Bettina Reiter

Maggie


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glichen seine Gefühle vor wenigen Sekunden einem lauen Lüftchen. „Nicht, dass es wichtig wäre.“ Er griff zur Zeitung neben sich und blätterte darin. Zitterten die Blätter von selbst oder verursachte er das?

      „Du bist ein lausiger Schauspieler, Finley McGarret“, unterstellte Sam ihm prompt und baute sich wie ein Holzfäller vor ihm auf. Mit einem Gesichtsausdruck, als würde sie in jeder Hand eine Motorsäge halten. „Hier die Kurzfassung: Du hast Maggie anscheinend deine Liebe gestanden, doch sie will nichts von dir wissen, weil sie dich für einen Playboy hält, was durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist, wie wir alle wissen.“

      „Bist du fertig?“, feindete Finley sie an, obwohl es ungerecht war. Sam war nur der Bote, obwohl sie im Augenblick eher einem Henker glich. Doch worauf hatte er gehofft? Dass Maggie ihre Entscheidung bereute? Dass sie sich ebenso nach ihm verzehrte, wie er sich nach ihr? Nur Gott wusste, wie sehr er sich das wünschte, denn die Sehnsucht nach dieser Frau machte ihn beinahe wahnsinnig. „Ich gehe joggen“, informierte er Sam, legte die Zeitung weg und erhob sich, als seine Haushaltshilfe gnädiger Weise beiseitegetreten war.

      „Ja, ja, lauf nur davon“, motzte Sam, „darin hast du ohnehin Übung.“

      Wie angewurzelt blieb Finley am Türrahmen stehen. „Was soll ich tun? Maggie wie ein Hund folgen? Ich habe auch meinen Stolz und sie ist es, die davongelaufen ist. Außerdem hast du mir nichts gesagt, was ich nicht schon weiß. Also, Sam, wofür soll ich kämpfen?“

      Mitleidig musterte sie ihn. „Wow, dich hat’s echt erwischt. Bisher konnte es nicht einmal dein Spiegelbild mit dir aufnehmen, so überzeugt warst du von dir selber, und jetzt schau dich an.“

      Finley schluckte hart. „Ich würde alles ändern, hätte ich damit nur den Hauch einer Chance bei Maggie.“

      Sam trat vor ihn. Sie war so groß wie er, allerdings um einiges kräftiger gebaut. „Auch wenn ich nicht den Tag vor dem Abend loben möchte, du hast dich bereits geändert, Fin.“

      Traurig erwiderte er ihren aufmunternden Blick. „Und was nützt mir das?“

      „Geh joggen“, forderte sie ihn auf. Auch ihr schien nichts mehr einzufallen. „Das hilft, um Frust abzubauen. Ich kümmere mich um diese verrückte Lydia, sobald sie das nächste Mal anruft. Mir fällt schon etwas ein, um diese Schwachsinnige loszuwerden, und dann sehen wir weiter. Jedenfalls musst du nicht alleine ans Ufer rudern. Dex und ich helfen dir dabei.“ Na wunderbar! Dann konnte ja nichts mehr schiefgehen.

      Zehn Minuten später joggte Finley in seinem neuen Trainingsoutfit durch den Wald. Die dichten Zweige und Blätter hielten den Regen nur teilweise ab. Als er nach einer halben Stunde keuchend und durchnässt zu einer Lichtung kam, blickte er wie üblich zum alten Gutshof mit dem Reetdach. Ein kleiner Junge tapste gerade aus der Haustür. Schon öfter hatte er ihn vor dem Haus spielen gesehen. Meistens versetzte ihm das einen Stich, diesmal geriet Finley jedoch ins Straucheln. Nur mit Mühe gelang es ihm, das Gleichgewicht zu halten, während der Kleine geradewegs auf einen großgewachsenen Mann zulief, der sich mit einer Aktentasche in der Hand beim weißen Gartentor bückte. Mit ausgebreiteten Armen, um den Jungen darin aufzufangen. Dieses Bild sprach von so viel Liebe, dass die Wehmut Finleys Herz in tausend Teile zersplitterte.

      Mit Tränen in den Augen sank er auf die nasse Bank hinter sich, ohne die beiden aus dem Blick zu lassen. So saß er eine Weile in sich versunken da, bis die Dämmerung hereinbrach. Vater und Sohn waren längst in den Gutshof gegangen, hinter dessen Fenster Lichter brannten. Finley erhob sich schwerfällig und eilte nach Hause.

      Dorthin, wo die Stille noch erdrückender war.

      Sam hatte ihm einen Zettel auf den Küchentisch gelegt. Mit dem Hinweis, dass das Abendessen in der Mikrowelle sei. Ohne großen Hunger machte er es sich warm und aß kurz darauf im Esszimmer das würzige Gulasch. Dabei starrte er auf den großen Tisch, die vielen Stühle und überhaupt fühlte er sich verloren wie niemals zuvor in diesem Haus. Doch irgendwo auf dieser Welt gab es mit Sicherheit eine Frau, die für ihn bestimmt war. Er wollte jedenfalls alles daransetzen, um sie zu finden – und Maggie zu vergessen. Dieses Kapitel musste er dringend schließen, zumal sie bestimmt keinen einzigen Gedanken an ihn verschwendete.

      Mit dieser bitteren Erkenntnis holte Finley das Fotoalbum von Tommy aus dem Regal und blätterte mit brennenden Augen darin. Eins der Bilder zeigte auch dessen Grab in Amerika, doch um an seinen Sohn zu denken, brauchte er keine Ruhestätte.

      ♥♥♥

      Noch zwei Häuser, dann würde sie erneut vor der Citizen-Bank stehen. Prüfend fuhr sich Maggie über das Haar, das einen flotten Stufenschnitt bekommen hatte. Es glänzte und wirkte sehr feminin, wie ihr dezent geschminktes Gesicht. Nur Wimperntusche und glänzender Lipgloss kamen zum Einsatz. Die Visagistin meinte, dass das genügen würde und Maggie vertraute ihrem Rat. Musste sie wohl auch, denn der Laden Hair & Face gehörte zu den teuersten in der Stadt. Termine waren schwer zu bekommen, doch Grace hatte kurzerhand dort angerufen und einen für Maggie reserviert. Selbstredend, dass es kein Problem war. Tja, abgesehen von der Bezahlung. Dass es teuer werden würde, war sonnenklar. Die Eiserne Lady ließ sich bestimmt nicht bei einem Drogeriemarkt die edle Haarpracht machen. Aber Maggie hätte nicht im Traum daran gedacht, dass sie mit einem Schlag die Hälfte ihres Wochenbudgets los wäre!

      Ein paar Schritte noch!

      Maggie nestelte an ihrem blaugrauen Hosenanzug herum, zu dem sie silberne High-Heels trug. Ein weißes Top, eine silberne Handtasche und die Kette mit dem Bootsanhänger rundeten ihr Outfit ab. Das, und einige andere Business-Kostüme, hatten ein weiteres Loch in ihrem Geldbeutel hinterlassen. Umso dringender brauchte sie diesen Job!

      Diesmal blieb Maggie nicht vor dem Gebäude stehen, sondern ging schnurstracks hinein. Selbstbewusster als am Vortag. Dahingehend hatte Grace recht gehabt: Kleider machen Leute. So fühlte sie sich auch. Bis die Frau von gestern auf sie zukam, deren drakonische Miene stark an einen T-Rex erinnerte.

      „Kann ich Ihnen helfen, Miss?“ Diesmal trug die Frau ein rotes Kostüm und ihr unverbindliches Lächeln musste sie stundenlang vor dem Spiegel geübt haben.

      „Sind Sie die Empfangsdame?“, bemühte sich Maggie um einen fehlerfreien Satz.

      Ihr Gegenüber kniff die Augen zusammen. Man sah ihr förmlich an, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. Lange würde es nicht dauern, bis sie dahinterkam, wer vor ihr stand. „So ist es, Miss …?“

      „Higgins.“ Maggie lächelte. „Und ja, Sie können mir helfen. Ich möchte jemanden aus der Chefetage sprechen.“

      Das Lächeln gefror wie Wasser, das man bei minus vierzig Grad in die Luft schleuderte. „Sie sind das! Glauben Sie etwa, dass Sie mich mit diesem aufgemotzten Äußeren täuschen können?“

      „Das lag nicht in meiner Absicht. Ich möchte nur so behandelt werden wie jeder andere.“

      „Wie Sie wünschen. Dann werde ich den Sicherheitsdienst kommen lassen und …“

      „Was ist los mit dir, Iris? Schlecht geschlafen?“, wurde sie auf einmal launig unterbrochen. Maggie starrte verblüfft zu Grace, die mit einem Rudel Männer in schwarzen Anzügen auf sie zukam. Brauchte sie für ihre Bankgeschäfte so viele Leibwächter? Wohl eher nicht.

      „Grace? Was machen Sie denn hier?“, fragte Maggie.

      Dieser Iris klappte fast die Kinnlade herunter. „Grace?“, wiederholte sie konsterniert, als hätte sie in rohes Fleisch gebissen. „Für Sie immer noch Mrs. Lynch!“

      Maggie durchlief es heiß und kalt. Was hatte sie gerade gesagt? Mrs. Lynch? Etwa die Mrs. Lynch? Ihr Idol? Das Phantom? Die knallharte Geschäftsfrau?

      „Halt die Klappe, Iris!“, fuhr Grace dem T-Rex über den Mund und wirkte selbst alles andere als ein Schmusekätzchen, während sie vor ihnen stoppte. Ihre Begleiter taten dasselbe. Wie abgerichtete Hunde, schoss es Maggie durch den Kopf, in dem sich alles drehte. Ausgerechnet die Eiserne Lady war Mrs. Lynch. Das durfte nicht wahr sein! „Und sollten Sie jemals wieder für mich sprechen, können Sie sich sofort Ihre Papiere im Personalbüro