oder nicht. Kate stürzte sich erneut auf sie und warf sich mit ihrem Gewicht auf sie. Ariana konnte sie nicht abfangen und spürte, wie der schwere Körper gegen sie prallte und sie beide zu Boden riss. Der Aufprall hinterließ einen dumpfen Schmerz an ihrem Hinterkopf, sodass Ariana kurz schwindelig wurde. Kate lag mit ihrem Gewicht auf ihr und drückte sie gnadenlos zu Boden. Sofort schob sich ihr Unterarm unter ihr Kinn und drückte ihr die Luft ab. Mit der anderen Hand hielt sie das Messer dicht an ihre Brust. Ariana rang mit der Luft und kämpfte gegen Kate. Sie versuchte, sie von sich wegzudrücken. Woher Kate diese Kraft hatte, wusste sie nicht. Die Atemnot erschwerte ihre Abwehr. Sie spürte die Ohnmacht und kämpfte dagegen an. „Es wird Zeit dem ein Ende zu setzen. Du hast hier nichts verloren, Nephilim. Du gehörst nicht hierher und musst vernichtet werden“, zischte Kate sie an. Ariana hörte ihre Worte, die sich in ihr Gedächtnis eingruben. Sie schaffte es, dass sie an sich zweifelte. Ihre Kraft verließ sie. Sie wollte Kate nichts tun. Die Person, die aus ihr sprach, setzte alles daran, sie umzubringen. Verzweifelt und mit dem Leben ringend, strampelte Ariana mit den Beinen, in der Hoffnung Kate abschütteln zu können. In diesem Augenblick spürte sie die Messerspitze eindringen. Schmerzvoll fraß es sich in ihre Brust, sodass Ariana ernüchtert die Augen aufriss. Der Schmerz war unerträglich, als ob gewaltsame Hände ihre Brust auseinanderrissen. Ariana starrte Kate fassungslos an. Das war ihr Ende. Sie würde durch die Hand eines Menschen sterben. Ihr letzter Gedanke ging zu Jazar, ihrem Engel und Beschützer. Jazar, den sie liebte und für den sie alles getan hätte. Ihr Engel, der seit Kurzem ein Gefallener war und für sie alles geopfert hatte, nur um festzustellen, dass sie nicht zusammen sein konnten. Die Ohnmacht kam über sie. Das Messer schnitt in ihre Brust und hinterließ einen brennenden Schmerz. Ariana hatte keine Kraft mehr und ließ es geschehen. Sie schloss die Augen, träumte von einer Zukunft mit Jazar, in der es keine Engel oder Gefallene gab. In dem Traum hielt er sie an sich gedrückt und beugte sich zu ihr herunter, um sie zu küssen. Sie wartete auf den Kuss. Sie konnte es nicht erwarten, bis seine Lippen ihre berührten. Ihre Atmung setzte aus. Sein Mund kam näher. In dem Moment, als sie dachte, sie würde den ersehnten Kuss von Jazar bekommen, tauchte das Antlitz von Arabas vor ihr auf. Überrascht riss sie die Augen auf und hörte ein klägliches Stöhnen von Kate. Das passte nicht zu ihrem Traum. Stirnrunzelnd erkannte Ariana, was die Störung verursachte. Kate riss erschrocken die Augen auf, bevor sie zuckte und auf ihrem Körper zusammensackte.
„Ariana“, brüllte Nicholas über ihr und schob den regungslosen Körper von Kate von ihr herunter. Sie wandte den Kopf benommen zur Seite und sah noch, wie ein Messer aus dem Rücken von Kate stach. Sie warf einen Blick auf Nicholas, der über ihr hockte und sie besorgt ansah. Was hatte er getan? Er hielt sich mit Tränen in den Augen die Hände vor das Gesicht. Es klebte Blut an ihnen. Ariana runzelte die Stirn und bemerkte, wie die Ohnmacht sie einholte. Sie wehrte sich. Sie wollte wissen, was geschah. War das ihr Blut oder seins? Sie wusste es nicht mit Gewissheit. Nicholas schüttelte sie und sagte irgendetwas zu ihr, sie hörte ihn nicht mehr. Ariana ergab sich und fiel in Ohnmacht, bevor sie mit ihm sprechen konnte. Nicholas starrte auf die blutigen Hände. „Oh mein Gott, Ari. Nein, nein, nein, bitte Gott lass das nicht wahr sein“, bettelte er ängstlich. Er wusste nicht, wohin mit den Händen und fuchtelte fahrig mit ihnen hin und her. Nicholas handelte nicht mehr rational. Er starrte auf Ariana herunter, die am Boden lag. Das blutverschmierte Messer lag neben ihr. Er war noch rechtzeitig gekommen. Oder nicht? Starb sie vor ihm? Nein! Das durfte er nicht zulassen. Blut sickerte unaufhörlich aus der Wunde. Er tat instinktiv das, was ihm zuerst einfiel. Er drückte die Hände auf ihre Wunde und versuchte, die Blutung zu stoppen. Mit kräftigem Druck sah er sie an und redete auf sie ein, sie möge aufwachen. Als sein Blick zu Kate fiel, die neben ihnen lag und keinen Atemzug von sich gab, zitterte er. Ihre blauen Augen starrten ihn anklagend an, sodass er gequält den Blick von ihr abwenden musste. Oh Gott, was hatte er getan? Die Gewissheit, dass er für den Tod von Kate verantwortlich war, zerwühlte ihn. Er hatte Ariana helfen wollen. Kate wollte sie umbringen, das hatte er genau gesehen. Er wusste nicht, wieso sie das getan hatte. Instinktiv hatte er das nächstbeste Messer gegriffen und zugestochen, ohne darüber nachzudenken. Erst, als das Messer sich in den Rücken von Kate bohrte und sie daraufhin zuckte, begriff er, was er getan hatte. Nicholas kämpfte mit sich. Er war ein Mörder. Ein Retter. Beides. Was war er? Er war schuldig. Er hatte sie umgebracht, um Ariana zu retten. Wie sollte er damit leben können? Sie musste aufwachen, das war sie ihm schuldig. Nach allem, was er für sie getan hatte, durfte sie jetzt nicht sterben. Nicht so. Er wollte nicht auch noch für den Tod an seiner besten Freundin verantwortlich sein. Nicholas wusste nicht mehr ein noch aus. Was sollte er tun? Kam niemand zu Hilfe? Gab es niemanden, der ihm helfen konnte und ihm die Entscheidung abnahm? Wo war ihr Beschützer? Wo war Jazar? Wieso kam er nicht, um zu helfen, wie er es sonst tat? Nicholas verstand die Welt nicht mehr und sein Verstand brachte alles durcheinander. Er wusste nur eines, er würde die Hände nicht von der Wunde nehmen, die für Ariana lebensbedrohlich war. Er würde nicht zulassen, dass sie verblutete, nur weil er losgelassen hatte. Es war ihm egal, wie lange es dauern würde. Er würde nicht loslassen.
4. Kapitel
Ein Windzug ließ Nicholas herumfahren, ohne die Hände von Ariana zu nehmen und auf die klaffende Wunde zu drücken. Mit tränenverschmiertem Gesicht sah er zu ihr. Sie stand da und erfasste sofort die brenzlige Situation. Ohne ein Wort hockte sie sich zu Ariana herunter und wollte seine Hände von ihr nehmen.
„Nein! Rühr sie nicht an“, brüllte er sie an. Sie zuckte erschrocken zurück und sah ihn an. Mitfühlend bat sie stumm um Erlaubnis. Nicholas starrte in ihr wunderschönes Gesicht. Verwirrt schüttelte er verzweifelt den Kopf. Sie lächelte und legte eine Hand auf seine Wange.
„Lass mich helfen, Nicholas“, erklang ihre zarte Stimme. Ihre Blicke trafen sich. Sein Blick fragte sie, ob sie es ehrlich meinte. Sie nickte ihm aufmunternd zu, sodass er nachgab und seine Hände von der Wunde herunter nahm. Sofort beugte Calliel sich über Ariana und legte ihre Hand auf die blutende Wunde. Ohne Nicholas aus den Augen zu lassen, setzte sie ihre Fähigkeit der Heilung ein. Sie wusste nicht genau, was geschehen war, aber der Anblick erschrak sie zutiefst. Sie war rechtzeitig gekommen. Das Herz des Nephilim schlug schwach unter ihrer Hand. Es würde jeden Moment aufhören zu schlagen. Ihre Hand fing an zu glühen, bis weißes Licht direkt in Arianas Brust strömte. Langsam aber stetig schloss sich die Wunde und die Heilung setzte ein. Sobald sie fertig war, nahm sie die Hand herunter und nickte Nicholas zu. „Sie lebt, hörst du? Es ist alles gut, Nicholas“, meinte sie zu ihm. Er starrte auf Ariana, die noch bewusstlos war, und schüttelte irritiert den Kopf.
„Was tust du hier, Calliel? Wie konntest du ...“, fragte er, bis sie ihn unterbrach. Ihr Zeigefinger legte sich behutsam auf seinen Mund, sodass er verstummte.
„Das ist nicht wichtig. Ich bin da und konnte helfen. Du bist nicht bei Sinnen und stehst unter Schock.“ Er hörte ihre sanften Worte, hatte aber Schwierigkeiten den Sinn zu begreifen. Die Geschehnisse der letzten Minuten ließen ihn weiterhin zittern. Calliel half ihm auf die Beine und führte ihn zur Couch. Er plumpste regelrecht darauf und ließ es mit sich geschehen. Abwesend starrte Nicholas vor sich hin und reagierte nicht mehr. Calliel sah ihn besorgt an, bevor sie zu Ariana ging und sie auf die Arme nahm. Sie trug Ariana bis ins Schlafzimmer und legte sie auf das Bett. Bevor sie das Zimmer verließ, sah sie auf den Nephilim herunter und strich ihr sanft mit der Hand ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sobald sie zurückkam, spürte sie, wie Nicholas jede ihrer Bewegungen verfolgte und sie beobachtete. Sie sagte kein Wort und wartete darauf, dass er sprach und klarer denken konnte. Als sie den regungslosen Körper in der Küche fand, starrte sie eine Weile auf die Frau. Sie hockte sich herunter und schloss betrübt die Lider von Kate. Kurz warf sie einen Blick zu Nicholas, der sie mit gequältem Gesichtsausdruck ansah. Erneut betrachtete sie die leblose Frau mit anderen Augen. Sie hatten sich gekannt. Er hatte Gefühle für sie gehabt. Es war nicht Trauer, was sie in seinem Gesicht las. Er fühlte sich schuldig. Nach und nach begriff Calliel die Situation und setzte das Puzzle zusammen. „Du hast sie umgebracht“, hauchte sie bestürzt, ohne den Blick von Kate abzuwenden. Nicholas zuckte bei ihren anklagenden Worten zusammen und verkrampfte die Hände ineinander. „Du hattest keine andere Wahl“, kam es aus ihrem Mund. Es schien, als ob Calliel es vor ihren Augen sehen konnte, was geschehen war. Sie redete mehr zu sich selbst, um eine Erklärung für das alles zu finden. „Sie