Bettina Reiter

Maggie


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Er bewohnte eine Villa am Stölpchensee. Nach seinem Umzug aus Amerika hatte er in Berlin Mitte eine Maisonette-Wohnung bezogen, bis er diese Siedlung entdeckte. Eigentlich war er nur wegen eines Außentermins in der Gegend gewesen. Zwei Monate später verlegte er seinen Wohnort hierher. Vielleicht waren es die schönen Häuser, die ihn anzogen. Die Lage am Wasser. Der Wald oder die Idylle. Er lebte gerne zurückgezogen und wenn er Abwechslung wollte, war er nach einer kurzen Autofahrt in Berlin. Aber das interessierte ihn momentan am allerwenigsten.

      Statt durch die Bars zu streifen, hatte er mit dem Joggen angefangen. Am See entlang, der von Pflasterstraßen begrenzt wurde. Vorbei an den alten und historischen Höfen oder an den Neubauten, die wie Pilze aus dem Boden schossen.

      Er selbst besaß ein älteres Domizil. Mit einem privaten Bootshaus, einem parkähnlichen Garten inklusive Springbrunnen und lebensgroßen griechischen Figuren, die im Kaufpreis inbegriffen gewesen waren. Nach seinem Einzug wollte er die potthässlichen Skulpturen entsorgen lassen, was er bis dato nicht geschafft hatte. Ebenso wenig wie den Umbau des Wintergartens oder der Saunalandschaft. Sogar ein Festnetztelefon gab es noch. Womöglich scheiterten all diese Pläne an der Frage, für wen er etwas ändern sollte.

      Ihn störte die geschmacklose Einrichtung ohnehin mit jedem Tag weniger. Selbst mit den Skulpturen arrangierte er sich mittlerweile, da er den Garten bislang lediglich vom Fenster aus erkundet hatte. Im Gegensatz zu seiner Haushälterin Sam, die sich mit Hingabe darum kümmerte. Die Hecken waren akkurat gestutzt, sie hatte Beete angelegt und Blumen angepflanzt. Nebenbei sorgte sie für ausgewogene Mahlzeiten, machte seine Wäsche und putzte die Villa. Trotz ihrer erst sechsundzwanzig Jahre eine verlässliche Haushälterin, mit der er anfangs hin und wieder im Bett gelandet war. Da Sam jedoch keine romantischen Ziele verfolgte, hatte das nie Einfluss auf ihr Arbeitsverhältnis gehabt und ihr letztes Mal lag sowieso lange zurück.

      „Bald verschmilzt du mit dem Glas“, schreckte ihn Sams Stimme auf.

      „Ich denke nach“, gab Finley unwillig von sich und starrte weiterhin zur uralten Linde, vor der die Zeus-Statue stand. Nackt, wie der Künstler ihn geschaffen hatte, und extrem gut ausgestattet. So gut, dass Sam manchmal die Gartenhandschuhe auf dem besten Stück des griechischen Gottes ablegte. Auch ein Regenschirm baumelte dann und wann herab, oder Sam hielt sich daran fest, wenn sie sich zu den Blumen beugte. „Ist noch was? Ich wäre ansonsten gern allein.“

      „Meine Güte, hast du eine miese Laune, seitdem du wieder aus Cornwall zurück bist“, beschwerte sich Sam und trat neben ihn. Ihr Parfüm stieg ihm in die Nase. Der herbe Geruch passte zu einer Frau wie ihr. Sam – die neuerdings einen Bubikopf trug – ging regelmäßig ins Fitness-Studio oder zum Wrestling, war handwerklich geschickt und lachte wie ein Mann. Wiederum fragte sich Finley, wie er je mit ihr hatte schlafen können, schließlich aß das Auge mit. Aber vermutlich lag es daran, dass er den Sex früher genommen hatte, wie er sich ihm bot. „Willst du darüber reden?“

      Belehrend schaute Finley sie an. „Habe ich das je getan?“

      Es begann wieder zu regnen. Schon seit Tagen schüttete es wie aus Eimern.

      „Nicht wirklich.“

      „Warum dann die Frage?“

      „Weil ich glaube, dass sie schon wieder angerufen hat.“

      „Lydia?“ Verdammt, wurde er diese Klette denn nie los? Zumal er wegen dieser Intrigantin Sam ins Vertrauen ziehen musste, wobei er nur das Allernötigste erzählt hatte. Also im Grunde nichts, außer, dass Lydia ihn stalkte. „Hast du sie abgewimmelt?“

      „Mittlerweile sagt die Tussi kein Wort mehr.“ Sam rieb sich die Arme. „Diese Frau ist mir unheimlich. Irgendwann steht sie vor der Tür.“

      „Dann überleg dir etwas!“

      „Was denn?“, regte sich Sam auf. „Soll ich ihr einen Kinnhaken durchs Handy verpassen?“ Mit einem genervten Atemzug wandte sie sich zum Tisch und schob den roten Blumentopf exakt in die Mitte. „Ehrlich, Fin, du bist der Letzte, der sich beklagen darf. Irgendwann musste es ja so weit kommen, dass du dir eine Durchgeknallte anlachst. Das ist dir hoffentlich eine Lehre.“

      „Spar dir die Bevormundung.“ Verärgert schaute Finley zu ihr und verabscheute Lydia dafür, dass sie weiterhin Einfluss auf sein Leben hatte. Zumal er sich ihretwegen ein neues Handy samt Geheimnummer zulegen musste. Das alte lag im Flur. Natürlich könnte er es verschrotten, doch diese Frau würde erst Ruhe geben, wenn man sie mit den eigenen Waffen schlug und für so was war Sam die beste Adresse. „Schaff sie mir lieber vom Hals. Wofür bezahle ich dich denn?“

      „Ich bin nicht dein Bodyguard!“, stellte sie klar. Sofort hatte Finley die Musik zum gleichnamigen Film im Ohr. Run To You … „Nebenbei gefragt: War ich mit der Verrückten im Bett oder du?“, fauchte Sam weiter und wandte sich wieder zu ihm.

      „Wer sagt, dass wir Sex hatten?“

      Sie lächelte spöttisch. „Ich bitte dich, warum sollte sie dir sonst nachlaufen? Du wirst ihr schöne Augen gemacht haben. Wie jeder, mit der du ins Bett steigen willst. Mich hast du ja auch mit Marylin Monroe verglichen.“ Er zog es vor zu schweigen. „Wieso konntest du nicht auf Dex hören?“

      Finley erstarrte. „Wie kommst du ausgerechnet auf Dex?“ Die beiden kannten sich nicht und Dex’ Warnung vor Lydia hatte er Sam selbstverständlich ebenfalls vorenthalten.

      „Wir haben miteinander telefoniert“, gab seine Haushaltshilfe Auskunft und bekam rote Backen, als hätte sie jemand stundenlang gekniffen. „Nur zwei Stündchen oder so.“

      „Wie bitte? Wann soll das gewesen sein?“

      „Gestern. Du warst joggen.“

      „Ach, und da habt ihr zwei nichts Besseres zu tun gehabt, als über mich und Lydia zu reden?“

      Nun errötete sie bis zu den Haarwurzeln. „Im Gegenteil“, säuselte Sam, „über dich ging uns bald der Gesprächsstoff aus und wir kamen ziemlich ins Plaudern. Dann musste Dex leider zu einem Patienten. Deswegen haben wir uns für übermorgen verabredet, damit wir in Ruhe weiterquatschen können. Wir wollen essen gehen.“

      „Dir ist schon klar, dass Dex in Cornwall lebt?“

      Strahlend lächelte Sam ihn an. „Stell dir vor, er will dich besuchen. Eigentlich rief er ja nur an, um zu fragen, ob er kommen darf. Da du nicht hier warst, habe ich alles für dich klargemacht.“

      „Für mich?“ Als wäre ihm Sam mit ihren ständigen Ratschlägen nicht lästig genug. „Du hast ihn wohl für dich klargemacht. Meine Güte, Sam, mir ist nicht nach Gesellschaft. Selbst wenn es Dex ist. Du hattest kein Recht, das über meinen Kopf hinweg zu entscheiden.“

      Wie seine Tante Minnie es gerne tat, stemmte Sam die Hände in die Hüften. „Hör endlich damit auf, jeden so scheiße zu behandeln. Wir können am allerwenigsten etwas für die Pleite mit Maggie und wenn du derart leidest, solltest du zu ihr nach Dublin fliegen.“ Finleys Fassungslosigkeit wich dem Schock. Sam schien sogar über Maggie im Bilde zu sein! „Alles ist besser als deine Leidensmiene. Das erträgt ja kein Mensch!“ Sie zog die Stirn in Falten. „Wenn du dich wenigstens besaufen würdest. Sogar einem deiner Betthäschen würde ich derzeit den roten Teppich ausrollen, damit du abgelenkt wärst. Aber nein, unser kleiner Casanova muss ausgerechnet jetzt beschließen, wie ein Mönch zu leben.“

      „Woher weißt du von Maggie?“ Bevor sie antworten konnte, tat er es selbst. „Dex, dieser Verräter.“ Aber selbst der war nicht über alles informiert.

      „Dex macht sich bloß Sorgen um dich. Genau wie dein Vater.“

      Der wusste ja noch weniger! „Was hat Dad damit zu tun?“ Ihm schwante Schlimmes. Waren ihm etwa die Gerüchte zu Ohren gekommen, die Christin in Lydias Auftrag gestreut hatte?

      „Na ja, Donald hat alle Einzelheiten von Trudy erfahren.“ Wer verdammt nochmal war … du liebe Güte, sprach sie von … „Trudy Higgins. Sie ist Maggies Mutter“, bestätigte Sam seine Ahnung und sorgte für einen weiteren Schock. Was hatte ausgerechnet Maggies Mom