zweifelnd den Kopf.
„Hör auf!“, sagte er gequält.
„Es ist wahr, du hast das Richtige getan, Nicholas“, ergänzte sie überzeugt.
„Nein, ich bin ein Mörder. Ich habe sie umgebracht. Ich bin kein guter Mensch“, hörte sie ihn aufgebracht sagen. Calliel stand auf und kam zu ihm. Sie setzte sich neben ihn und legte ihre Hand auf seine.
„Wenn es eins gibt, was ich mit Sicherheit weiß, dann das du ein guter Mensch bist, Nicholas. Du hattest keine andere Wahl. Es ist nicht deine Schuld. Bitte rede dir das nicht ein“, sprach sie mitfühlend. Er wehrte sich dagegen. Trotzig unterbrach er den Kontakt ihrer Hand und rückte von ihr ab.
„Egal, was du sagst, du kannst nicht ändern, was geschehen ist, Calliel. Ich habe Kate getötet. Oh mein Gott, ich habe sie umgebracht“, sinnierte er bestürzt. Sie hörte, wie er ihren Namen aussprach, und verkrampfte sich. Sie durfte jetzt nicht eifersüchtig sein. Das war fehl am Platz. Die Frau war tot. Dennoch spürte sie einen Stich im Herzen, sobald sie spürte, wie er von ihr sprach. Es verband sie irgendetwas miteinander. Die Trauer war nicht zu übersehen. Calliel bekämpfte den Drang, aufzubegehren.
„Du würdest es noch einmal tun, wenn Ariana um ihr Leben kämpft und in Gefahr gerät“, ergänzte sie. Nicholas hielt inne und sah sie entgeistert an. Sie hatte recht. Das würde er. Sobald ihm diese Erkenntnis traf, sah er die Situation mit anderen Augen. Er hatte Ariana gerettet. Sie würde dasselbe für ihn tun, das wusste er. Der Tod von Kate schmerzte ihn zutiefst und er hatte das nicht gewollt, aber sie hatte ihm keine andere Wahl gelassen. Langsam rückte alles ins rechte Licht, desto mehr er darüber nachdachte. Es hatte einen faden Nachgeschmack und er würde den Rest seines Lebens damit kämpfen müssen. Nicholas wusste, er konnte es nicht ungeschehen machen. Er bedauerte es zutiefst und trauerte um Kate. Sie hatte das nicht verdient. Er trug Schuld daran. Er hatte sie mit hineingezogen, ohne dass sie wusste, in welcher Gefahr sie schwebte. Ob er sich das würde verzeihen können, wusste er nicht. Sein Blick veränderte sich und er betrachtete Calliel skeptisch von der Seite.
„Was tust du überhaupt hier? Woher wusstest du, dass wir Hilfe brauchen?“, fragte er misstrauisch. Sie zuckte mit den Schultern.
„Jemand hat es mir gesagt, mehr musst du erst einmal nicht wissen“, antwortete sie geheimnisvoll. Erneut sprach sie in Rätseln. Er hasste es. Verärgert nickte er.
„Aha“, sagte er beleidigt. Calliel lachte und schubste ihn spielerisch von der Seite her an.
„Sei nicht gleich beleidigt, Nicholas. Ich bin froh, dass ich helfen konnte“, sagte sie selbstsicher. Sein Blick huschte zu Kate, bevor er ihn abwandte. Er konnte sie nicht ansehen. Nicholas schluckte schwer.
„Was tun wir mit ihr?“, fragte er. Er traute sich kaum, es anzusprechen. Calliel verstand ihn gut.
„Ich kümmere mich darum, keine Sorge. Du solltest dir einen Drink genehmigen und erst einmal zur Ruhe kommen“, antwortete sie. Sie erhob sich und ging zielstrebig in die Küche. Sie sah ihn noch einmal mitfühlend an, bevor sie sich herunter beugte und den Körper von Kate aus dem Haus trug. Nicholas starrte ihr nach und konnte noch nicht fassen, was er getan hatte. Er verstand noch nicht, wieso Calliel anwesend war und wusste nicht, ob sie bleiben wollte. Als er sie zuletzt gesehen hatte, stand sie auf der Seite der Gefallenen und hatte zugelassen, dass Rafael von Arabas getötet wurde. Sie hatten eine Vereinbarung gehabt und Arabas hatte den Deal zwischen ihnen besiegelt. Dessen ungeachtet hatte er nicht vergessen, dass Calliel nichts getan hatte, um das zu verhindern oder um ihnen zu helfen. Er wusste nicht, auf welcher Seite sie stand. Das eine Mal half sie ihm und Ariana, beim nächsten Mal half sie den Gefallenen oder den Engeln. Er war verwirrt, was sie betraf. Trotz dieser Umstände war er froh, dass sie jetzt da war. Irgendetwas an ihrer Art beruhigte ihn. Er musste sich eingestehen, dass die Gefühle für Calliel nicht erloschen waren. Eher im Gegenteil, es schien, als ob sie wuchsen. Betrübt starrte er die Tür an, in der sie jeden Moment auftauchen müsste, sobald sie zurückkam. Sie hatte ihm zu verstehen gegeben, dass es keine Zukunft für sie beide gab. Bisher hatte er das akzeptiert und wollte damit abschließen. In seinem Inneren wusste er, dass er das nicht konnte. Unausgesprochenes lag vor ihnen, das spürte er. Die Tatsache, dass sie ihn mit ihren sexy Kurven und ihrem Selbstbewusstsein um den Verstand brachte, bestritt er nicht. Nicholas wusste nicht, woran er bei ihr war und das zerriss ihn. War sie wegen ihm gekommen? Wer hatte ihr gesagt, dass Ariana in Gefahr war? Und wieso half sie ihnen? Verwirrt schüttelte er den Kopf. Wusste Arabas davon? Die Tür sprang auf und mit angespanntem Gesichtsausdruck sah sie ihn an. Calliel sah ihm an, dass er dringende Fragen hatte. Sie kannte diesen Blick von ihm. Vorsichtig schloss sie die Tür hinter sich und trat zu ihm. Ihr Herz sprang vor Freude in die Luft, sobald sein Blick ihren traf. Und das tat es jedes Mal, wenn er sie so ansah. Sagen würde sie ihm das nie, schwor sie sich. Sie hatte den Kuss nicht vergessen. Es verging keine Minute, in der sie nicht daran dachte, wie er sie geküsst hatte. Selbst jetzt noch, Tage danach, spürte sie die Leidenschaft in sich, die der Kuss in ihr ausgelöst hatte. Niemand hatte sie zuvor so geküsst. Niemand hatte ihre Gefühle zuvor so durcheinandergebracht, wie Nicholas es tat. Seine braunen sanften Augen bohrten sich in ihre und sprachen stumm von den Dingen, die er gern tun würde. Als sein Blick sich auf ihren Mund legte, wusste sie sofort, dass er ebenfalls an den Kuss dachte. Ihr Puls beschleunigte sich, sobald er sie direkt ansah und sie dabei ertappte, wie sie daran dachte. Sie brachte kein Wort heraus. Schließlich unterbrach er den Blickkontakt und stand auf. Enttäuscht sah sie ihm nach. Nicholas ging direkt zu der Bar, die in der Ecke stand und griff nach einer Flasche mit dunkelbrauner Flüssigkeit darin.
„Du hast recht“, meinte er gedehnt, „ich brauche einen Drink.“ Er goss sich etwas davon in ein Glas und trank es in einem Zug aus. Calliel fragte sich, ob er den Drink brauchte, weil er Kate getötet hatte oder, ob sie der Grund war. Sie beschlich das Gefühl, das es Letzteres war. Nervös erkannte Calliel, dass sie sich darüber freute. Sie konnte damit allerdings nicht umgehen. Sie kannte diese Gefühle nicht, besonders nicht für einen Menschen. Es war verboten. Die Regeln sagten klar und deutlich, dass ein Mensch nicht mit einem Engel oder einem Cherub zusammen darf. Sie wollte schon protestieren und ihn verbal angreifen, besann sich aber eines Besseren. Beim letzten Mal, als sie das getan hatte, waren sie in einem Streit auseinandergegangen. Das wollte sie nicht. Es hatte sich mies angefühlt. Nicholas drehte sich zu ihr um, nachdem er das Glas erneut gefüllt hatte. Gemächlich ging er zurück zu seinem Platz auf der Couch. Er seufzte schwer und sah sie an. „Wenn das hier funktionieren soll, sollten wir ehrlich sein, Calliel.“ Sie hörte seine Worte und spitzte die Ohren. „Keine Geheimnisse und Lügen mehr“, verlangte er. Sie holte Luft und sah ihn verzweifelt an. Nicholas nickte, er wusste, wie schwer das für Calliel war. Er hatte es schon geahnt. Eventuell war es ihm aus diesem Grund leicht gefallen, das von ihr zu verlangen. Er ahnte, dass Calliel das nicht versprechen konnte. Es schmerzte, obwohl es nicht überraschend kam. Sie schluckte und kämpfte mit sich. Nicholas beobachtete sie und blieb äußerlich gelassen. Sie schüttelte bedrückt den Kopf und sah ihn mit diesem entschuldigendem Blick an, den er verachtete. Er wusste, was jetzt kam. Sie würde ihn erneut abweisen. Calliel wollte auf ihn zugehen, bis er die Hand hob und ihr zu verstehen gab, dass sie das nicht tun sollte. Betrübt hielt sie die Tränen zurück. Es tat weh, wenn er gelassen und abweisend zugleich auftrat. Sie konnte ihn verstehen. Sie tat nichts, um das zu ändern. Sie gab ihm nicht das, was er von ihr wollte. Sie konnte es nicht.
„Nicholas“, setzte sie an. Er sah sie sofort an und sie sah die Herausforderung in seinen braunen Augen. Er musste es nicht aussprechen. Dieser Blick, er traf sie bis ins Innerste und ließ ihren Puls rasen. „Ich kann nicht“, wisperte sie verzweifelt. Daraufhin nickte er betroffen.
„Ich habe nichts anderes erwartet, Calliel. Du hast es schon klar gesagt, nicht wahr?“ Seine Worte trafen sie. Es tat ihr leid. Wie gern würde sie nachgeben und sämtliche Regeln außen vor lassen. Die Konsequenzen konnte sie erahnen. Sie hielten sie zurück und das würde sich nicht ändern, wusste sie. Sie war ein Cherub. Sie trug einen Teil Dämon und einen Teil Engel in sich. Wenn sie jetzt nachgab und ihren Gefühlen freien Lauf ließ, konnte sie nicht sagen, was geschehen würde. Sie war nicht für eine Liebesbeziehung mit einem Menschen geschaffen. Es klang einfach und war dennoch schwer. Sie wollte ihn nicht da mit hineinziehen, nicht