mich sehr. Er hatte bereits mit Unverständnis reagiert, als er meine Tränen sah, aber als kurz darauf auch seine Schwester weinte, sagte er: „Jetzt heult die dumme Ziege auch noch! Typisch Weiber!“
Ich wusste nicht, ob Rene nur seinem Vater gefallen, und schon ein kleiner Mann sein wollte, oder ob er wirklich so gleichgültig anderen Menschen und deren Gefühlen gegenüber war.
Zumindest war nicht zu übersehen, dass der Junge ein „dickes Fell“ hatte. Denn auch wenn er sich verletzte weinte er niemals, sondern verzog nur das Gesicht, oder reagierte sogar zornig darauf, auch wenn er die Verletzung selbst verschuldet hatte.
Rene hatte eine Art, die ich nicht verstehen konnte, aber auch das konnte sich vielleicht noch ändern, sowie zuvor seine Augenfarbe.
Auszug
Das Verhältnis zu meinen Schwiegereltern war durch meine monatelange Abwesenheit ein wenig distanzierter geworden, was sich aber im Laufe der Zeit normalisierte, als sie sahen, dass ich wieder alles im Griff hatte.
Dann stand ein wichtiges Fest an. Meine Schwiegereltern hatten bald „silberne Hochzeit“ und bereiteten eine große Feier vor.
Zu den wenigen Familienangehörigen und Freunden lud mein Schwiegervater mehrere Kollegen von der Nato ein. Alle waren hohe Offiziere mit ihren Ehefrauen, die alle nur Englisch sprachen, obwohl sie schon Jahre in Düsseldorf lebten.
Das war für meinen Mann eine große Herausforderung, da er als ältester Sohn eine Rede halten wollte. Leider waren seine Kenntnisse in der englischen Sprache sehr bescheiden, sodass er sich entschloss, deutsch zu sprechen. Sein Vater lehnte Roberts Bitte, doch simultan zu übersetzen, kategorisch ab. Er war der Meinung, das mache keinen guten Eindruck, wenn er seine eigene Lobrede wiederhole.
Das war der erste Punkt, der zu einer Missstimmung führte.
Leider schaukelte sich die schlechte Stimmung während der Feier noch weiter hoch. Natürlich hatten die Anwesenden auch schon einigen Alkohol intus, sodass das Gehirn träger aber des Mundwerk lockerer wurden.
Der Grund war das leere Nachbargrundstück, das nicht mehr lange leer bleiben sollte. Roberts Mutter jammerte, dass man nun ihr Fenster zubauen werde, und sie dadurch eine dunkle Küche bekäme. Weil Robert das, von seinem verstorbenen Großvater geerbte Grundstück, dann aber verkauft hatte, welches nun bebaut wurde, machten die Schwiegereltern meinem Mann schwere Vorwürfe.
Aber Robert hatte wohl den höchsten Alkoholspiegel, obwohl sein Vater ihn gebeten hatte, wegen der Engländer Zurückhaltung zu üben, deshalb war er sehr streitsüchtig.
Wer zuerst und wer erst als Antwort auf die verbalen Angriffe ausfallend wurde, war nicht mehr zu ermitteln, aber der Streit endete mit heftigen gegenseitigen Vorwürfen. Die englischen Gäste verabschiedeten sich schnell.
Robert beschimpfte seinen Stiefvater als Erbschleicher, der sich ins gemachte Nest gesetzt hatte, und bekam als Antwort die Kündigung von dem, der sich als Hausherr fühlte. Was wir lächerlich fanden.
Die Feier endete mit einem Desaster. Denn selbst meine Mutter meinte Robert und mir beistehen zu müssen und ging auf meinen Schwiegervater los. So war zum Abschluss der Feier die komplette Familie zerstritten.
Am nächsten Tag hatte Robert einen derartigen Kater, dass er in der Frühe den Kleinen zum Einkaufen schickte, weil wir kein Mineralwasser im Haus hatten. Dummerweise gab er zwei Flaschen in Auftrag, womit Rene wohl überlastet war, und dem Jungen im Hausflur ein Malheur passierte. Eine der Wasserflaschen rutschte dem Kleinen aus der Hand und zerschellte mit lautem Knall direkt vor der Wohnungstür der Schwiegereltern.
Als ich hörte, dass mein Schwiegervater laut mit unserem Sohn schimpfte und ihm Ohrfeigen androhte, raste ich im Schlafanzug ins Treppenhaus und schrie laut: „Das kannst du dich wagen, den Kleinen anzufassen! Das Echo kannst du nicht vertragen, glaube mir mein Lieber. Meine Kinder schlägt niemand, auch du nicht! Spiel dich hier nicht als Hausbesitzer auf, du bist hier genauso nur geduldet, wie wir auch. Aber mach dir keine Sorgen, wir ziehen freiwillig aus. Mit dir wollen wir nicht länger in einem Haus wohnen. Komm hoch Rene, du brauchst keine Angst zu haben, dir tut niemand etwas, ich passe auf dich auf!“
Noch am gleichen Tag entschlossen wir uns auszuziehen. Das hieß leider für mich, dass ich nicht länger zur Schule gehen konnte, sondern ganztags arbeiten musste, denn der Umzug würde viel mehr kosten, als wir uns leisten konnten. Also brach ich die Schule auf halbem Weg ab. Der Arbeitsplatz, den ich wegen der Ganztags-Schule verlassen musste, war allerdings inzwischen besetzt. Mona war zurück gekommen. Nun waren wir zu dritt. Während Esther sich freute, maulte ihre Schwester.
Wir mussten nicht lange suchen, denn wir fanden ein ganzes Hinterhaus in einem entfernten Stadtteil. Zwar bekamen wir nur die obere Etage des ehemaligen Kartonagen-Betriebs, aber im Erdgeschoss blieben nur noch Lagerräume des Besitzers. Auch hatten wir einiges umzubauen, die Decken abhängen lassen, das Badezimmer musste abgeteilt und eingerichtet werden, aber ansonsten nur normale Malerarbeiten, die Robert selbst machte.
Das Vorderhaus war komplett vermietet, aber der große Hof zwischen den Häusern sorgte für einen großen Abstand. Außerdem gehörten zu unserer neuen Wohnung eine die einzige Garage und auch ein großer Garten, der nur zu unserer Verfügung stand, sodass wir mit den drei Familien des Vorderhauses nichts zu tun hatten.
Eigentlich hätte alles in Ordnung sein können, wenn nicht Roberts Unbeständigkeit gewesen wäre.
Das hieß wieder einmal keine Arbeit, weil Leo selbst nicht mehr genug Aufträge hatte.
Dummerweise stieg auch ich aus dem horizontalen Geschäft aus, weil inzwischen Esthers Schwester als Dritte im Bunde einfach zu viel für den geringen Kundenzulauf war. Für drei Frauen kam einfach nicht genug Geld rein.
Wir trennten uns im Guten, denn ich hatte sowieso meine Fahrlehrer-Prüfungen vor mir, die mir keine Zeit für einen Job ließen. Zwar hatte ich nicht mehr viel von meinen Ersparnissen übrig, aber irgendwie musste es reichen.
Die Prüfung wurde zum Desaster, die mangelnde Unterrichtszeit machte sich voll bemerkbar. Ich fiel mit Pauken und Trompeten durch. Aus der Traum von der Fahrlehrerin.
Ein Lichtblick
Auch Esther gab das horizontale Geschäft auf, weil sie nicht mehr damit klar kam. Mit ihrer Schwester verstand sie sich nicht, die Freier konnte sie nicht mehr ertragen und Leo bot ihr wohl eine andere Alternative, er hatte nämlich ein Einfamilien-Reihenhaus in Leverkusen gemietet, wo sie nun hinzog. Was sie beruflich machte wusste ich nicht, nur dass sie nun mit ihrem Lebensgefährten zusammen arbeitete.
So verloren wir uns vorerst aus den Augen, und ich saß ohne Arbeit und deprimiert zu Hause. Mein Ehemann hatte sich zwangsläufig auf seinen Beruf besonnen, und versuchte bei ehemaligen Kunden Aufträge zu bekommen. Das erwies sich jedoch als schwierig, weil Robert nicht gerade der zuverlässigste und auch nicht der Beste Meister seines Fachs war. In der Vergangenheit hatte es zu viel Ärger und Reklamationen gegeben. Einen guten Namen hatte er sich deshalb nicht bei seinen Kunden gemacht.
Ob die Kinder glücklich in der neuen Umgebung waren, konnte ich anfangs nicht beurteilen, weil Ramona sich sehr zurückgezogen hatte, und Rene sich erst in der neuen Schule zurechtfinden musste. Das klappte leider nicht so wie ich es mir gewünscht hätte, weil er einfach noch zu flapsig war, deshalb versetzte man ihn in die Vorschulklasse. Damit war die frühe Einschulung wieder hinfällig, sodass er erst im nächsten Jahr erneut eingeschult werden sollte.
Dem kleinen Strolch machte das alles nichts aus, ob er in schlechte Gesellschaft geriet oder ob es aus seinem eigenen Willen entstanden war weiß ich nicht, aber eines Tages erwischte Robert den Kleinen beim Rauchen.
Dummerweise hatte Rene sich den schmalen Zwischenraum, zwischen unserer Garage und der kleinen Mauer zum Nachbargrundstück ausgesucht, um wie ein Schornstein zu qualmen. Dummerweise wohnte der Rektor seiner Schule in diesem Nachbarhaus, und der hatte unseren Sohn aus seinem Fenster beobachtet hatte.
Aber