Ruth Broucq

Kinder kann man sich nicht aussuchen


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ihre ständige Kotzerei beim Fahren längst Vergangenheit des Kleinkindalters. Laut meiner Mutter war das meine Schuld, die Reaktion des Kindes auf meine wilde Tanzerei während der Schwangerschaft.

      Mir war zwar klar, dass unserer sensible Tochter unter den angespannten Verhältnissen litt, ich hatte aber genug mit der Erhaltung der Finanzen und häuslichen Ordnung zu tun, sodass ich mir keine Gedanken um Ramonas Seelenleben machte. Dass sie unter Eifersucht litt, war zwar eine normale Reaktion, aber wegen Renes Bevorzugung durch ihren Vater.

      Mir wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass ihre Eifersucht sich Hauptsächlich auf mich bezog, bis zu ihrem ersten Schulausflug in der fünften Klasse.

      Aufgrund Ramonas guten schulischen Leistungen, und dem Rat ihrer Grundschul-Lehrerin, hatten wir sie auf eine gute Realschule geschickt. Schon im ersten Sommer startete die erste Klassenfahrt.

      Weil es schon am frühen Morgen sehr heiß war, hatte ich mich luftig angezogen, was Ramona sofort kritisierte. „So willst du mich bringen? Zieh dir mal was Vernünftiges an.“ Maulte sie. Meine Figur betonte Kleidung und meine hochhackigen Schuhe fand sie zu aufreizend. Abwinkend ignorierte ich ihren Einspruch.

      Als ich Ramona am bereits gefüllten Reisebus, vor der Schule, absetzte, waren wir die letzten. Deshalb hielt ich gleich hinter dem Bus, sprang schnell aus dem Auto, gab Ramona ihr Gepäckstück und wollte ihr noch einen Abschiedskuss geben, aber sie ging zügig zum Einstieg.

      Weil ich schnell hinter ihr hergelaufen war, stolperte ich mit meinen hohen Sandaletten, und konnte mich gerade noch fangen, bevor ich hinfiel.

      Meine Tochter hatte mein kleines Malheur genutzt und war schnell eingestiegen. Als ich das sah lachte ich Schulterzuckend, und trippelte zu meinem Auto zurück. Ramonas Mitschüler hatten mich durch die Busfenster beobachtet, und während einige Jungen klatschten, pfiffen ein paar andere hinter mir her.

      Als der Bus abfuhr sah ich nur noch die ärgerliche Grimasse meiner Tochter.

      Später warf sie mir vor, sich für mich geschämt zu haben, weil ihre Mitschüler hinter mir her gepfiffen hatten, weil sie mich ganz toll fanden. Ich konnte weder ergründen noch verstehen, was an mir so blamabel sein sollte, ich war nur jung, modern und locker. Denn ich kleidete mich zwar modern, aber ganz normal, nicht aufreizend.

      Umbruch

      Als mir die Wohnung, in der ich meine geschäftliche Niederlassung hatte, gekündigt wurde, bekam ich gerade passend von Beates Mutter eine Wohnung angeboten. Auf meiner ersten Adresse im horizontalen Gewerbe, war im Haupthaus die erste Etage frei. Weil meine Freundin, Esther, auch gerade Probleme mit dem Vermieter ihrer geschäftlichen Niederlassung hatte, mieteten wir die Wohnung gemeinsam an.

      Da ich fast die gesamte Möblierung einer großen Wohnung übrig hatte, kam diese Möglichkeit gerade passend. Zudem hatte ich mich von meinen beiden „Damen“ getrennt, weil ich den Ärger wegen deren Unzuverlässigkeit und „Problemchen“ leid war.

      Das hieß, ich musste sowieso wieder selbst „anschaffen“, sowie Esther auch, die ähnliche Probleme hinter sich lassen wollte. Weil wir beide uns immer gut verstanden hatten, war es eine logische Schlussfolgerung, dass wir uns wieder zusammen taten.

      Allerdings hatte ich den Wunsch mich beruflich zu verändern, denn ich war der Meinung, dass ich für den horizontalen Job bald zu alt war. Also entschloss ich mich, endlich einen Beruf zu erlernen.

      „Eine dreißigjährige Frau haben die Freier selbst zu Hause. Außerdem kann ich die Kerle nicht mehr ertragen. Ich muss eine Ausbildung machen.“ Erklärte ich meinem Ehemann. Dem war alles egal, Hauptsache ich hielt die Familien-Finanzen im Gleichgewicht. Damit er seinen leichtlebigen Lebensstil beibehalten konnte.

      Als ich in einer Zeitung eine Werbung las: >Ausbildung zum Fahrlehrer/in< hatte ich meinen Zukunftstraum gefunden. Die Schulung dauerte sechs Monate, Voraussetzung war alle Führerschein-Klassen und mindestens 23 Jahre alt.

      „Das mache ich!“ entschied ich spontan.

      Achselzuckend meinte mein Mann dazu: „Mach was du willst, aber denk daran, dass es eine Menge Knete kostet und ich dir dabei nicht helfen kann.“

      „Wann und bei was hast du mir jemals geholfen?“ lachte ich ihn aus.

      Esther fand die Idee gut, meinte: „Ich finde es gut, dass du dir um die Zukunft Gedanken machst, schließlich hast du zwei Kinder, und einen Mann, der alleine zu nix in der Lage ist. Außerdem hast du hier den ganzen Tag Zeit zum Lernen, so wird dir die Wartezeit auf die Wixer auch nicht langweilig.“

      Nachdem ich genaue Erkundigungen bei der „Fahrkehrer-Fachschule“ eingeholt hatte, wusste dass die Teilnahme an dem Tagesunterricht möglich war und Fünfzehnhundert Mark kostet, meldete ich mich bei einer Fahrschule an. Den Führerschein der Klasse 3 hatte ich schon seit sieben Jahren und ich hatte sogar noch die Personen-Beförderungs- Erlaubnis, weil ich lange Zeit Taxifahrerin war.

      Also meldete ich mich in einer Haaner Fahrschule an, für die Führerscheine 1 und 2, für Motorräder und LKWs.

      Gleich nach den ersten Fahrstunden war ich mir sicher, dass die Prüfungen kein Problem für mich darstellten, deshalb meldete ich mich auch bei der „Fahrlehrer-Fachschule“ an. Bis zum Beginn des Unterrichts hatte ich noch zwei Monate Zeit um die Führerscheine zu erwerben.

      Diese Zeit musste ich zum Lernen sowie zum Sparen nutzen. Ich hatte das Glück, dass ich spezielle Maso-Kunden hatte, deren Neigungen mir durch meine Sado-Behandlungen dreistellige Summen einbrachten, die ich heimlich sparte.

      Für die Fahrprüfungen lernte ich die ganze Klasse 2 –Technik einfach auswendig, weil ich das sowieso nicht verstand, denn ich war technisch völlig unbegabt. Aber durch eifriges Studieren der Fragebögen machte ich mich fit.

      Robert arbeitete inzwischen bei Esthers Freund Leo, denn er hatte wegen seiner geschäftlichen Nachlässigkeit den eigenen Betrieb einstellen müssen. Natürlich hatte uns das auch mal wieder einen Schuldenberg hinterlassen, den abzubauen ich nun auch noch am Hals hatte.

      Unseren Kindern fehlte es derweil an nichts, nur an mehr Zeit mit uns Eltern. Robert arbeitete mit Leo oft in Holland, deshalb war er manchmal Tagelang nicht zu Hause. Ich war mit „anschaffen“ und lernen bis spät abends beschäftigt, und wenn ich am Wochenende zu Hause war, mit kochen, putzen, waschen und bügeln. Familienausflüge fielen aus.

      Ich musste mich ran halten, denn am 8. März sollte meine Führerschein-Prüfung, mit der Theorie starten, die beiden Praktischen in den Tagen danach. Es war für mich wie ein Spaziergang, denn ich bestand alle drei Prüfungs-Teile fehlerlos mit Bravur.

      Während das langweilige Familienleben den Kleinen nicht negativ beeindruckte, war Ramona maulig und widerspenstig. Nichts konnte man ihr recht machen. Trotzdem gab ich mir Mühe ihren Geburtstag am 24.März nett zu gestalten. Sie hatte ein paar Kinder aus ihrer Klasse eingeladen, darunter auch zwei Jungs. Alles war bestens, bis einer der Jungen mit Blumen herein kam, die er mir statt ihr überreichte. Obwohl Ramona ein anders kleines Geschenk bekam verzog sie beleidigt das Gesicht und sprach Tagelang nicht mit mir. Was konnte ich dafür, dass der junge Mann ein Gentleman war, und der Mutter eine Aufmerksamkeit mitbrachte, nicht nur seiner kleinen Freundin? Ich fand ihr Verhalten lächerlich, ignorierte es.

      Jedoch fiel mir schon damals auf, dass zu Ramonas sensibler Zartheit ihren Bruder so leicht nichts erschüttern konnte. Bei einer Begebenheit schrieb ich es Roberts schlechtem Vorbild zugute, der dem Kleinen unbedingt Härte beibringen wollte.

      Als unser Wellensittich sich an seiner eigenen Schaukel im Käfig verletzt hatte, schlug Robert unserem Sohn vor, das Tier zu erschießen, und Rene stimmte begeistert zu. Trotzt meinem empörten Einspruch, nahm Robert den sechsjährigen Jungen mit in den Keller, und ballerte mit seinem Lieblingsspielzeug, seinem Revolver, vor den Augen des Kindes, auf den Vogel. Schon bei diesem Ereignis schreckte mich die Gefühllosigkeit des Kindes. Denn Ramona reagierte mit Tränen auf den Tod des Tieres.

      Auch die Nachricht vom Tod meiner Großmutter, der von meinen Kindern heiß geliebten „Tick-Tack-Oma“,