Anne Wunderlich

Urlaub - jetzt komm ich!


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auf das Wiedersehen mit Michael.

      1. Tag

      1. Tag Mein Koffer war gepackt und der Rucksack sehr gut gefüllt. Obwohl das Reiseziel im Warmen lag, hatte ich allerhand Klamotten eingepackt. Vom Bikini über Sportsachen, schicke Abendgarderobe, bis hin zum Pullover und lange Jeans. Man weiß ja nie, wie die Temperaturen sind und was ich zum Anziehen benötige. Dementsprechend packte ich auch reichlich Schuhe in den Koffer ein, denn viele Anziehsachen bedeuteten viele Schuhe. Für jeden Anlass das passende Outfit, so lautete meine Devise. In meinem Rucksack hingegen befand sich mehr oder weniger Freizeitbeschäftigung. Ein Buch, eine Rätselzeitung und eine Illustrierte mit dem neuesten Klatsch und Tratsch, aber auch Notwendiges wie mein Portemonnaie, das Handy, die Digitalkamera und die entsprechenden Ladekabel. So war ich gut gewappnet. Im Normalfall gehörte ich zu der Sorte, die ein Handy nicht mit in den Urlaub nehmen oder ins Kino, auch nicht in ein Fitnessstudio oder sonst irgendwo hin, aber da ich diesmal ganz alleine unterwegs war, bestand Michael darauf, dass ich es einpacke. „Falls doch mal irgendetwas mit dir ist, kannst du sofort anrufen oder eine Nachricht schicken. Außerdem bist du für mich erreichbar.“ Sicher ist sicher. Dennoch nahm ich mir vor, mein Mobiltelefon ausgeschaltet und gut verwahrt im Safe des Zimmers zu lassen. Immerhin wollte ich meine Ruhe haben und abschalten.

      „Sobald du angekommen bist, meldest du dich bei mir, ja!?“, redete Michael mir ins Gewissen, als wir vor der großen Drehtür des Abreiseterminals am Flughafen standen. Ich nickte und dann fielen wir uns zum Abschied in die Arme. Ein leidenschaftlicher Kuss folgte.

      Michael wollte mich nicht in das Gebäude begleiten. Abschiednehmen, auch nur für eine kurze Zeit, war generell nichts für ihn und versuchte es weitestgehend zu vermeiden. Obwohl er ein Gefühlsmensch ist, war er dafür einfach nicht geschaffen oder gerade deswegen. Es erinnerte ihn immer so an Trennung und damit verbundenen Schmerz. Ein lang gehütetes Kindheitstrauma, wie ich vermutete oder er wollte als Mann mir gegenüber einfach keine Schwäche mit einem vermeidlichen Tränenausbruch zeigen.

      Ich war ihm nicht böse. Ich besaß die Gewissheit, dass er mich ungern alleine gehen ließ und mich sehr vermissen würde, auch wenn er es in der Situation nicht zugegeben und sagen konnte.

      „Ich liebe dich Michael“, flüsterte ich ihm ins Ohr.

      „Und ich dich, wie verrückt. Pass gut auf dich auf, hörst du Lena?“, erwiderte er.

      Er machte sich große Sorgen um mich. Das fand ich niedlich. Vor Rührung schossen mir die Tränen in die Augen. Eine letzte Umarmung, dann wurde es auch schon Zeit. Um nicht den alten Lederkoffer meiner Eltern, den ich für die Reise als Meinen bezeichnet durfte, durch das große Flughafenterminal schleppen zu müssen, hievte Michael diesen sowie den Rucksack auf einen der Gepäckwagen. Dieses große braune Rechteck verfügte zwar über Räder, so dass ich diesen bequem hinter mir herziehen konnte, jedoch spürte ich bei jeder Berührung des Leders den Inhalt des Koffers. Jeder Absatz meiner Schuhe verwandelte sich in einen Dolch, die Ecken der Kosmetiktasche zu Nadelspitzen, welche lediglich von meiner langen Jeans abgehalten worden, sich direkt in meinen Beinen zu verewigen. Nicht nur blaue Flecke wären jetzt garantiert!

      „Warum genau kaufte ich mir bislang noch keinen Hartschalenkoffer mit Rädern? Wer behauptete bislang, dies rentiere sich nicht? Richtig, ich vergaß, ich selbst!“. Wie sehr ich das in diesem Moment bereute! Zum Glück gab es Gepäckwagen. Ich danke dem Erfinder!

      Ein letzter Kuss und dann stieg Michael in sein Auto ein. „Ich wünsche dir viel Spaß und erhole dich, mein Schatz“, rief er mir noch zu, bevor die Autotür ins Schloss fiel. Er startete den Motor und dann brauste er rasant davon. Wäre heute im Radio ein Gewinnspiel ausgerufen worden, nach dem Motto „Wer fährt am schnellsten von dem Flughafengelände? Derjenige bekommt fünfhundert Euro geschenkt, cash auf die Hand“, hätte er den Gewinn schon mal sicher gehabt. Wie bereits erwähnt, Abschiede waren einfach nichts für Michael und schon gar nicht von seiner Freundin. Durch die Heckscheibe sah ich ihn noch winken und dann hupte er kurz, bevor er um die Kurve vor und aus meiner Sichtweite verschwand.

      1. Tag - Flughafen

      Da stand ich nun, in der einen Hand mein Flugticket, in der anderen umklammerte ich den Griff des Kofferwagens. Ich, eine junge Frau, allein, vor dem riesigen Gebäude auf weiter Flur. Erneut überkam mich ein kurzer Zweifel. Hatte ich den richtigen Entschluss getroffen? Sollte ich tatsächlich alleine verreisen? Und dann auch noch ins Ausland? Ich hoffte, ich hatte mir das gut überlegt und das alles gut ginge. „Nein, das war eine gute Entscheidung.“ Schnell schob ich die schlechten Gedanken beiseite und meine Vorfreude auf diese Reise hielt wieder Einzug. „Ab in den Süden“, dachte ich. Jetzt begann MEIN Urlaub.

      Staunend und beeindruckt von der großen Flughafenhalle bewegte ich mich auf der Rolltreppe Richtung der Schlange am Check-in-Schalter zu. Kurz zuvor musste ich meinen ach so nützlichen Kofferwagen abstellen, schnallte mir somit meinen Rucksack auf den Rücken und hievte und zerrte den Koffer über den Fliesenboden des Gebäudes und reihte mich in die endlos lange Warteschlange ein.

      Mein Gepäck fand neben mir Platz, darauf meine Jacke, das Flugticket und alle weiteren Papiere, die später von der Dame am Schalter benötigt wurden. Nun war Warten angesagt und Geduld haben.

      Ich schaute mich um. Genügend Zeit dazu blieb immerhin. In der Schlange hatten sich zahlreiche ältere und jüngere Pärchen sowie Familien eingereiht, die mehr oder weniger ausdauernd auf den Beginn ihres bevorstehenden Urlaubs warteten. „Ich glaube, ich bin die Einzige, die alleine reist“, dachte ich. „Oder ich bin im falschen Komplex?“ Im Businessterminal wäre ich unter den zahlreichen Geschäftsleuten gar nicht aufgefallen, aber hier im Urlaubsterminal erntete ich bereits jetzt schon die ersten seltsamen Blicke. Während ich versuchte, mich mit Lesen der Anzeigetafel abzulenken, rückte die Schlange und somit auch ich, hin und wieder tatsächlich und exakt einen Millimeter vor. Dabei stellte ich immer deutlicher fest, wie ich von den anderen Passagieren mit kritischen und abwertenden Blicken begutachtet und gemustert wurde. Von oben bis unten und wieder zurück. „Oje, das kann ja heiter werden“, dachte ich. „Naja, das Abenteuer beginnt. Mit allen Unannehmlichkeiten.“

      Ich redete mir ein, dass sie wahrscheinlich ganz zufällig in meine Richtung schauten, als ich mich ihnen zuwandte. Somit probierte ich krampfhaft, die Blicke der Anderen zu ignorieren und scannte regelrecht jeden Winkel der Halle mit meinen Augen ab. Irgendwann erschöpfte auch diese Ablenkung. Nun blieb nur noch das Zurückmustern der Fremden. Egal in welche Richtung ich blickte, überall trafen mich Blicke der Mitreisenden. Langsam fühlte ich mich wie ein kleines Mäuschen, welches von hungrigen Katzen mit ausgefahrenen Krallen umkreist wird und angsterfüllt darauf lauert, dass sie alle über das verängstigte, schüchterne Tierchen herfallen. Warum gerade ich? Unwohlsein überkam mich. Ich wurde nervös und hoffte insgeheim, dass mein Deodorant mir die Treue erwies und jetzt nicht versagen würde. Keine Angriffsfläche für die Lästermäuler bieten!

      „Was ist?“, wollte ich am liebsten Herausbrüllen. „Habe ich einen großen Fleck auf meiner Hose, der jedem auffällt, nur mir bislang nicht? Habe ich Schokolade im Gesicht verschmiert oder doch einen Kaugummi im Haar kleben?“ Irgendetwas musste an mir dran sein, was ich bislang nicht bemerkt hatte, aber dem Anschein nach alle Blicke auf mich zog und lenkte. „Stopp! Heute keine Fleischbeschauung!“

      Meine Gegenoffensive scheiterte. Ich versuchte mich wenigstens so zu verhalten, als würde ich die Begutachtungen überhaupt nicht bemerken, doch das funktionierte nicht im Ansatz. Nächste Option, die Suche nach einem neutralen Punkt auf dem Fußboden. Dies glückte, doch ich wusste und sah auch im Blinkwinkel, dass ich die Hauptattraktion in dieser Räumlichkeit war. Die Frau in der Warteschlange nebenan empfand dies offensichtlich auch so. Seit dem Moment ich mich zu den Warteten eingereiht hatte, beobachtete sie mich. Obwohl, beobachten ist nicht das richtige Wort, für das, was sie machte. Sie zog mich schon förmlich aus, so penetrant starrte sie. Es störte mich und das musste ich ihr irgendwie nonverbal begreiflich machen. Es gab keinen Grund, dass ich mich wegen so einer Sonnenbank Gebräunten unwohl fühlte. Nein, ich gab mir einen Ruck, holte tief Luft und starrte sie genauso an, wie sie mich. Fast schon erschrocken reagierte sie, wandte ihren Blick