Summer Alesilia

Ein Trip quer durch das Chaos


Скачать книгу

wieder kurz zu ihr herüber, während er mit Richtgeschwindigkeit auf der rechten Spur der Autobahn fuhr. Er wirkte baff, aber nicht völlig schockiert.

      »Leider durfte ich nicht weitermachen und dass, obwohl mir der Trainer ein besonderes Talent bescheinigt hatte. Ich musste aufhören. Mein Vater wollte, dass ich etwas anderes tue, etwas, das besser zu einem Mädchen passt.«

      Leichtes Bedauern schwang in ihrer Stimme mit.

      Der Blick von Mike zeigte weitere Regungen. Weder hatte er damit gerechnet, dass eine Frau wie Laura Interesse an Fußball hatte, noch dass ihr Vater trotzt Talent, das selbige verbot.

      »Laura und Fußball! Wie passt das zusammen?«, erkundigte sich Mike.

      Sollte sie über seine Bemerkung verärgert sein oder sich geschmeichelt fühlen?

      Sie fragte sich ernsthaft, wie er es gemeint haben könnte. Immerhin lief es inzwischen besser mit ihnen, seine genervte und mürrische Art, die er zu Beginn hatte, war einer netten und aufmerksamen gewichen. Sie beschloss, ihn zu fragen.

      »Soll ich das als Kompliment auffassen oder wolltest du mich beleidigen?«

      Sie sah neugierig auf sein Profil und erkannte, dass er mit dieser Frage nicht gerechnet hatte. Nervös massierte er mit beiden Händen das Lenkrad.

      »Ähm, als Beleidigung auf keinen Fall. Gütiger Gott, wie käme ich dazu? Ich wollte damit lediglich sagen, dass du nicht so wirkst, als hättest du Fußball gespielt. Das ist doch vielmehr so ein Männerdingens, oder?«

      Er grinste schief.

      Bei seinem Lächeln konnte sie nicht böse sein. Aber das war sie ohnehin nicht. Stattdessen entschied sie sich, mit ihm einen Spaß zu machen.

      »Du bist schon ein Mann, oder?«, erkundigte sie sich, ohne richtig auf seine Frage eingegangen zu sein.

      Mike sah kurz verwirrt zu ihr hinüber.

      »Ja doch, ich glaube schon, zumindest steht das in meinem Pass. Und ich habe ein eindeutiges Merkmal, das mich von dir unterscheidet.« Er lachte herzhaft. »Wieso fragst du das jetzt?«

      »Na ja, wenn du ein Mann bist, warum hast du mit diesem Sport nichts am Hut? Da widersprichst du deiner eigenen Theorie, dass Fußball ein Männerding sei.«

      Sie sah ihn abwartend an und war sehr gespannt, was er erwidern würde.

      »So ein Mist, jetzt hast du mich erwischt! Okay, ich merke selbst, dass ich Unsinn geredet habe. Aber eines ist trotzdem klar, und zwar, dass du viel zu hübsch bist, um Fußball zu spielen.«

      Shit! Hatte er das jetzt laut gesagt?

      Warum war seine Mund-Hirn-Verbindung so lahm. Seine Sprache war meist schneller als sein Denken. Und so konnte er es oft nicht verhindern, Dinge zu sagen, die man besser nicht sagte. Zumindest wäre es zuweilen sinnvoll, seine Worte zu überdenken, bevor sie unkontrolliert heraussprudelten.

      Er versuchte sie anzusehen, ohne seinen Kopf zu ihr zu drehen, und schaffte es, aus dem Augenwinkel zu erkennen, dass sie schon wieder rosa Wangen hatte. Das musste ihr doch nicht peinlich sein.

      »Danke«, flüsterte Laura.

      Dann herrschte Stille und keiner wusste, was er sagen sollte.

      Plötzlich wurde ihm bewusst, dass das Autoradio keinen Empfang hatte und es fürchterlich rauschte. Er wollte gerade an das Rädchen fassen, als auch sie ihre Finger darauf zu bewegte und sie sich für den Bruchteil einer Sekunde berührten. Dann sahen beide kurz auf.

      »Entschuldigung, das ist schließlich deiner«, stammelte sie.

      »Nein, nein, schon gut, du kannst es gerne bedienen. Such du uns einen neuen Kanal«, forderte Mike sie mit einem Lächeln auf.

      Sie strich sich ihre Haarsträhne, die nach vorne gefallen war, aus dem Gesicht und beugte sich zu dem Gerät vor. Vorsichtig drehte sie an dem Rädchen, bis sie einen rauschfreien Sender gefunden hatte.

      Gerade wurde ein altes Lied gespielt und sie erkannte sofort, dass es Ain't no mountain high enough von Marvin Gaye & Temmi Terrell war.

      Sie kannte es gut, konnte mitsingen und tat es auch leise, als sie sich auf ihren Sitz zurücklehnte.

      Mike blieb ihr Singen nicht verborgen. Er drehte an dem anderen Rädchen die Musik lauter und stieg bei dem Refrain mit ein.

      'Cause baby there

      Ain't no mountain high enough

      Ain't no valley low enough

      Ain't no river wide enough

      To keep me from getting to you babe

      Gab es das? Er konnte den Text ebenfalls. Gut, es war ein altes Lied, das außerdem mehrfach Filmmusik gewesen war, aber sie war dennoch baff.

      Und wieder hatte Mike, ohne dass es ihr oder ihm bewusst gewesen wäre, einen Pluspunkt auf seinem Konto.

      Als das Lied endete, war die Stimmung gelöst und so fuhren sie stetig nach Norden, immer ihrem Ziel entgegen.

      Die nächsten drei Stunden fuhren sie, ohne anzuhalten. Die Kraftstoffanzeige meldete sich kurz vor achtzehn Uhr, als sie in der Nähe von Kassel waren. Tanken war nun unausweichlich. Und sicher tat beiden Bewegung, frische Luft sowie ein Abendessen gut.

      »Laura, ich muss bei der nächsten Raststätte abfahren und tanken. Sollen wir auch etwas essen?«

      Sie nickte, während sie ihr Handy aus der Tasche holte. Mit zusammen gezogenen Augenbrauen blickte sie darauf und tippte auf dem Display herum. Das hatte sie in den letzten Stunden bestimmt ein halbes Dutzend Mal gemacht und bei keinem einzigen Mal wirkte sie locker.

      Mittlerweile hatte er das Gefühl, sie besser zu kennen, auch wenn das objektiv betrachtet nicht der Fall war. Er hatte überlegt, nach dem Grund ihrer Angespanntheit zu fragen. Sich bei ihr zu erkundigen, ob alles in Ordnung sei, aber er wollte nicht neugierig wirken.

      Sie steckte es zurück in die Tasche und blickte auf die schwarze Straße vor ihnen. Inzwischen war es dunkel geworden und ihnen waren abwechselnd Regenschauer und leichter Schneefall begegnet. Aktuell war es trocken, was das Fahren für Mike um einiges angenehmer machte.

      »Ich muss mir dringend die Beine vertreten. Mein Hintern fühlt sich ganz taub an. Außerdem möchte der Energydrink wieder heraus«, plapperte sie los und versuchte, die negativen Gedanken zu vertreiben.

      »Warum hast du nichts gesagt?«, fragte er und sah sie vorwurfsvoll an. Sie konnte es nicht sehen, es war zu dunkel im Fahrzeuginneren.

      »Weil es bisher nicht akut war. Erst als du davon angefangen hast, habe ich bemerkt, dass es langsam dringend wird.«

      Sie kicherte leise.

      »Du hast Glück. In fünf Kilometern kommt eine Raststätte.«

      Er erkannte, dass sie auf ihrem Sitz hin und her rutschte. Innerlich lachte er über ihre undamenhafte Art.

      Laura hingegen dachte an die letzte Nachricht auf ihrem Handy. Warum musste ihr Vater sich jede halbe Stunde erkundigen, wo sie war? Langsam gingen ihr die ständigen Kontrolltexte auf die Nerven. Wenn ihr alter Herr wüsste, dass sie mit einem wildfremden Kerl per Anhalter fuhr, würde er völlig durchdrehen. Aber das behielt sie schön für sich. An der Tankstelle würde sie sich nachher etwas kaufen, das ihre Nerven beruhigte.

      Heute war so ein Tag, an dem sie sich nicht anderweitig ablenken konnte. Ihr Fahrer beschäftigte ihren Kopf zwar, aber nicht genügend, um die Gedanken an ihren strengen Vater zu verdrängen.

      Sie blickte verstohlen zu Mike hinüber und betrachtete sein Profil. Es war sehr schön, markant, ein wenig eckig, genau wie ihr es gefiel. Auch gefiel ihr der kurze Bart, den er trug und der ihn maskuliner wirken ließ. Auf seinem linken Handrücken hatte er ein Tattoo, einen Schriftzug. Eigenartige Stelle, aber vielleicht nur eins von vielen weiteren. Aufgrund der Winterbekleidung konnte sie lediglich dieses erkennen.