Waltraud Batz

After the Storm - Kaninchen in Cornwall


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und sein rechtes Auge öffnete sich einen Tick weiter.

      „Du weißt genau, was ich meine.“

      „Nein.“ Sams Gesichtsausdruck wechselte von ‚Ja, ich weiß es’ zu ‚Ich sag’s aber nicht’. Er stützte seine Ellbogen auf dem Tisch ab, verschränkte die Finger und legte das Kinn darauf. Dann rieb er kurz seine Schläfen. „Komm, wir räumen hier ab.“

      Bettina saß neben Sam auf dem Sofa, die Füße bequem hochgelegt. Er hatte sich eine Sofadecke genommen und ihr auch eine gegeben. Die Decke war dunkelblau gemustert, sehr weich und roch seltsam vertraut und gemütlich. Das Feuer im Kamin brannte und war um Längen interessanter als das Fernsehprogramm schräg daneben. Beide hatten nach dem Essen noch eine heiße Schokolade getrunken und wurden nun langsam schläfrig. Sam war bisher nicht mehr auf die Frage nach dem Warum eingegangen und Bettina hatte auch nicht weitergebohrt. Sie hatten sich nett unterhalten, über London, England, das britische Fernsehen und wie Sam die Wohnung einer fast hundertjährigen, aktmalenden Perserkatzenzüchterin abgekauft hatte.

      Sein Handy blinkte und er griff seufzend danach. Er hielt es in der Hand und sah zu Bettina. „Ich möchte gern, dass du weißt, dass ich das als unhöflich empfinde, im Beisein von Gästen ständig auf das Telefon zu schauen … aber es kann jederzeit sein, dass sich Terrys Pläne ändern und er erwartet auch, dass man erreichbar ist. Da er quasi mein Boss ist, muss ich leider immer online sein.“

      „Schon gut, klar, verstehe ich.“

      „Gut.“ Sam drehte das Telefon um und schaute drauf. „Hm“, machte er. Es war ein halbfragendes Hm.

      „Ist das ein gutes Hm oder ein schlechtes Hm?“, fragte sie.

      „Das weiß ich noch nicht. Er schreibt, er wird morgen mit Jake und Neal sprechen, es kommt sogar jemand vom Sender dazu.“

      „Ist das unüblich?“

      Sam sah zu ihr. „Ja, jein, ja, doch. Normalerweise löst Terry seine Probleme selbst. Ich kenne die genauen Hintergründe nicht, aber eine Aussprache ist dringend nötig und ich halte es für keine schlechte Idee, dass da eine neutrale Person vom Sender dabei ist.“

      „Und wenn es nicht gut ausgeht?“

      „Tja.“ Sam atmete durch und setzte sich etwas aufrechter hin. Er kam dadurch ein paar Zentimeter näher. „Das ist die Frage. Beide haben einen bestehenden Vertrag für die gesamte Staffel. Den müssen sie schon erfüllen, sonst wird es teuer. Aber danach, keine Ahnung. Könnte in einem Super-Gau enden. Im besten Fall muss Terry nur die ganze restliche Serie umschreiben.“

      Das Handy blinkte erneut und Sam las. Er lachte auf einmal laut los und hielt Bettina das Telefon hin. Die letzte Nachricht von Terry, der als Nutzername mit „Bossy“ benannt war, lautete <Am besten erschießt Joe sie einfach beide, dann bin ich zwei Probleme auf einmal los>.

      „Bossy?“, fragte Bettina.

      „Ja. Terry Bosworth. Haha. Oh, ich liebe es … nicht.“

      „Wäre aber eine Lösung.“

      Sam schaute zu ihr herüber. „Ja, das schon. Aber dann hassen die Fans mich noch mehr.“

      „Die hassen dich doch nicht.“

      „Hassen ist zu viel gesagt. Aber Joe ist nicht gerade der Liebling der Zuschauer.“

      „Ich mag ihn. Kann ich ihn mal ausleihen, um meinen früheren Chef und meinen Ex-Freund aus dem Weg zu räumen?“

      Sam hob die Schultern an, dachte kurz mit schräggelegtem Kopf nach und sagte dann: „Ich frage ihn, wenn ich ihn das nächste Mal sehe. Ich sag dir Bescheid.“

      „Danke.“

      „Gern.“ Sam lächelte breit und tippte etwas in sein Handy. Dann legte er es mit dem Display nach unten neben sich.

      „Schöne Hülle.“ Bettina spielte auf die Kaninchennase in Großaufnahme an, die die Rückseite seines Telefons zierte. Er nahm es hoch und schaute drauf. „Ja, das ist Alfred.“

      „Alfred?“

      „Ja. Einer unserer Besten.“

      „Eurer … besten was?“

      „Kaninchen. Alfred ist einer unserer Besten. Er hat Ausstellungen gewonnen. Ah, warte.“

      Sam angelte eine Zeitschrift vom Beistelltisch neben dem Sofa. Er blätterte darin und hielt Bettina eine Seite hin. Es war laut Überschrift der Bericht einer Kaninchenausstellung, auf dem Bild sah sie einen älteren Mann mit Schirmmütze und einem großen, schwarzen Kaninchen auf dem Arm, daneben stand ein weiterer Mann und hielt einen Pokal. Sam tippte auf den Mann, der das Kaninchen hielt. „Das ist mein Dad.“ Danach zeigte er auf das Kaninchen. „Und das, das ist Alfred.“

      „Du züchtest Kaninchen?“

      „Ja, mit meinem Vater zusammen. Aber zu Hause.“

      „Echt jetzt?“

      „Ja.“ Er lachte. „Auch Joe hat Hobbys.“

      „Ja, aber … egal. Ich freue mich für dich, dass Alfred so ein toller Kerl ist.“

      „Oh ja, das ist er.“ Sam grinste breit und freute sich sichtlich über Bettinas Verwirrung. Dann wurde er ernster. „Du hast gestern gesagt, du wolltest zu Hause raus. Alles ok bei dir? Job gewechselt sagtest du? Ex-Freund? Klingt nach Veränderung auf voller Front?“ Sam sah interessiert zu ihr herüber und wartete geduldig. „Du … musst nicht darüber reden, aber wenn du willst, ich würde zuhören.“

      Seine Worte trafen Bettina mitten ins Herz. Sie hatte sich gerade halbwegs beruhigt, darüber, dass sie hier auf seinem Sofa saß und jetzt war er auch noch so … nett. Und völlig normal. Und freundlich. Was die Frage nach dem Warum erneut hochkommen ließ. Die spontane Einladung ins Café gestern war schon ungewöhnlich genug gewesen. Er traf doch sicher oft Fans auf der Straße, mit denen er einige Worte wechselte. Unter den Fans war eine Reise nach London und ein Erkunden der erreichbaren und bekannten Drehorte der Serie schon fast ein Muss. Sam und auch die anderen Darsteller tauchten immer mal in den Internetforen und Facebookgruppen auf Fanfotos auf, aber nie hatte sie davon gehört, dass sie gemeinsam irgendwo Kaffee getrunken hätten, auch keinen Minztee oder Kakao und schon gar nicht waren sie zum Besuch des Sets oder, noch absurder, zu einem der Darsteller nach Hause zum Spaghettiessen eingeladen worden. Warum hatte Sam das also getan?

      „Hm?“, machte es neben ihr. Sie löste sich aus ihrer Gedankenwelt und kam ins Hier und Jetzt zurück, in dem Sam neben ihr auf der Couch saß, gefühlt wieder einige Zentimeter näher, und sie offen und fragend ansah.

      „Danke, Sam. Ich weiß nicht. Es gibt nicht so viel darüber zu sagen.“

      „Du möchtest nicht darüber reden?“

      „Nein, momentan nicht.“

      „Das ist völlig okay.“

      „Sam, was passiert hier?“

      „Was meinst du?“

      „Du weißt genau, was ich meine.“

      Sams Mundwinkel zuckten und er bekam seine charakteristischen zwei kleinen Falten zwischen den Augenbrauen. Er atmete durch und starrte ins Feuer. „Ich weiß es selbst nicht.“ Er klang fast schon verzweifelt. Er schluckte und sah wieder zu ihr herüber. „Ich weiß es wirklich nicht.“

      Sie ließ ihn in Ruhe, ihr war warm und kalt gleichzeitig und ein Klumpen an Ungewissheit und Peinlichkeit entstand in ihrem Magen. Sie wäre gern weggerannt, aber das wäre nur noch peinlicher gewesen. Also blieb sie sitzen und starrte ins Feuer.

      Als sie wieder aufwachte, war es um sie herum warm, weich und gemütlich. Es roch gut und im Hintergrund hörte sie irgendwelche Geräusche, wie von einem Fernseher oder Radio. Sie nahm englische Sprachfetzen wahr. Ach so, ja, sie war ja im Urlaub, in London. Wahrscheinlich hatte Annette den Fernseher im Hotelzimmer