Waltraud Batz

After the Storm - Kaninchen in Cornwall


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ging. Sie brauchte eine Weile, bis sie das, was sie da sah, als Ohr wahrnahm, über das hellbraune Haare ragten. Sie versuchte, sich aufzusetzen. Sam lächelte ihr zu und setzte sich ebenfalls auf. Er gähnte. „Du bist eingeschlafen. Ich … du … bist zu mir rübergekippt und ich wollte dich nicht wecken.“ Er lächelte. „Es ist schon gleich elf. Ich fahre dich jetzt am besten ins Hotel zurück, bevor deine Freundin die Polizei holt. Dein Handy hat ein paar Mal geblinkt, aber ich hab nicht geguckt.“

      Bettina streckte sich und gähnte ebenfalls. Sie griff sich ihr Telefon vom Couchtisch. <Ich bin so in einer Stunde zurück>, hatte Annette vor einiger Zeit geschrieben. Dann <Wenn du zurückkommst, mach leise, ich geh jetzt ins Bett> und zehn Minuten später wieder <Wo steckst du denn?>. Diese Nachricht war von eben gerade, also standen die Chancen gut, dass Annette noch wach war. Bettina schrieb <Ich fahr auch gleich zurück, bis nachher>.

      „Und?“, fragte Sam und stand auf. Es wurde kalt an ihrer Seite. Sie stand ebenfalls auf und steckte das Telefon weg. „Alles okay. Sie ist jetzt im Hotel.“ Sam nickte und verschwand im Flur. Bettina legte ihre Sofadecke zusammen und Sams gleich mit.

      „So, dann mal los. Hast du alles?“, fragte er. Er hatte die Jogginghose gegen eine schwarze Jeans getauscht und zog den Reißverschluss seiner Jacke zu.

      „Ja, danke für alles. War echt ein schöner Tag.“

      Sam lächelte und nickte, mehr zu sich. „Ja, fand ich auch. Schön, dass es dir gefallen hat.“

      „Ja, war toll.“ Bevor die Situation vollends peinlich wurde, öffnete Sam die Wohnungstür und ließ Bettina den Vortritt.

      Unten angekommen überquerten sie die Straße und liefen einige Meter an den geparkten Autos entlang. Sam öffnete ein dunkelgraues, etwas höheres, sehr kantiges und schnittiges Auto.

      „Oha“, sagte Bettina. „Was ist das für eins?“

      „Ein Toyota C-HR Hybrid“, sagte er. „Für mich die perfekte Kombination aus etwas höherer Sitzposition, Platz und Alltagstauglichkeit.“

      Bettina setzte sich auf den Beifahrersitz und Sam stieg auf der anderen Seite ein. Als er den Motor startete, erwachte das Auto zum Leben und mit ihm diverse Displays und Lichter.

      „Hui“, sagte sie.

      Er lachte. „Ja, ich mag es echt gern. Die ganzen großen Geländewagen, die man hier so viel sieht, kosten teils das Dreifache und sind total unpraktisch. Plus, ich habe lieber ein japanisches Auto als ein britisches.“

      Bettina machte ein amüsiertes Geräusch.

      „Ja, lach nur. Ich mag England wirklich, aber naja.“ Sam fuhr aus der Parklücke heraus auf die Straße.

      „Ich hab selbst ein japanisches Auto, aus ähnlichen Gründen.“

      „Weil du England magst, hast du ein japanisches Auto?“, scherzte er.

      „Du weißt, wie ich das meine“, sagte Bettina und unterdrückte den Impuls, ihm einen Klaps auf den Arm zu geben. Sam grinste und bog an der nächsten Ampel links ab. „Welches Hotel?“

      „So … ich halte hier, da vorn darf ich nicht mehr hin“, sagte Sam und hielt am Straßenrand an. „Dann wünsche ich dir eine gute Nacht und … noch viel Spaß in London.“

      Bettina löste ihren Sicherheitsgurt. „Danke. Für alles“, sagte sie. Sie sahen sich an und wie selbstverständlich beugten sich beide zueinander und küssten sich ganz kurz auf den Mund. Sie bemerkten sofort danach, was eben gerade passiert war und schauten sich an. Sam stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben und Bettina wahrscheinlich auch. Hinter Sam hupte es.

      Er sah in den Rückspiegel. „Ich … stehe in der Taxieinfahrt. Ähm … warte kurz.“ Er wendete das Auto und hielt auf der anderen Seite der Zufahrt, sodass das Taxi hinter ihm vorbeifahren konnte. Er parkte erneut und sah sie an. Seine Mundwinkel zuckten, wie immer, wenn er leicht nervös wurde und er sah aus, als würde er warten, um sich seine Schelte oder ein ‚Okay, nicht schlimm’ abzuholen.

      „Kam irgendwie so“, sagte sie.

      „Genau.“ Er lächelte.

      „Dann … gute Nacht und danke noch mal für alles“, sagte sie, atmete durch und stieg aus dem Auto.

      „Gute Nacht“, rief Sam ihr nach und sie warf die Tür zu. Er drehte, hupte kurz und fuhr dann die Hotelzufahrt entlang zurück zur Straße. Bettina sah dem Auto nach, bis es um die nächste Häuserecke herum verschwunden war und betrat dann das Hotel.

      Es war einer dieser Stresstage im Büro, an dem nichts wie geplant lief, alles auf einmal kam und zudem noch einiges schief ging. Es war Ende Mai und die allgemeine Stimmung war gereizt. Die negative Stimmung hatte alle Abteilungen der Firma, in der Bettina arbeitete, fest im Griff.

      Umso froher war sie, als sie Freitagabend nach Hause kam und nun das Wochenende und die nächste Woche frei hatte. Sie räumte ihre Lebensmitteleinkäufe weg, sie hatte wieder einmal viel zu viel Schokolade gekauft, und schaltete den Fernseher ein. Ein Pay TV-Sender spielte ab heute Abend alle Staffeln von ‚After the Storm’ ab der ersten Folge, und die wollte sie sich nicht entgehen lassen, auch wenn sie die Serie komplett im Regal stehen und schon mehrfach gesehen hatte. Mit Sam hatte sie seit ihrem Londonurlaub im Februar immer noch ein wenig Kontakt. Ab und zu schickte er ein lustiges Bild oder Video oder mal ein ‚Wie geht es Dir?’, aber da sie nach wie vor nicht wusste, was das Ganze zu bedeuten hatte und sie ihn auch nicht nerven wollte, hatte sie jeweils freundlich geantwortet, ihn aber nie mit irgendwelchen Fragen oder Gesprächen bedrängt. Dennoch musste sie fast täglich an die zwei Tage in London und natürlich ihren Kuss denken, und am schlimmsten war es, wenn sie Sam im Fernsehen sah.

      Sie hatte gerade zu Abend gegessen und saß gemütlich auf dem Sofa, als es klingelte. Wer war denn das jetzt? Sam? Bettina öffnete die Wohnungstür. Im Hausflur stand Sonja, eine ihrer Freundinnen, und schneuzte herzhaft in ein Taschentuch. „Kann ich kurz reinkommen? Bin auch gleich wieder weg.“

      Bettina machte einen Schritt zur Seite.

      „Danke.“

      „Du siehst nicht gerade gesund aus.“

      „Bin ich auch nicht. Ich hab seit gestern eine richtig fiese Erkältung.“ Sie ging zum Sessel und ließ sich hineinfallen.

      „Willst du einen Tee?“, fragte Bettina und hielt lieber etwas Abstand.

      „Nee. Ich geh gleich wieder.“

      Bettina setzte sich aufs Sofa und wartete ab.

      „Ich hab doch den Kurzurlaub in London gewonnen, eigentlich sollte ich morgen früh fliegen, aber mit der Erkältung kann ich das vergessen“, schniefte Sonja.

      „Oh, ja, das ist schade“.

      „Ja.“ Sonja zog die Nase hoch und kramte in ihrer Tasche. Sie legte einen mittelgroßen Umschlag auf den Couchtisch. „Wenn du willst, kannst du für mich fliegen. Morgen früh.“

      Bettinas Flugzeug hob am nächsten Morgen pünktlich ab und nach der Landung in London suchte sie sich erst einmal einen Shuttlebus in Richtung Innenstadt. Nachdem Sonja gestern Abend wieder nach Hause gefahren war, hatte Bettina kopfschüttelnd ihren Koffer gepackt. Jetzt war sie schon das zweite Mal in diesem Jahr in England, aber darüber wollte sie sich nicht beschweren. Sie überlegte hin und her, ob sie Sam schreiben sollte oder nicht. Sie entschied sich alle paar Minuten wieder um und als sie im Hotel eingecheckt und ihr Zimmer bezogen hatte, nahm sie doch ihr Telefon zur Hand.

      <Ich bin zufällig gerade wieder in London, magst du einen Kaffee trinken?>, schrieb sie ihm schließlich, nachdem sie den Text bestimmt zwanzig Mal geändert hatte. Es war zwar nicht originell, aber hoffentlich auch nicht zu peinlich oder unangemessen.

      Seine Antwort kam nach fünf Minuten, als Bettina gerade im Hotelflur auf den Aufzug nach unten wartete. <Oh, was für eine Überraschung! Ja, gern, selber Ort wie letztes