Sören Kalmarczyk

Telepathenaufstand


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machte eine schneidende Bewegung mit der Hand. Der Flieger war gerade gelandet und keiner der drei wollte riskieren, den Ermittler auf komische Gedanken zu bringen.

      Beide kamen ziemlich kurz nacheinander. Zuerst kam Josephine mit ihrem Rollkoffer und den großen Rucksack aus der Abfertigung, dann ein älteres Ehepaar, das aus dem Urlaub zurück kam, dahinter lief der Ermittler. Ein hagerer Mann, der aussah, als hätte ihm noch niemand gesagt, dass Sonnenlicht gut für ihn sei. Sein Blick war starr auf Josephines Hinterkopf gerichtet.

      ‚Der scannt sie!‘, dachte Alexander und schaute kurz zu Magdalena und Merlin. Magdalena scannte Josephine ebenfalls, Merlin jedoch schloss kurz die Augen und projizierte das Leuchtfeuer. Der Ermittler fühlte es und sah die beiden. Er ließ Josephine unbehelligt weitergehen und drehte sich zu seinem Empfangskomitee.

      Alexander blendete den Ermittler aus und konzentrierte sich ganz auf diesen heißblütigen Engel, welcher dort mit müdem, aber glücklichen Lächeln auf ihn zukam.

      Er breitete die Arme aus, als sie die Absperrung verließ und Josephine sprang hinein. Ganz wie in Hollywood drehte er sich einmal mit ihr im Kreis, bevor er sie innig küsste. Ihre Arme schlagen sich um seinen Hals und beide hätten die Ewigkeit genau so verbringen können.

      Schließlich lösten sie sich und schauten sich verliebt an.

      „Willkommen zu Hause!“, flüsterte Alexander.

      Josephine lächelte mit jeder Zelle ihres Körpers: „Ich bin wieder da!“, flüsterte sie zurück.

      Beide standen noch ein paar Minuten in den Armen des jeweils anderen und hielten sich einfach nur fest. Zwei Jahre lang waren sie getrennt gewesen. Endlich hatten sie sich wieder!

      Ein Beamter des Gesundheitsamts hatte schon ein Auge auf die beiden geworfen, war aber zu langsam gewesen, um die Begrüßung zu verhindern.

      Alexander spürte, was er wollte und drehte sich zu ihm um, als sich dieser ihnen mit energischen Schritten näherte. Bevor der Beamte etwas sagen konnte, hob Alexander die Hand.

      „Sie wird bei mir in Quarantäne sein.“, sagte er und reichte dem Beamten das vorbereitete Dokument.

      Völlig verdattert studierte er das Schriftstück. Namen, Adresse, Herkunft, Dauer, Zweck, alles war drauf.

      „Einen schönen Tag noch, die Herrschaften“, sagte er schließlich und zog von dannen.

      Josephine und Alexander machten sich auf den Weg zum Ausgang, nachdem letzterer ihr den Koffer und den Rucksack gemopst hatte.

      „Die hast du lange genug getragen“, erklärte er ihr – noch auf Spanisch.

      „Danke!“, erwiderte sie lächelnd – schon auf Deutsch.

      Als sie an Merlin, Magdalena und dem Ermittler vorbeigingen, drehte sich letzterer zu ihnen um und wollte sie gerade ansprechen. Alexander legte seine finsterste Miene auf und schien ihm allein mit den Augen mitzuteilen „Wenn du uns jetzt störst, fress‘ ich dich auf!“

      Der Ermittler drehte sich wieder zu den anderen beiden um und fragte Merlin: „Wer ist dieser?“

      Merlin sah dem Paar hinterher und antwortete: „Alexander Braun, Hoher Telepath und seine Verlobte.“

      Auf Merlins Blick hin ergänzte Magdalena: „Laut erstem Scan eine latente Stufe 1, sehr stark, potenziell eine Hohe.“

      Merlin fügte noch an: „Der Sohn des Mannes ist ebenfalls Stufe 1 und wird demnächst ein Hoher.“

      „Drei Hohe?“, fragte der Ermittler.

      Es war nicht zu deuten, ob ihn das wirklich interessierte, ob es ihm völlig egal war oder er sie am liebsten um Autogramme bitten würde. Seine Stimme war genauso monoton und ausdruckslos, wie sein Gesicht.

      „Ich würde die Frau sogar als latente Hohe einstufen. Sie müssen sie kontaktieren und ausbilden.“, stellte er fest.

      Merlin schloss aus der Unkenntnis des Ermittlers, dass weder die latente Telepathin noch der Hohe der Grund für seine Anwesenheit waren. Er machte eine einladende Geste in Richtung Ausgang und das Trio setzte sich in Bewegung.

      „Ist etwas vorgefallen, was Ihrer Anwesenheit bedarf oder sind Sie zum Vergnügen hier?“, fragte Merlin.

      Der Ermittler ignorierte den Seitenhieb. Er war ein Geistlicher, damit war Vergnügen für ihn ein Synonym für Sünde.

      ‚Sie haben ein Problem‘, antwortete er telepathisch, ‚Eine Ihrer Akolythen hat ihre Kräfte unachtsam eingesetzt und die Aufdeckung riskiert.‘

      Merlin und Magdalena tauschten Blicke aus, bevor Merlin antwortete: ‚Ich wusste nicht, dass sie für diesen kleinen Unfall bestraft werden muss.‘

      Der Ermittler blieb stehen und sah Merlin mit durchdringendem Blick an: ‚Ich bin nicht hier, um zu bestrafen. Ich bin hier, um das Problem zu erfassen, sein Ausmaß zu ermitteln und es zu lösen.‘

      Den beiden Anführern des Engelszirkels lief es kalt den Rücken herunter. Ein Problem lösen, das bedeutete, alles Wissen über die Telepathen musste ausgelöscht werden. Auf die eine oder andere Art.

      Sie hatten von einem Fall in Paris gehört, als ein Kandidat für die Assemblée Nationale, das französische Unterhaus, kurz davor war, den Sirenenzirkel aufzudecken, wie der Pariser Zirkel hieß. Ein Ermittler traf ein und löschte kurzerhand sein Gedächtnis komplett aus. Auch die Erinnerungen seiner Mitarbeiter und aller Beteiligten wurden ausgelöscht.

      Als der Ermittler die Stadt wieder verließ, waren 23 Personen, alles erwachsene Frauen und Männer, nicht einmal mehr in der Lage zu sprechen. Der Fall wurde stillschweigend vertuscht. Der Staatsschutz ermittelte und kam zu dem Schluss, dass eine Wahlparty mit Drogen aus dem Ruder gelaufen war. Die offizielle Version lautete, dass alle 23 Personen durch einen illegalen Cocktail verschiedener Amphetamine ihr Gehirn so stark beschädigt hatten, dass sie alle Erinnerungen verloren und keine neuen mehr abspeichern konnten.

      Bis zum heutigen Tage sind alle 23 in der Psychiatrie. Keiner von ihnen hat jemals wieder das Sprechen erlernt oder auch nur das Gehen.

      Das verstand die Kirche unter „ein Problem lösen“. Merlin fragte sich, ob Steffi und der armen Frau, die am Vortag bei ihnen war, dasselbe Schicksal drohte.

      Magdalena wandte sich an den Ermittler, während sie weitergingen: ‚Wie geht es nun weiter, Herr…?‘

      Der Ermittler antwortete: ‚Sie können mich‘, er überlegte kurz, ‚John nennen. Zunächst werde ich ermitteln, wie groß der Schaden ist, wie viele Personen etwas wissen. Wenn man den Schaden eindämmen kann, wird er dann eingedämmt. Ansonsten wird er bereinigt.‘

      Sie fuhren zum Amtssitz des Erzbischofs, bei dem John während seines Aufenthalts wohnen würde. Gemäß dem Protokoll würde sich der Ermittler zunächst beim Diözesanbischof vorstellen und seinen offiziellen Auftrag präsentieren. Am nächsten Tag würde er dann mit dem inoffiziellen Auftrag beginnen.

      Unterwegs versuchten Merlin und Magdalena noch mehrere Male, ihn in Gespräche zu verwickeln, jedoch konnten sie keine weiteren Informationen erhalten. Sie brachten ihn zur Kathedrale und verabschiedeten sich. Anschließend fuhren sie zum Guardian, dem sie persönlich Bericht erstatten wollten. Sie fanden ihn im Garten der Domkirche und berichteten ihm alles, was in den letzten zwei Tagen passiert war.

      Vor dem Flughafen verstaute Alexander das Gepäck im Auto und hielt Josephine die Tür auf, damit sie einsteigen konnte. Er konnte nicht aufhören zu lächeln, als er das Auto umrundete und ebenfalls einstieg. Er reichte ihr ein kleines Büchlein, in dem auf Spanisch stand, wie die Corona-Pandemie in Deutschland gemanagt wurde. Weniger zu ihrer Information, als viel mehr, um sie zu beschäftigen und abzulenken. Seit einem Unfall, den sie als Kind hatte, reagierte sie in Autos immer panisch.

      Nachdem er sie auf zwei besonders interessante Punkte hingewiesen hatte, fuhr er langsam los. Er brachte seine Verlobte nach Hause.

      ‚Wir