Summer Alesilia

Ein Trip quer durch das Chaos


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sagen sollte, beschloss aber, es nicht auf eine Diskussion ankommen zu lassen.

      Ihr Gesichtsausdruck drückte Entschlossenheit aus und wirkte, als wäre sie zu allem bereit.

      »Also gut!«

      Er zuckte mit den Schultern und fügte sich seinem Schicksal.

      »Dafür suche ich den Platz aus«, sprach er grinsend, als sie mit ihren Gerichten in den Gastraum eintraten.

      »Ja, ja, das darfst du.«

      Sie kicherte leise.

      Er blickte sich um und fand einen freien Zweiertisch am Fenster. Auf jedem der Tische war ein kleines Gesteck mit einer roten Kerze und den üblichen Dekorationsgegenständen der Weihnachtszeit. Sie setzten sich und begannen, ohne viel Umschweife zu essen. Nach einigen Bissen erhob Mike wieder das Wort.

      »Schmeckt dein Essen?«, erkundigte er sich bei ihr.

      Sie nickte kauend.

      »Und wie ist deins?«

      »Es ist gut, aber an einem Fischfilet mit Kartoffeln kann man nicht viel falsch machen.«

      Sein breites Grinsen ließ Fältchen an seinen Augen entstehen.

      Sie aßen weiter und verloren nur wenige Worte. Auf einmal wurde Mike bewusst, dass es bis Hannover nicht mehr weit war, vielleicht noch eine gute Stunde, eineinhalb, je nachdem wie der Verkehr war und wo er sie absetzen würde. Das Gefühl, welches auf diese Erkenntnis folgte, war kein angenehmes. Irgendwie hatte er sich an seine Beifahrerin gewöhnt. Mehr als das! Ihre natürliche und direkte Art empfand er als charmant. Auch von ihrem Äußeren war er mehr als angetan.

      Aber gegen die Tatsache, dass es nur eine kurzzeitige Reisebekanntschaft war, konnte man nichts machen.

      Laura war hungrig und aß zügig. Ihr Teller leerte sich schneller als der von Mike.

      Er musste gestehen, dass er sich extra viel Zeit ließ, denn seine Gedanken kreisten um ihre baldige Verabschiedung. Es drückte auf sein Gemüt, mehr als er bereit war, sich im Augenblick einzugestehen.

      Verflucht, wieso war das so?

      Mike war aufgefallen, wie sie beim Essen unschlüssig zwischen ihm und den anderen Reisenden hin- und herblickte. Er überlegte, ob er mit ihr ein Gespräch anfangen sollte, um sie noch besser kennenzulernen. Während Laura mit dem Strohhalm einen Schluck Limo trank, fasste er einen Entschluss.

      »Ich fahre über die Feiertage zu meiner Familie, um mit ihnen Weihnachten zu verbringen. Besuchst du jemanden?«

      Erwartungsvoll sah er sie an, pikte ein Stück Kartoffel auf seine Gabel und steckte sie sich in den Mund. Unterdessen er auf eine Antwort von ihr wartete, kaute er gemächlich.

      Sie ließ sich Zeit, weil sie nichts erzählen wollte. Ihr inzwischen ausdrucksloses Gesicht, zusammen mit ihren ineinander verschränkten Fingern wirkte auf Mike gezwungen und ließ ihn seine Frage bereuen.

      »Ja«, antwortete sie emotionslos. Danach kam nichts mehr.

      Wie? Was? War das alles? Was war mit ihr los?

      »Ich muss mir noch was kaufen. Werde schnell in den Shop gehen, iss mit Ruhe auf, ich bin gleich zurück.«

      Zügig stand sie auf und ließ ihn am Tisch sitzen. Ihr Themenwechsel kam absolut überraschend, ihr Aufbruch noch plötzlicher. Er konnte ihr nur nachsehen und sich wundern.

      Er beförderte mithilfe seines Messers ein Stück Fisch auf seine Gabel und führte sie zum Mund. Er aß nach und nach seinen Teller leer, diesmal zügiger, da er alleine war.

      Währenddessen fragte er sich, warum sie mit einem Mal so anders war, konnte es sich nicht im Ansatz erklären. Als er wenige Minuten später mit essen fertig war und seine Begleiterin immer noch nicht zurück war, keimte leichte Sorge auf.

      Mike drehte sich herum, um nach ihr zu sehen, konnte sie aber nirgends entdecken. Da er nur einen kleinen Teil des Ladens überblicken konnte, stand er auf. Eilig trank er seinen letzten Schluck Spezi und nahm ihre Limo kurzerhand mit, da sie noch zur Hälfte voll war. Er räumte beide Tabletts ab und machte sich auf die Suche nach ihr. Ihre Jacke, die ebenfalls noch über dem Stuhl hing, nahm er an sich. Dabei stieg ihm ihr Parfum in die Nase, welches ihn auf angenehme Art in der Nase kitzelte. Schließlich ging er Gang für Gang des Shops ab, konnte sie aber in keinem finden.

      Unruhig und mit Sorge ging er nach draußen. Beinahe wäre er in eine ältere Frau gerannt. Er entschuldigte sich eilig und ließ seinen Blick über den Platz vor dem Gebäude schweifen. In einiger Entfernung auf einer Bank erkannte er sie endlich.

      Sie saß ohne Jacke und alleine hier draußen in der Kälte herum. Erleichtert atmete er aus und erzeugte eine kleine Dampfwolke. Mike lief zügig auf sie zu. Als er vor ihr zum Stehen kam, stemmte er die Hände in seine Seiten. Träge blickte sie an ihm hoch und er erkannte ihre traurigen und ausdruckslosen Augen.

      Hatte er etwas falsch gemacht? Hatte es mit seiner Frage zu tun?

      »Was machst du hier? Ich habe dich im ganzen Laden gesucht und als ich dich nicht finden konnte, habe ich mir schon Sorgen gemacht.«

      Ihr freudloses Lachen wirkte verzerrt.

      »Schön, dass du auf mich aufpasst!«

      Ihr Satz troff nur so vor Sarkasmus.

      Was zum Henker war hier los?

      »Entschuldige vielmals, leider kann ich mit dieser Bemerkung wenig anfangen.«

      Vergeblich wartete er auf eine Antwort. Frustriert fuhr er sich mit seinen Händen durch die Haare und schnaubte.

      »Laura? Kannst du mir sagen, was hier los ist?«

      Er versuchte es sanft und mit möglichst viel Verständnis in der Stimme.

      Sie hob ihre rechte Hand, in der sie eine kleinere Flasche hielt und trank einen großen Schluck der klaren Flüssigkeit. Kaum hatte sie ihn heruntergeschluckt, fing sie zum Husten an und verzog das Gesicht. Mike griff nach der Flasche, da sie diese aber fest umklammert hielt und nicht losließ, konnte er sie nicht greifen.

      »Was trinkst du da?«, fragte er schärfer als beabsichtigt.

      Sie setzte erneut an und dann erkannte er den Schriftzug Absolut Vodka darauf. Kaum hatte sie diese von ihren Lippen abgesetzt, fing sie erneut zu husten an.

      Kein Wunder bei diesem Spiritus!

      Noch einmal griff er nach der Flasche und zog sie mit einem Ruck aus ihrer Hand. Dann stellte er sie hinter sich auf eine kleine Mauer.

      »Hey! Was soll das?«, fauchte sie und funkelte ihm böse entgegen. »Du bist nicht mein Vater!«

      »Ich werde nicht zulassen, dass du dich betrinkst. Und du hast recht, der bin ich nicht. Aber ich hätte trotzdem gerne eine Antwort auf meine Frage.«

      Er klang bedrohlich. So kannte er sich nicht. Für gewöhnlich war er sehr besonnen, aber etwas sagte ihm, dass er nur so eine Erklärung von ihr bekam.

      »Welche Frage?«, stellte sie sich dumm. An ihrer gedehnten Sprechweise konnte er hören, dass ihre Zunge schwer war.

      Wie viel hatte sie getrunken?

      Er warf einen Blick auf die Flasche und musste feststellen, dass deutlich mehr als zwei Schlucke fehlten. Es war keine große Flasche, aber es fehlte sicher ein Drittel, wenn nicht sogar die Hälfte. So lange war sie nicht alleine gewesen.

      »Ich wollte wissen, warum du ohne Begründung rausgegangen bist«, erklärte er nun ruhiger.

      »Und ich habe gesagt, dass du nicht mein Vater bist!«

      Eine Pause von mehreren Sekunden herrschte. In dieser Zeit sahen sie sich abschätzend an. Endlich fing sie zu erzählen an.

      »Ständig kontrolliert er mich und will über mein Leben bestimmen. Und genau zu diesem Menschen muss ich jetzt, ich habe keinen