Waltraud Batz

After the Storm - Kaninchen in Cornwall


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sah zu ihr hinüber. „Ich kenne ihn erst seit gestern. Ich bin aus Deutschland und hier im Urlaub. Wir haben uns zufällig an der Themse getroffen und er hat mich eingeladen, weil ich die Serie sehr mag.“

      Nancy machte ein überraschtes Geräusch. „Einfach so?“

      „Ja.“

      „Du bist also Fan der Serie?“

      „Ja.“

      „Oh.“

      „Ist das ein Problem?“

      Nancy zuckte mit den Schultern. „Nein, ich denke nicht. Nein. Aber es wundert mich eben.“

      „Ich finde es auch seltsam.“

      Nancy lachte, aber es klang etwas aufgesetzt. Der nächste Anrufer klingelte nun durch, es war erneut Terry, der ziemlich sauer klang, weil etwas mit einem Zelt nicht funktionierte. Nancy telefonierte daraufhin mit zwei Leuten, beide Verbindungen waren wirklich schlecht und sie schrie das halbe Auto zusammen.

      Nach einer weiteren Stunde auf sich durch eine Hügellandschaft voller Schafe windenden Landstraßen kamen sie am Drehort an. Nancy wurde von einem Sicherheitsposten durchgewunken und bekam von einem Mann in Regenkleidung und Signalweste einen Parkplatz zugewiesen. Bettina war froh, sich so wettertauglich wie möglich angezogen zu haben, aber Nancy schob sie trotzdem erst einmal zu einem LKW, bei dem sie von einer kleinen, runden Frau eine richtig feste Regenjacke und auch eine Regenhose zugeteilt bekam.

      „So, dann komm mal mit“, sagte Nancy und Bettina folgte ihr über einen Trampelpfad zu einer Ansammlung von raumhohen Zelten inmitten einer großen Wiese. Nancy selbst erschien viel zu ordentlich angezogen für eine Umgebung wie diese.

      „Was ein verdammtes Mistwetter für den Dreh“, fluchte sie laut, als sie sich unter dem großen, schmutzigweißen Zelt die Kapuze vom Kopf schob.

      „Allerdings“, sagte ein großer, breiter Mann mit schwindender Haarpracht, der an einem Klapptisch saß und mit drei anderen Männern diskutiert hatte, die um ihn herum standen.

      „Hi, ich bin Terry“, stellte er sich vor und schüttelte Bettina die Hand über seinen Laptop hinweg.

      „Bettina.“

      Terry zog die Stirn in Falten und betrachtete Bettina von oben nach unten. „Aha. Ja, schön. Moment. Nancy? Nancy!“ Seine Stimme wurde lauter und klang fordernd. Die Angesprochene reagierte nicht, sie war mit dem Aufbau eines Campingstuhls und eines Klapptisches in der gegenüberliegenden Zeltecke beschäftigt. Terry stöhnte genervt, wühlte in einem großen Pilotenkoffer und gab Bettina einen eng bedruckten Zettel und einen Kugelschreiber. „Lies das und unterschreibe es. Das ist eine Verschwiegenheitserklärung. Das ist wichtig.“

      Bettina nahm beides entgegen und begann, es im Stehen durchzulesen.

      „Hi“, hörte sie plötzlich von links und schaute hinüber. Sam kam unter das Zelt, in der Hand einen dampfenden Plastikbecher. Sam hatte einen fürchterlich aussehenden, nassen, mehrere Nummern zu großen Parka undefinierbarer Farbe an, darunter dunkelbraune Cargohosen und ein halboffenes Jeanshemd, an seinem Gürtel hing Munition und eine Waffe steckte in einem Holster an seinem Oberschenkel. Es war eher Joe als Sam.

      „Ich würde dich ja zur Begrüßung umarmen, aber das ist gerade ungünstig“, sagte er und zeigte an sich hoch und runter. Stattdessen schüttelte er Bettina freundlich die Hand. „Hat also geklappt, prima.“ Er lächelte und Bettina hatte den Eindruck, dass er sich wirklich darüber freute, sie zu sehen.

      „Ja.“

      „Sam, wir brauchen dich gleich unten“, schrie ein großer Mann mit schwarzem Vollbart unter das Zelt, sprach etwas in ein Funkgerät und verschwand gleich wieder.

      „Ich muss weg, viel Spaß“, sagte Sam und folgte dem Mann.

      Bettina las die Verschwiegenheitserklärung weiter durch. Sie gab Terry das unterschriebene Dokument wieder zurück. Er schaute sie irritiert und nicht gerade freundlich an. „Was?“, fragte er gereizt.

      „Die Verschwiegenheitserklärung. Die sollte ich unterschreiben.“

      „Ja, und? Was soll ich jetzt hier damit?“, fragte er und funkelte sie böse an. Seine drei Beisitzer hielten die Luft an.

      „Du hast sie mir gegeben, also dachte ich, du willst sie auch zurück haben.“

      Terry schnaubte und sah Bettina durchdringend an. Sie schaute zurück. Und verstand, warum einige nicht mit ihm arbeiten konnten oder wollten. Wenn Blicke töten könnten, wäre sie jetzt schon längst im Jenseits. Aber sie hielt seinem Blick stand. Er legte seinen Kopf schräg, unterbrach den Blickkontakt und nickte. „Nancy!“

      Er griff nach dem Zettel und hielt ihn in Richtung Nancy, die herbeigeeilt kam und ihn wegtrug zu ihrem Tisch, an dem sie sich gerade häuslich einrichtet hatte.

      „Was denn jetzt noch?“, fragte Terry Bettina und sah sie herausfordernd an.

      „Sorry, ich bin das erste Mal an einem Drehort. Gibt es noch irgendwas, das ich beachten muss?“

      „Steh nicht im Weg rum und sei leise. Nebenan gibt’s Kaffee und später Catering. Die Klos sind hinter dem Nachbarzelt. Und jetzt lass uns hier bitte weitermachen.“

      „Danke.“

      Terry nickte abschließend und konzentrierte sich wieder auf seinen Monitor. Bettina wusste zwar immer noch nicht, wohin sie nun gehen sollte, ohne zu stören, oder wo gerade etwas Interessantes passierte, aber dieses Problem löste sich von allein.

      „Hey, bist du unser Besuch?“, fragte eine sehr große, dünne Gestalt mit quietschgelben Regenklamotten und bis über die Knöchel verdreckten Armeestiefeln.

      „Ja, ich bin Bettina, hallo.“

      Der Mann schob seine Kapuze zurück und Bettina erkannte ihn. Es war Robert, der in der Serie Stanley, den Sonderling, spielte. Robert war Ire, sehr groß und dürr, hatte wirr gelockte, fast orangene Haare und schiefe Zähne. Er sah aus wie eine Mischung aus E.T. und Sid, dem Faultier aus Ice Age. Robert kugelte Bettina beim Begrüßen fast den Arm aus, aber er schien über ihren Besuch hier wirklich erfreut zu sein. „Ich bin Robbie. Kennst du die Serie?“

      „Ja, ich mag die Serie echt gern.“

      „Das ist schön, ich auch! Und warum bist du hier?“

      „Sam hat mich eingeladen.“

      „Oh, oh, schön! Ja, das hat er schon gesagt.“

      „Robbie, könntet ihr bitte draußen weiterdiskutieren?“, rief Terry herüber.

      „Ja, Boss, klar, Boss. Na, komm mit.“ Robbie zog sich die Kapuze wieder ins Gesicht und trat nach draußen in den Regen. Bettina tat es ihm gleich und folgte ihm.

      „Da drüben haben Sam, Neal und Jake grad eine Szene zusammen, wollen wir zuschauen gehen?“

      „Klar, gern. Das ist echt aufregend hier.“

      Robbie lachte. „Ja, Außendrehs sind schon spannend. Haben wir ja oft, aber eher auf Studiogelände oder nicht ganz so schwierig wie hier. Aber das wird echt toll. Gut, dass wir Regenklamotten haben.“

      Sie liefen einen schmalen, matschigen Pfad entlang in Richtung eines kleinen Abhangs. In einer Senke stand eine halbverfallene Holzhütte, daneben einige Leute in Outdoor- und Regenkleidung. Bettina und Robbie kamen näher heran und blieben zwischen den anderen Zuschauern stehen, die den Dreh hier aus einigen Metern Entfernung beobachteten.

      Sam, Jake und Neal oder eher gesagt Joe, Jerry und Noah, standen umringt von einigen Drehteammitgliedern neben der Hütte, ohne Regenkleidung oder Jacken, und alle drei waren ziemlich verdreckt. Einige Leute schoben an ihren Haaren oder ihrer Kleindung herum. Bettina sah sich um, es war für sie wirklich faszinierend, die Dreharbeiten zu ihrer Lieblingsserie zu sehen. Und auch das ganze Drumherum.

      „So, dann mal los! Phil, Howie, ist alles klar bei euch?“