Waltraud Batz

After the Storm - Kaninchen in Cornwall


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hinüber zum Café.

      Sie sah Sam schon warten, als sie um die Ecke in den Fußweg entlang der Themse einbog. Er sah sie auch und wartete lächelnd, bis sie auf Kommunikationsreichweite herangekommen war. Das flaue Gefühl in Bettinas Magen war umgehend wieder da. Ihr wurde warm und kalt gleichzeitig. Das Wort ‚verliebt’ klang nach wie vor absurd und falsch an dieser Stelle, aber ein Besseres hatte Bettina nicht. Sam begrüßte sie mit einem freundlichen „Hi“ und diesmal kam sie auch um eine Umarmung nicht herum. Sie drückten sich kurz, es war eine nette Begrüßung und gar nicht peinlich oder irgendwie komisch, wie Bettina befürchtet hatte. „Willkommen zurück in London. Wie geht’s dir?“, fragte Sam.

      „Ganz gut, und selbst?“

      Er wägte ab und ein Mundwinkel zuckte. „Auch ganz okay. Lass uns reingehen, da drüben die Beiden gucken schon die ganze Zeit.“

      Bettina folgte ihm ins Café. Die zwei jungen Frauen, die ein paar Meter entfernt gestanden hatten, setzten sich ebenfalls in Bewegung. Fans wahrscheinlich. Sam ließ wie im Februar auch Bettina den Vortritt bei der Eingangstür und der Kellnerin sagte er, dass sie gern den Notausgang benutzen würden. Diese grinste nur und Bettina folgte Sam durch den hinteren Gastraum und über einen Hof durch ein kleines Gartentor auf einen Fußweg zwischen den Gebäuden.

      „Wir gehen besser woanders hin.“ Sam lief los, Bettina folgte und bereits zwei Straßenecken weiter hielt er ihr die Tür eines weiteren Cafés auf.

      „Im Mai ist es etwas schwieriger, in Ruhe Kaffee zu trinken“, sagte er entschuldigend und bestellte bei der Kellnerin seinen Minztee und für Bettina gleich eine heiße Schokolade mit Sahne.

      „Das nervt bestimmt“, sagte sie.

      „Ja, schon, aber es gehört eben dazu. Erzähl, was bringt dich her?“

      „Eine Freundin von mir hat eine Kurzreise nach London gewonnen, aber ist vorgestern krank geworden und hat mir den Reisegutschein geschenkt. War alles schon gebucht.“

      „Oh, cool“, sagte Sam. „Wie lange bist du hier?“

      „Bis Mittwochabend.“

      Sam bekam seine nachdenklichen zwei kleinen Falten zwischen den Augen. Dann schaute er sie an, sagte aber nichts.

      „Was?“, fragte sie.

      „Ich denke nach, gib mir einen Moment.“ Sam dachte weiter nach und sah immer wieder zwischen Bettina und seinem Tee, der mittlerweile gekommen war, hin und her. Bettina löffelte derweil die Sahne von ihrem Kakao. Sie fand, Sam sah gestresst aus, hatte Ringe unter den Augen und wirkte allgemein unruhig.

      Anscheinend hatte er nun fertig nachgedacht und richtete sich auf. „Ich brauche Deine Hilfe.“

      Bettina stutzte. „Aha. Wobei?“

      Sam atmete laut aus. Seine Mundwinkel zuckten nervös und er sah aus, als ob er am liebsten weglaufen würde. „Es ist kompliziert. Und ich weiß nicht … eigentlich ist es eine echt blöde Idee. Das kann ich nicht machen. Vergiss es.“

      „Was ist es denn?“ Bettina wurde nun neugierig. „Das ist gemein, es nur anzudeuten und dann nicht zu sagen.“

      Sam seufzte und kratzte sich im Nacken. Sein Telefon klingelte. „Meine Mutter“, sagte er. „Ich muss kurz rangehen, sorry, Familiendrama.“

      „Klar“, sagte Bettina nur. Sie wunderte sich erneut, in was sie da hineingeraten war und lauschte dem Telefonat. Sam war genervt, ungeduldig und auch verlegen, so viel konnte sie definitiv sagen.

      „Ja, Mutter“, sagte er nun und verdrehte die Augen. „Ja, ich weiß.“ Er hob den Teebeutel aus der Tasse und balancierte ihn in den kleinen Tischmülleimer, den Bettina ihm aufhielt. Sie bekam dafür ein Augenbrauenheben und ein liebes Lächeln, das sofort wieder einfror, als er seiner Mutter antwortete. „Nein. Ich bin gerade in einem Café. Nein, nicht allein.“ Er rollte mit den Augen. „Ja.“ Er klang genervt und sein Gesichtsausdruck glich dem Joes kurz bevor er jemanden zusammenschlug. „Was? Warum? Nein!“ Er hatte die Augen aufgerissen und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Nein hab ich gesagt! Was soll das? Was willst du denn damit sagen?“ Er sank in sich zusammen und hielt Bettina das Telefon hin. „Meine Mutter möchte mit dir sprechen.“

      „Mit mir?“ Bettina starrte mit aufgerissenen Augen auf das Telefon, auf dessen Display ‚Home’ stand. Untendrunter zählte die Gesprächszeit hoch. „Hallooh?“, krähte es aus dem Lautsprecher. Bettina nahm das Telefon. „Hallo?“, fragte sie zurück.

      „Oh, hallo, bist du die neue Freundin von Samuel?“, fragte eine ältere Frauenstimme in hochkorrektem, britischem Englisch.

      „Ähm, nein, wir trinken hier nur einen Kaffee zusammen.“

      „Samuel trinkt keinen Kaffee.“

      Bettina sah Sam an, der aussah, als ob er eine bittere Medizin geschluckt hatte.

      „Ja, er hat einen Tee.“

      „Ich kenne meinen Sohn doch“, sagte die Frau entrüstet. „Wie heißt du denn?“

      „Bettina.“

      „Das ist aber kein englischer Name!“ Es klang entsetzt. Sam hielt ihr seine Hand hin und Bettina gab ihm das Telefon zurück.

      „Dorothy, jetzt hör mir zu! Sie war letztens am Set dabei, als wir für eine Folge gedreht haben und ist jetzt zufällig wieder in London und wir trinken nur einen Tee zusammen! Ja! Aus Deutschland!“

      Seine Mutter schien nun einen längeren Monolog zu halten und Sam konzentrierte sich darauf, zuzuhören. Nebenbei versenkte er vier Stück Würfelzucker in seinem Tee, rührte um und nahm einen Schluck. Sein Gesichtsausdruck wechselte von Entsetzen zu Resignation und wieder zurück zu Entsetzen. „Mutter“, sagte er vorwurfsvoll. „Ja, das schon … Ja, Mutter … nein … ja … ja …“ Er klang immer weinerlicher. Dann schaute er erstaunt mit vorgeschobener Unterlippe auf sein Telefon und dann zu Bettina. „Jetzt ist mein Vater dazugekommen und sie hat aufgelegt.“

      Bettina trank den letzten Schluck ihres Kakaos und wischte sich den Mund mit ihrer Serviette ab. „Was ist denn das Problem?“

      Sam seufzte. „Das Problem ist, dass meine Eltern beide im April siebzig geworden sind, und das wird übermorgen groß nachgefeiert. Sie erwarten, dass ich dabei bin, was völlig in Ordnung ist. Ich freue mich auch schon darauf, aber dieser Stress, den meine Mutter sich macht … es kommen noch ihre beiden Schwestern, die sie kaum sieht, die es aber in gesellschaftlichen Dingen zu übertrumpfen gilt. Meine Tante väterlicherseits kommt auch, sowie meine beiden Brüder mit ihren Ehefrauen und meine Schwester mit ihrem Mann. Meine Mutter ist da wirklich schwierig. Bei Anstand, Traditionen, dem Garten und Kulturellem muss alles genau so sein, wie es zu sein hat. Mein Dad ist recht entspannt mit allem. Wenn es ihm zu viel wird, geht er raus ins Gartenhaus zu seinen Kaninchen oder rüber zu den Nachbarn.“ Sam hob entschuldigend die Schultern.

      Das Telefon klingelte erneut und Sam telefonierte nun wohl mit seinem Vater.

      Nach dem Telefonat rieb er sich die Schläfen. „Er sagt, jetzt hat meine Mutter sich weinend in der Küche eingeschlossen. Ich werde noch irre.“ Sam trank seinen Tee aus.

      „Ich habe das Problem immer noch nicht verstanden. Kannst du wegen Dreharbeiten nicht dort sein zum Familienfest? Und darüber regen sich alle auf?“

      Sam sah zu Bettina. „Nein. Das Hauptproblem ist …“ Er kam nicht mehr dazu, weiterzusprechen, da eine Gruppe kichernder Frauen plötzlich neben dem Tisch stand und Sams Aufmerksamkeit forderte. Er schrieb geduldig Autogramme und ließ sich noch mit allen fotografieren. Die Frauen beäugten Bettina kritisch von oben bis unten und verließen das Café erst, als der Besitzer aus der Küche kam und sie unmissverständlich bat, zu gehen. Allerdings betrat nun eine weitere Gruppe Frauen das Restaurant und sah sich interessiert um. Sam stand auf. „Lass uns durch den Hinterausgang abhauen“, sagte er und bezahlte die Rechnung.

      Glücklicherweise trafen sie auf ihrem kurzen Weg über die Straße