Anne Wunderlich

Urlaub - jetzt komm ich!


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Sonneneinstrahlung und entsprechendem Temperaturanstieg innerhalb der Mauern des Hotels so dunkel gehalten sind. Ich zeigte mich einsichtig und überreichte ihm ein kleines Trinkgeld. Nach dieser Gabe verschwand der hilfsbereite Mann und ließ hinter sich die Tür ins Schloss fallen.

      Ich atmete tief durch und zauberte mir selbst ein Lächeln ins Gesicht. Angekommen in meinem Wunschurlaub! Unfassbar. Ich war hier, hier in Tunesien. Zwar allein, jedoch mit Glück geflutet. Ich inspizierte mein Zimmer sowie das dazugehörige Bad und war zufrieden. Trotz der Finsternis fühlte ich mich wohl und wer verbringt schon im Urlaub die meiste Zeit im Zimmer? Wohl die Wenigsten. Ich nicht, zumindest nicht freiwillig.

      Welch´ ein großes Pech ist es, im Urlaub krank zu werden

      und somit gezwungener Maßen das Bett des Zimmers hüten oder vor der Toilettenschüssel Stellung beziehen zu müssen. Nur leider kann man diese Situationen manchmal einfach nicht vermeiden. Wie schnell erkälten sich Reisende durch die Klimaanlage in Bussen oder öffentlichen Gebäuden. Andere bekommen Magenschmerzen durch Lutschen von Eis oder vom Trinken des Leitungswassers. Letzteres unterliegt nicht immer den deutschen Standards und obwohl vor dem Trinken der klaren Flüssigkeit gewarnt wird, ignoriert manch einer dies gekonnt und muss dann Vorliebe mit seinem Hotelzimmer nehmen. Selbst das Treten auf einen Seeigel oder Schürfwunden aufgrund Unachtsamkeit sind nicht ausgeschlossen. Selbst mir ist so ein Erlebnis vor vielen Jahren im Urlaub wiederfahren:

      Damals noch als schulpflichtiges Kind verreiste ich mit meinen Eltern in der Türkei. Direkt am Meer, mit weißem Strand, aber kleinen Steinchen im Wasser. Der Hoteleigene Fotograf hielt diverse Szenen mit seiner Kamera fest und bot die Bilder gegen einen viel zu überteuerten Preis zum Kauf an. Auch mich lud er zu einem professionellen Fotoshooting ein. Blauäugig wie ich damals war, stimmte ich dem Blitzlichtgewitter zu. Während ich mich darauf freute, konnten meine Eltern auf ihrer Strandliege entspannen und relaxen, was mir als junges Mädchen sowieso zu langweilig war.

      Nach einigen Fotos am Strand hatte der Fotograf die glorreiche Idee, mich für ein paar Bilder im Meer in Szene zu setzen. Ich folgte seinem Einfall und legte mich auf Steinen im seichten Wasser auf den Bauch. Die ersten Bilder waren noch spaßig und großartig gelungen, bis einige Wellen an den kleinen und großen Steinen brachen, auf den ich lag. Da diese mit Algen übersät und somit sehr rutschig waren, schlidderte ich bei jeder Welle leicht hin und her. Das ging so lange gut, bis eine größere Welle kam und mich mitzog. Ich rutschte über die Algen und wurde auf Steine gespült, die mit kleinen Muschelschalen bestückt waren. Mehrmals tauchte ich unter. Aufgeregt rang ich nach Luft. Kaum befand sich mein Kopf über Wasser, schwappte mir gleiches ins Gesicht. Mit meinen Händen versuchte ich hektisch Halt an den Steinen zu finden. Bis mir das gelang, schlitzten die scharfkantigen Schalen meine Beine auf und das Wasser färbte sich sofort rot. Meine Handinnenflächen schmerzten. Erst als die Wellen leicht abebbten, konnte ich sicheren Boden unter den Füßen gewinnen. Durch das Schlucken von Wasser hustete ich wie wild. Atmen! Ängstlich blickte ich an mir hinunter, da ich einen brennenden Schmerz wahrnahm.

      Ich erschrak. Meine Knie waren aufgeschürft, so auch meine Schienbeine, selbst meine Unterarme. Schürfwunden sowie offene Wunden, aus denen ich mehr oder weniger stark blutete, zierten meine Körperstellen. Ich bekam leicht Panik, wurde nervös. Der Fotograf brach sofort das Shooting ab, kam auf mich zu und reichte mir seinen Arm. Ich henkelte mich bei ihm ein und er führte mich schnurstracks in das Hotel zurück.

      Neben der Rezeption befand sich eine Tür mit der Aufschrift „Direktor“. Der Fotograf klopfte an und dann betraten wir gemeinsam den Raum, ohne vorher auf ein „Herein“ oder „Ja, bitte“ zu warten. Der Direktor sah uns und erschrak ebenfalls. Er sprang von seinem Bürostuhl auf, bot mir den Platz an und öffnete anschließend die Tür des kleinen Arzneischrankes. Ich musste wirklich schlimm ausgesehen haben! Der Fotograf ließ von meiner Seite ab, verabschiedete sich von uns beiden und bevor er die Tür schloss, entschuldigte er sich in aller Höflichkeit bei mir. Am Ende unseres Urlaubes schenkte er mir als Wiedergutmachung die Bilder. Das fand ich eine sehr nette Geste von ihm. Somit blieb mir der Zwischenfall als Urlaubserinnerung für immer in meinem Gedächtnis, allein durch die Erinnerungsfotos.

      Der Direktor kniete sich mit einem kleinen, braunen Glasfläschchen und mit Wattebällchen bewaffnet, vor mich. Mit einem nassen Waschlappen, den er zuvor mit klarem, kaltem Wasser befeuchtet hatte, reinigte er zuerst meine Wunden. Anschließend träufelte er etwas von der geheimnisvollen Flüssigkeit aus der Glasflasche auf ein Wattebällchen und fing an, diese auf meine offenen Körperstellen zu tupfen. „Bitte nicht erschrecken, das ist Jod. Es könnte gleich etwas brennen“, äußerte er vorwarnend. Das hätte er sich sparen können. Bereits bei der ersten Berührung und noch bevor er den Satz zu Ende gesprochen hatte, hätte ich an die Decke springen können. Etwas brennen? Das war wirklich gutgesagt und mehr als untertrieben! Eher ein Lodern! Dieser Möchtegern-Doktor hatte doch gar keine Ahnung! Es brannte höllisch, im wahrsten Sinne. Als würde ich selbst brennen, unter Flammen stehen. Ich krallte mich an der Armlehne des Stuhles fest und versuchte, vor Schmerzen nicht zu schreien. Das konnte ich unterdrücken, aber nicht die Tränen, die mir in diesen Moment in die Augen schossen. Diese Qualen hörten einfach nicht auf, denn ich war im Besitz von zwei Knien und meine Schienbeine sowie Unterarme und Handflächen hatten auch Verletzungen erlitten, die es ebenfalls zu versorgen galt. Der Direktor beeilte sich und merkte zum Abschluss an, dass ich für die nächsten Tage nicht mehr baden gehen solle. Das Salzwasser des Meeres würde in Berührung mit meinen Wunden ebenfalls brennen, zwar nicht so sehr wie das Jod, aber zum Verspüren von Schmerzen würde es reichen. Super Aussichten!

      Natürlich schenkte ich ihm anfangs keinen Glauben und wollte auf das Baden nicht verzichten. Somit wagte ich mich bereits am nächsten Tag in das offene Meer und wurde sofort eines Besseren belehrt. Zwei Wochen nach Beendigung des Urlaubs waren meine Wunden verheilt und ich war um eine Erfahrung reicher. Nein, eigentlich um Drei. Eine Erfahrung war, sich nicht auf solche Hotelfotografen einzulassen. Das Legen auf schmierige und glitschige Steine sollte ich zukünftig meiden. Die Wichtigste überhaupt: Das Hören auf einen Hoteldirektor oder generell auf ältere und erfahrenere Menschen.

      Mein Gepäck hatte der Page vor eins der Betten abgestellt. Auf dem Schreibtisch befand sich ein DIN-A4-Blatt mit der Aufschrift „Liebe Urlauberin, wir freuen uns, Sie in ihrem wohlverdienten Urlaub begrüßen zu dürfen! Genießen Sie die Zeit der Ruhe und der Erholung und lassen Sie Ihre Seele baumeln! Lernen Sie neue Länder, Menschen und Kulturen kennen, denn die kostbare Zeit des Jahres bleibt der Urlaub! Es grüßt Sie Ihr Team des Reisebüros.“ Das war eine nette Geste, über welche ich mir sehr freute. Manchmal sind es eben doch die kleinen Dinge, die das Leben lebenswerter und schöner machen.

      Trotz des Hinweises des Pagen, dass es ohne die dunklen, wuchtigen Vorhänge rasch schnell warm in dem Zimmer werden konnte, ließ ich diese auf. Gegen Wärme hatte ich so rein gar nichts. Ich war schließlich im Urlaub, im Süden und da war ich auf Temperaturen jenseits der Zwanzig- Grad-Marke eingestellt. Außerdem wollte ich regelrecht schwitzen, statt zu frieren.

      Einen großartigen Ausblick hatte ich von meinem Hotelzimmer. Direkt auf den großzügig angelegten Hotelgarten inklusive der Minigolfanlage und des Tennisplatzes, der großen Wiese, den zahlreichen Palmen, den grünen Hecken und den Blühpflanzen. Nicht zu vergessen, direkter Sichtkontakt zum Flughafenterminal. Das lange, weiße Gebäude samt Tower. Bei der Entfernung gut sichtbar. Geschätzte Luftlinie hundert Meter. Gespannt war ich auf den Geräuschpegel, wenn die Flugzeuge starteten und landeten und hoffte, dass die Schallwellen Erbarmen mit mir haben. Im Laufe des Urlaubs hörte ich davon kein einziges Geräusch.

      Am Ende des Horizonts erstreckte sich eine karge Sand- und Kieslandschaft, welche an das Azurblau des Himmels grenzte. Der Blick auf das Meer war mir verwehrt, hatte jedoch den Vorteil der Windstille. Die Winde, die vom Ozean kamen, prallten an der anderen Hotelseite ab und so spürte ich keinen einzigen Lufthauch. Lediglich den der Klimaanlage in meinem Zimmer.

      Ich lehnte mich an die weiße Brüstung meines kleinen Balkons, auf dem sich zwei weiße Plastikstühle und ein kleiner, weißer Klapptisch befanden. Nichts Besonderes, aber durchaus ausreichend. „Hier werde ich mir in den nächsten Tagen ein Glas Rotwein oder ein Glas Bier schmecken lassen und es mir gemütlich machen“, dachte ich.

      Der Blick auf die Uhr