Waltraud Batz

After the Storm - Kaninchen in Cornwall


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nichts.“ Er stützte das Kinn auf seine Hände und lächelte. Neben seinen Augen bildeten sich kleine Lachfältchen und am liebsten hätte sie sich nach vorn gelehnt und ihn geknutscht, hielt sich aber zurück.

      „Was ist denn?“, fragte sie etwas lauter, musste aber ebenfalls grinsen. Er setzte sich gerade hin, schaute ernst und sagte nur: „Ich finde das gut, dass du Sahne dazu nimmst.“

      „Aha.“

      „Ja.“

      Ein Handyklingeln unterbrach die seltsame Situation. Sam zog ein iPhone aus seiner Jackentasche und schaute konzentriert darauf. Auf der Rückseite der Hülle des Telefons sah Bettina die Großaufnahme einer Kaninchennase. „Sorry, ich muss kurz antworten.“

      „Klar, kein Thema. Ich muss auch kurz gucken“, sagte Bettina und zog nun ebenfalls ihr Telefon hervor.

      Ihre Freundin Annette hatte geschrieben, die kurzentschlossen mitgekommen war nach London. <Wo bist du denn? Ich fahre jetzt noch zum Buckingham Palace und danach ins Hotel. Der Regen ist furchtbar!>. Die Nachricht war zwei Stunden alt. Bettina machte ein überraschtes Geräusch.

      „Probleme?“, fragte Sam.

      „Nein. Meine Freundin schreibt mir. Wir sind zusammen hier in London. Aber sie wollte heute was anderes machen als ich, also haben wir uns getrennt.“

      „Ah.“

      Bettina tippte zurück. <Bin noch an der Themse in einem Café. Ich komme nachher ins Hotel>.

      Die Bedienung kam und brachte die Getränke. Sam und Bettina legten beide zeitgleich die Telefone weg und ihre Hände um die warmen Tassen.

      „Tut gut, hm?“, fragte er.

      „Ja.“

      „Und, wie gefällt dir London?“, fragte Sam und bewegte seinen Teebeutel in der Tasse herum.

      „Gut. Es ist schon beeindruckend.“

      „Bist du das erste Mal hier?“

      „Ja.“ Da er auf weitere Berichte und Meinungen zu warten schien, fasste sie kurz zusammen, was sie von London hielt. Es war eine vielschichtige, interessante Stadt, laut, voll, aber eben auch irre englisch.

      „Irre englisch? Wie meinst du das?“, fragte er mit gerunzelter Stirn, hatte aber schon wieder ein amüsiertes Grinsen im Gesicht.

      „Naja, britisch eben. Wie im Fernsehen. Die Menschen sind … anders als in Deutschland. Alles ist höflicher, gebildeter, ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Ich mag die englische Sprache sehr gern, und ihr habt hier echt viel schönere Sachen als wir in Deutschland. Postkarten, Schreibsachen, Dekozeug und das ganze Design ist anders. Viele Blümchen.“

      „Magst du Blümchen?“

      „Nicht immer. Aber hier finde ich sie sehr passend.“

      Er lachte. „Wie lange bist du noch hier?“

      „Wir sind seit vorgestern hier und bleiben bis Freitag.“

      „Also habt ihr noch zwei volle Tage?“

      „Ja.“

      „M-hm“, machte Sam und hob den Teebeutel aus seiner Tasse. Er legte die Stirn in Falten und sah von seinem Teebeutel zu Bettina. „Weißt du, was lustig ist?“ Er grinste und überführte vier Stück Würfelzucker aus der Zuckerschale auf dem Tisch in seine Tasse. Während er umrührte, schaute er auf Bettinas Kakao und dann sie an.

      Sie überlegte kurz und musste ebenfalls grinsen. „Dass wir Kaffee trinken wollten und jetzt hat jeder was anderes?“

      „Genau.“ Er lachte kurz und herzlich. „Genau das.“ Er sah sie an.

      „Was?“

      Er schloss kurz die Augen. „Vergiss es.“ Sam atmete laut aus. „Und, was habt ihr bisher angeschaut?“

      Bettina rührte den Rest Sahne in ihren Kakao. „Vorgestern waren wir in der Innenstadt bei Harrods und haben eine Stadtrundfahrt gemacht, gestern war ich bei der Harry Potter Studio Tour und heute war eigentlich der Spaziergang geplant, den ich jetzt allein gemacht habe. Aber Annette wollte nicht, weil ihr das Wetter zu schlecht war und sie wollte lieber ein Museum besuchen. Also haben wir uns nach dem Frühstück getrennt.“

      „Ist sie nicht wasserfest?“, fragte Sam. Bettina hatte gerade ihre Tasse zum Trinken angesetzt und konnte gerade noch so vermeiden, in den Kakao zu prusten.

      „Sorry“, sagte Sam.

      „Nein, sie ist nicht wasserfest. Seit wir in Heathrow gelandet sind, schimpft sie auf das Wetter.“

      „Lass mich raten, sie fährt sonst lieber in südliche Länder.“

      „Meistens ja.“

      Sam sagte ‚Hab ich’s doch gewusst’, ohne es laut auszusprechen. Kopfhaltung, Mimik und Augenbrauen übernahmen das in perfekter und vollendeter Form für ihn.

      Beide tranken in Ruhe ihre Getränke weiter und es wurde ruhig am Tisch. „Und du magst die Serie?“, fragte Sam schließlich.

      „Ja. Auf jeden Fall. Wirklich gut.“

      „Wen magst du am liebsten?“

      ‚Dich’, hätte sie am liebsten gesagt, aber traute sich nicht. „Joe“, sagte sie, was der erstgeplanten Variante sehr nah kam.

      „Oh“, machte Sam nur. „Freut mich. Schön. Warum?“

      „Äh …“

      „Ich meine nur … sonst sind es immer Jerry und Noah. Sogar Stan ist beliebter als Joe. Stan! Unser Sonderling! Joe ist ein Arsch.“ Er grinste.

      „Nein, er ist kein Arsch. Er hat seine Prinzipien.“

      „Ja, das schon. Aber die sind schon etwas verschoben von dem, was man als normal bezeichnen würde.“

      „Ist ja auch keine normale Situation.“

      Sam sah sie an. „Da muss ich dir recht geben. Trotzdem ist Joe kein angenehmer Zeitgenosse. Hitzköpfig, unüberlegt, mit Hang zur Gewalt. Aber du hast recht. Ich wollte in so einer Zeit nicht leben.“

      „Ich auch nicht. Aber es ist wirklich toll gemacht und ich finde es auch sehr realistisch. Es könnte so sein oder kommen oder wie auch immer.“ ‚After the Storm’ war eine erschreckend realistische, etwas düstere Serie mit apokalyptischen Zügen, in der der Fokus auf verschiedene Personen gelegt wurde, die versuchten, mit der Situation zurechtzukommen. Sie spielte ein paar Jahre in der Zukunft.

      Sam trank einen Schluck Tee und stellte seine Tasse wieder ab. „Ja. Dass die Wirtschaft zusammenbricht, die Politik versagt und es Chaos und Tumulte gibt, das durchaus. Die Energiekrise auch. Ob es wirklich so endzeitmäßig mit einem Touch von Wild West wird, bleibt abzuwarten. Aber allein der politische Aspekt … das hat Terry schon genial gezeichnet.“

      „Auf jeden Fall. Ist es schwierig, mit ihm zu arbeiten?“, fragte Bettina.

      „Mit wem? Mit Terry?“

      „Ja.“

      Terry Bosworth war der Produzent und das Genie hinter dieser und auch zwei anderen britischen Serien, die weltweit großen Anklang gefunden hatten. Er war als etwas despotisch verschrien, aber der Erfolg gab ihm recht. Nicht jeder konnte oder wollte mit ihm arbeiten und es flogen oft die Fetzen zwischen ihm, den Fernsehsendern und den Schauspielern oder anderen Beteiligten, aber in der Regel, so reimte Bettina sich das aus den Internetmeldungen zusammen, blieb er seinen Prinzipien treu und war fair zu den Beteiligten. Aber er diskutierte seine Meinung auch aus, wobei eher die Gegenseite den Kürzeren zog.

      „Hm.“ Sam dachte nach und schaute nach schräg oben. „Nein. Er weiß, was er will und wie er es will und er ist richtig gut in dem, was er tut. Ich habe keine Probleme mit ihm. Ich mag ihn, wir kommen auch privat gut miteinander aus. Er ist der Chef, es ist seine Serie. Man macht, was er sagt. Aber wenn man mal ein Problem