, für ihn Gefühle zu entwickeln. Sie liebte Jazar, versuchte sie sich zu überzeugen. Ihre Blicke trafen sich. Arabas strahlte Zuversicht aus und das Begehren in seinen dunklen Augen war nicht zu übersehen. Kurz sah er auf ihren Mund, bis er sie direkt anschaute. Ariana wusste nicht, was sie tun sollte. Einerseits wollte sie ihn nicht loslassen. Andererseits fühlte sie sich schuldig, ihm so nah zu sein und es zu genießen. In diesem Augenblick überraschte er sie und legte seine Hand auf ihre Wange. Sofort kribbelte es in ihrem Gesicht, sodass sie erschrocken die Augen aufriss. Überwältigt von dem Gefühl, brachte sie kein Wort heraus. Sein Blick veränderte sich und er betrachtete sie zärtlich. Der Arabas, der sie ständig provozierte, war mit einem Mal eine andere Person. Sein Daumen strich zärtlich über ihre Wange und sein Gesicht kam näher. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, ihn aufzuhalten. Ariana versuchte es mit aller Kraft und scheiterte. Sie wollte es. Sie wollte ihn spüren. Sofort, als seine Lippen sich auf ihre legten, erlosch ihre Wut. Behutsam küsste er sie, als ob er jeden Moment damit rechnete, dass sie ihn von sich stieß. Als sie das nicht tat und wohlig seufzte, hatte Arabas die Bestätigung, die er dringend von ihr brauchte. Der Kuss wurde fordernder und er presste sie an sich. Sein Stöhnen ermunterte Ariana und sie ließ sich mitreißen. Es war ein leidenschaftlicher Kuss, der ihr den Boden von den Füßen wegriss. Sobald ihre Zungen sich trafen, schien es, als ob der Himmel über ihnen explodierte. Berauscht von diesem Gefühl drängte sie sich ihm entgegen und legte die Arme um seinen Hals. Ihre Beine legten sich um seine Hüften und wollten ihn nicht mehr loslassen. Seine Hand legte sich um ihren Nacken und legte ihren Kopf schräg, damit er den Kuss vertiefen konnte. Ihr Herz pochte unaufhörlich in ihrer Brust. Sie konnte nicht aufhören, ihn zu küssen. Ariana drängte sich ihm entgegen und erwiderte den Kuss mit einer Inbrunst, die sie bisher nicht an ihr kannte. Es kam ihr vor, als ob ihr Körper darauf gewartet hatte, dass er sie berührte. Arabas