Summer Alesilia

Ein Trip quer durch das Chaos


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nach. Sie reagierte weiterhin nicht. Mike sah zu ihr hinüber und entdeckte ihre angespannte Mimik. Er nahm seine Hand vom Schaltknauf und berührte vorsichtig ihre Schulter. Sie zuckte erschrocken zusammen.

      »Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken, aber du hast nicht reagiert.«

      »Schon gut. Was hast du gesagt?«, fragte Laura.

      »Ich wollte wissen, ob du einen Energydrink willst.«

      »Echt? Habe ich nicht gehört«, gab sie kleinlaut zur Antwort.

      »Und möchtest du?«, wiederholte er die Frage.

      »Ja gerne! Aber ich könnte durchaus etwas Stärkeres vertragen.«

      Ihr glockenhelles Lachen forderte seine Aufmerksamkeit. Ihre Augen trafen sich und sie lächelten sich an.

      Merkwürdigerweise empfand er es nicht mehr als unangenehm, dass er einen Anhalter, besser gesagt, dass er sie mitgenommen hatte.

      »Leider habe ich gerade heute meinen Whiskey nicht dabei«, sagte er und lachte lauter, als er beabsichtigt hatte.

      »Sollen wir uns die Dose teilen?«, fragte Laura, nachdem sie das Getränk gemäß Mikes Anweisung aus seiner Tasche geholt hatte.

      »Ich habe keinen Becher oder Ähnliches.«

      Sie blickte kurz auf die Dose in ihrer Hand und dann zu Mike hinüber.

      Becher? Für was?

      »Wegen mir brauchen wir keinen, ich sabbere bestimmt nicht in die Dose. Oder trink du als Erster?« Sie schmunzelte vor sich hin und war gespannt, was er erwidern würde.

      »Ähm, entscheide du«, stotterte er. Warum hatte sie das geahnt? Okay, jetzt hatte sie den schwarzen Peter in der Hand! Kurzentschlossen öffnete sie die Dose und reichte sie ihm.

      »Danke«, erwiderte Mike, griff nach der Dose und führte sie an seine Lippen.

      »Bist du sicher, dass du nicht als Erstes trinken willst?«, erkundigte er sich abermals bei ihr. Als sie den Kopf schüttelte, zuckte er mit den Schultern und trank einige kleine Schlucke. Danach gab er die Dose an seine Beifahrerin zurück.

      »Du kannst ruhig austrinken.«

      Laura strich mit dem Daumen über das aufgedruckte Logo. Sie betrachtete die Dose eingehend, bevor sie trank.

      Nun würde sie gleich die Stelle mit ihren Lippen berühren, an der vor einigen Sekunden sein Mund war. Sie kannte ihn erst seit gut einer Stunde und die Hälfte der Zeit hatten sie sich angeschwiegen. Aber irgendetwas sagte ihr, dass sie Mike vertrauen konnte.

      Er wirkte nicht wie ein Bad Boy, dessen Körper mit sämtlichen ansteckenden Krankheiten in Kontakt gekommen war. Zudem würde sie mit ihm quer durch Deutschland fahren. Also vertraute sie auf ihr Bauchgefühl. Unter normalen Umständen würde sie das zwar nicht machen, aber heute war ohnehin nichts normal, wirklich rein gar nichts.

      Entschlossen führte sie die Dose an ihren Mund und trank ebenfalls mehrere Schlucke.

      Sie kamen am Autobahnkreuz A7/A6 vorbei und das sagte Mike, dass er das erste Drittel der Strecke geschafft hatte.

      »Wenn du Hunger oder Durst hast oder auf die Toilette musst, sagst du mir Bescheid«, durchbrach er die neuerlich aufgekommene Stille.

      »Ja klar, werde ich. Aber bisher ist alles bestens«, antwortete Laura gut gelaunt.

      Sie lächelten sich gegenseitig einen kurzen Moment an.

      Es war inzwischen früher Nachmittag und Hannover noch rund vierhundertvierzig Kilometer entfernt. Er hasste lange Autofahrten, aber mit dem Zug oder dem Flugzeug zu reisen war für ihn keine wirkliche Alternative. Er wollte bei seinen Eltern mobil und unabhängig sein. Theoretisch kommen und gehen können, wie er wollte. Er tat dies nicht, jedoch zu wissen, er konnte, wenn er wollte, reichte ihm.

      Laura zog sich ihre Jacke aus und warf sie nach hinten auf ihre Reisetasche. Er sah zu ihr hinüber und erkannte, dass sie noch den Pullover mit dem Kaffeefleck trug.

      Sollte er sie darauf ansprechen?

      Oh ja, er fand mittlerweile Gefallen daran, mit ihr zu plaudern, anders als zu Beginn, denn da hatte er am liebsten die Zeit zurückgedreht.

      »Bist du immer so ungeschickt?«

      »Hm, was? Wie kommst du darauf?« Ihr Blick war geprägt von absoluter Verwirrung und totaler Ahnungslosigkeit. Er deutete auf den braunen Fleck und sie sah an sich hinunter. Ihre Wangen wurden augenblicklich rosa und eilig legte sie ihre Hände über den Makel. Als wenn das noch etwas bringen würde. Ganz offensichtlich war es ihr peinlich.

      »Woher weißt du davon … oh Moment, du warst in dem Restaurant, stimmt's? Ich glaube, mich zu erinnern, dich dort gesehen zu haben.«

      Mikes Grinsen wurde aus zweierlei Gründen breiter. Zum einen entsann Laura sich an ihn, was wohl für ihn sprach. Und zum anderen erinnerte er sich an die lustige Situation, sah sie regelrecht vor seinem geistigen Auge.

      »Ja, ich war dort.«

      »Oh«, gab sie beschämt von sich und blickte unsicher auf ihren Makel. »Wenn ich nervös bin, passieren mir oft solche Missgeschicke. Sag jetzt bitte nicht, dass du genau gesehen hast?«

      Ihre Mimik verriet deutlich, dass es ihr enorm unangenehm sein musste.

      Mike überlegte, ob er schwindeln und ihr somit die Peinlichkeit ersparen oder ihr die Wahrheit sagen sollte. Er entschloss sich, ehrlich zu sein, auch wenn es schönere Themen gab.

      »Leider muss ich dir gestehen, dass ich alles gesehen habe und beinahe herzhaft gelacht hätte.«

      Er schmunzelte sie an.

      »Mir war leider überhaupt nicht zum Lachen zumute. Ich hatte vorher mit dem Abschleppunternehmen telefoniert und schlechte Nachrichten erhalten. Es ist wichtig, dass ich heute noch in Hannover ankomme.«

      Sie machte ein verkniffenes Gesicht, was sein Mitgefühl weckte. Abermals fragte er sich, was es Dringendes gab.

      »Entschuldigung, ich wollte mich nicht über dich lustig machen. Weißt du, normalerweise bin ich es, der so ein Chaos magisch anzieht. Es hatte für mich etwas Beruhigendes, als ich gesehen habe, dass es anderen auch so geht«, gestand er ihr.

      Mike machte ein schuldbewusstes Gesicht und hoffte, ihr mit seinem Geständnis ein wenig Trost zu spenden.

      Warum Laura bei seinem Gesichtsausdruck an einen Welpen denken musste, der gerade ausgeschimpft worden war, wusste sie nicht. Mike sah exakt so aus, als hätte man ihn bei etwas Verbotenem auf frischer Tat ertappt. Sie hatte das Gefühl, sich erklären zu müssen.

      »Schon okay, es sah sicher lustig aus.«

      »Wollen wir einfach das Thema wechseln?«, schlug Mike salopp vor.

      »Was schlägst du vor?«, stellte sie die Gegenfrage.

      »Was dir als Erstes einfällt!«, sagte er und sah sie herausfordernd an.

      Im Radio kam gerade eine Berichterstattung über die gestrigen Bundesligaspiele, die sie interessiert verfolgt hatte.

      Ohne darüber nachzudenken, sagte sie: »Fußball.«

      »Fußball?«, echote Mike. »Das ist nicht dein Ernst«, sagte er entgeistert.

      »Hast du in einem Verein gespielt? Interessierst du dich für diesen Sport?«, zählte sie zwei von unzähligen Fragen auf, ohne auf seine Verblüffung einzugehen.

      »Ich habe, wie die meisten Jungs angefangen, Fußball zu spielen, ein paar Jahre durchgehalten und irgendwann aufgehört, weil ich weder besonders talentiert war, noch große Lust daran hatte. Um ehrlich zu sein, interessiere ich mich nicht sonderlich dafür. Verrate mir lieber, wie du gerade auf dieses Thema kommst?«

      »Ich habe großes Interesse daran. Und möglicherweise habe ich selbst Fußball gespielt.«

      Sie