Sören Kalmarczyk

Telepathenaufstand


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beiden Besucher verabschiedeten sich und verließen die Wache gemeinsam. Sie sahen sich noch um, ob sie irgendwo die beiden Frauen sahen, aber sie waren schon weg. Auch das Auto der Gerichtsmedizinerin war nicht mehr zu sehen.

      „Noch einen Kaffee?“, fragte Keiler.

      Dr. Siewert wollte schon ablehnen, doch dann sah sie hinter dem Brunnen, dass in der Praxis noch Licht an war, in der sie die beiden Telepathen vermuteten.

      „Ich habe eine Idee“, meinte sie, „Danach können wir gern noch einen Kaffee trinken.“

      Sie erklärte Keiler ihre Idee und während sie gemeinsam über den Alexanderplatz gingen, filmte sie sich selbst.

      „Ich gehe jetzt zu dieser Therapeutenpraxis und werde die Theorie austesten. Wir werden sehen, ob sie mein Gedächtnis löschen oder irgendwelche Ausreden liefern.“

      Sie schickte das Video an Kommissar Keiler, der inzwischen einige Meter weit entfernt war. Er postierte sich so, dass er den Eingang der Praxis im Blick hatte, aber nicht auffällig war. Als Mila Siewert die Tür öffnete, zündete er sich eine Zigarette an.

      Die Psychologin betrat den Empfangsbereich und erkannte den alten Mann. Die Frau war nicht mehr da.

      „Tut mir leid, wir haben schon geschlossen“, sagte der Mann. Er sah wirklich aus, wie ein Weihnachtsmann.

      ‚Oder wie ein Zauberer aus einem Disney-Film.‘, dachte Dr. Siewert, als sie anfing zu sprechen: „Siewert, LKA.“

      Der Kriminalhauptkommissar richtete unauffällig ein Messgerät für verschiedenste elektromagnetische Strahlungen auf die Praxis. Es blieb ruhig. Keine Schallwaffen, keine seltsamen Geräte, die das Gehirn beeinflussen könnten. Nach wenigen Minuten ging die Tür auf und seine Kollegin kam heraus.

      Sie hatten vereinbart, dass sie direkt auf ihn zugehen sollte. Sie schien ihn jedoch gar nicht zu sehen. Ihr Blick war stur geradeaus gerichtet und sie ging wie in Trance an ihm vorbei.

      „Dr. Siewert“, rief er, als sie fast neben ihm war.

      Sie zuckte zusammen und sah ihn an: „Oh! Hallo, Herr Keiler!“

      Er winkte ab und zog sein Handy, rief das Video auf und hielt es ihr hin.

      Mit dem Handy in der Hand schaute Dr. Siewert verwirrt auf das Video. Sie sah sich selbst, doch sie konnte sich nicht daran erinnern, das Video aufgenommen zu haben. Doch langsam kam die Erinnerung wieder.

      Der bärtige alte Mann hatte bei ihr offenbar die Erinnerungen nicht ganz so sorgfältig gelöscht.

      Anders, als die junge Frau ein paar Stunden früher, konnte sich Dr. Siewert mehr und mehr daran erinnern. Sie schaute zu Keiler.

      „Kaffee!“

      Keiler nickte und sie gingen in eine nahegelegene Bar.

      Dort schilderte sie ihm alles. Wie sie die Räume betreten hatte, sich kurz vorstellte und von der Frau erzählte, die ständig ihr Gedächtnis verlor, seit sie bei ihm war und wie der alte Mann ihr plötzlich direkt in die Augen starrte.

      „Es fühlte sich für einen Moment an, als hätte ich Sonnenbrand im Gesicht“, schilderte sie gerade, als Keiler mit dem zweiten Paar Kaffeetassen kam, „Dann hörte ich seine Stimme tatsächlich IN meinem Kopf. Er bewegte die Lippen nicht, aber ich hörte ihn und ich musste ihm einfach gehorchen.“

      „Was hat er denn gesagt? Oder gedacht? Na, Sie verstehen schon.“

      Siewert nickte und dachte angestrengt nach.

      „Hör mir zu! Es ist nichts passiert. Du warst nie hier. Das, was du mir erzählt hast, ist nie passiert. Vergiss, warum du hier warst! Vergiss, dass du hier warst! Vergiss die Frau!“

      Keiler grinste, als ihm etwas klar wurde: „Er wusste nicht, dass bei uns zwei Frauen waren. Und er wusste nichts von mir. Deshalb waren seine Befehle unvollständig.“

      Dr. Siewert sah ihn an und war beeindruckt: „Sie sollten vielleicht in die Psychologie wechseln!“

      Keiler grinste noch breiter.

      „Aber Sie haben Recht. Ihm fehlten Details und so konnte mein Gehirn den Rest der Geschichte wieder zusammensetzen. Pars pro toto.“

      „Genau“, sagte Keiler, „Und dieser Passport war unser Trumpf. Jetzt haben wir endlich was zum Ermitteln!“

      Dr. Siewert lachte.

      Am nächsten Morgen stand Alexander kurz nach fünf Uhr auf. Josephine hatte sich aus Cartagena nicht gemeldet. Von Mariana wusste er, dass sie total übermüdet sein musste und wahrscheinlich den Großteil des Fluges geschlafen hatte.

      Am Flughafen Schiphol jedoch musste sie umsteigen. Die KLM-Maschine flog irgendwann wieder zurück. Der Weiterflug nach Berlin sollte mit der Lufthansa sein.

      Er schaute auf die Webseite des Flughafens Schiphol. Touchdown, der Flug war gerade gelandet. 3 Stunden Aufenthalt in Amsterdam, dann startete die Maschine nach Berlin. Anderthalb Stunden später Landung auf dem BER.

      Er war so aufgeregt, wie seit der Geburt seines Sohnes nicht mehr. Adriano hingegen war die Ruhe weg. Um nicht zu sagen: Der schlief einfach weiter.

      Alexander rasierte sich so gründlich, dass auch nicht ein einziges Härchen mehr dort war, wo es nicht sein sollte. Das Handy immer dabei. Als er gerade das Frühstück machte, piepte sein Handy: Das Herz, das er Josephine geschickt hatte, war zugestellt worden.

      Er nahm das Handy und schrieb ihr eine Nachricht: „Willkommen in Europa!“

      Er überlegte kurz. Gateway, Kofferband, Zoll. Er vermutete, dass er noch etwa eine halbe Stunde hatte, bevor Josephine Gelegenheit hatte, auf ihr Handy zu schauen. Also ging er duschen.

      Gerade fertig und noch nicht einmal trocken schnappte er sich sein Handy, das sich eben mit ihrem Klingelton gemeldet hatte. Eine Serie von Emojis, Küsse, Herzen und ähnliches.

      Er wollte sie gerade anrufen, als von ihr eine Nachricht kam.

      „Ich war gerade beim Zoll und gehe jetzt erst einmal was essen. Te amo mucho“, schrieb sie ihm.

      „Guten Appetit, Schatz“, antwortete er ihr, genau wissend, dass sie beim Essen das Handy ignorierte, „Yo también te amo!“

      Als sie etwas gegessen hatte, tauschten die beiden noch ein paar Nachrichten aus, aber sie hatten sich nicht sehr viel zu sagen. In wenigen Stunden würden sie sich endlich in den Armen liegen und wieder miteinander reden können.

      „Guten Flug“, wünschte er, als sie ihm schrieb, dass sie im nächsten Flieger sitzt. Er schaute auf die Uhr. Noch anderthalb Stunden, bis zum Touchdown.

      ‚Los geht’s‘, dachte er und verließ die Wohnung.

      Am Flughafen angekommen, suchte er einen Parkplatz. Wieder schaute er auf die Uhr. Noch 20 Minuten.

      Er ging ins Gate und hielt sich dieses Mal nicht lange mit Höflichkeiten und Diskussionen auf. Jeder Beamte, der ihn aufhalten wollte, wurde von ihm telepathisch weggeschickt.

      Als er einen guten Platz zum Warten gefunden hatte, ging er zum Gate und fotografierte den Weg zum Kofferband. Dann ging er zum Kofferband und fotografierte die Stelle, an der er stehen würde. Beide Fotos schickte er Josephine. Im letzten hatte er einen roten Kreis eingezeichnet, um seine Stelle zu markieren.

      Als er wieder aufschaute, hatte sich jedoch genau dort gerade eine Menschengruppe versammelt.

      Alexander fluchte leise, als er auf sie zuging. Er entdeckte zwei Beamte der Bundespolizei in der Nähe und griff nach ihren Gedanken. Sofort setzten sie sich in Bewegung und forderten die Gruppe auf, den Bereich zu räumen.

      Zufrieden bezog er Aufstellung und wartete auf seine Angebetete.

      ‚Rotzfrech!‘, hörte er die gedankliche Stimme von Magdalena.

      Er sah sich um und fand sie. Ein paar Meter weit weg stand sie mit Merlin und wartete