Lucy van Geldern

Traumtänzer


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finde, der Text sollte mit `zwei tanzbegeisterte Studentinnen suchen männliche Tanzpartner für den klassischen Paartanz´ beginnen.«

      »Hm«, Conny krauste die Stirn. »Wenn ich mir die vielen Zettel so ansehe, dann sind sie alle witzig und spritzig formuliert. Dagegen klingt unser Text ausgesprochen bieder und langweilig.« Sie drehte eine Locke ihres brünetten, knapp schulterlangen Haares um ihren Finger. »Locker luftig, jederzeit zu einem Tanz bereit - zwei fröhliche Studentinnen suchen geeignete Tanzpartner oder so.«

      Während Conny Ideen produzierte, schrieb Ulrike fleißig mit.

      »Wen das nicht abschreckt, der ruft uns bitte sofort an.« Conny unterbrach sich und sah ihre Freundin an. »Nun kommt die große Frage, welche Nummer geben wir an?«

      Ulrike schüttelte den Kopf. »Am besten nehmen wir deine. Du hast dein Smartphone ständig dabei und bist somit gut erreichbar - anders als ich.«

      »Einverstanden.«

      In großen Ziffern schrieb Ulrike Connys Handy-Nummer auf und heftete den Zettel gut sichtbar neben das Schreiben des Tanzclubs. Ulrike warf einen letzten prüfenden Blick auf ihr gemeinsames Werk und hakte sich dann bei Conny unter, um mit ihr zur Mensa zu schlendern.

      *

      »Teppich beweg dich, Sauger steh still. Na gut, dann eben nicht ...« mit dem Schwung einer fröhlich vor sich hinzaubernden Bibi Blocksberg schob sie den Sauger durch den Raum. Hungrig stürzte er sich auf Staubfussel, verlorene Stecknadeln und kleinere Münzen. Immer wieder schepperte es vernehmlich im Rohr.

      Das Klingeln von Münzen ließ Connys Arbeitseifer übergangslos auf null sinken.

      Sie schaltete den Staubsauger aus und klappte ihn auf. Nun hörte sie endlich das ununterbrochene Schellen an der Wohnungstür.

      Mit ein paar Schritten eilte sie zur Tür, linste durch den Spion und öffnete dann schwungvoll.

      »Hallo Conny. Seit Minuten stehe ich hier und klingel Sturm. Beinahe wäre ich wieder gegangen. Dieses Getöse, was war das? Die Dusche?«

      Ohne ihren Wortschwall zu unterbrechen, schlüpfte Ulrike an Conny vorbei, hinein in die winzige Studentenbude.

      »Der Staubsauger ist so laut. Nur weil augenscheinlich ein paar Münzen in die Düse geraten sind, habe ich ihn überhaupt ausgeschaltet.«

      Ulrike folgte ihr in das kombinierte Wohn- und Schlafzimmer. Während sie es sich im Schneidersitz auf dem Bett gemütlich machte, ging Conny daran, den Staubsaugerbeutel zu öffnen. Energisch krempelte sie die Ärmel ihrer Bluse hoch und tauchte mit ihrer rechten Hand in den Beutel.

      »Leg lieber Zeitung unter. Ansonsten ist die ganze Arbeit umsonst«, riet ihr Ulrike gönnerisch und starrte sie durchdringend an. »Hat sich schon jemand gemeldet?«

      »Wofür?«, fragte Conny, ohne ihre Wühlarbeit zu unterbrechen. »Ach so. Nein, jedenfalls nicht in der Zeit, seit ich zu Hause bin. Vielleicht habe ich es auch überhört.« Nach einer Weile hob sie triumphierend die Hand hoch. »Da, die ersten fünfzig Cent sind gerettet. Es sind noch mehr, die beim Saugen reingeflutscht sind. In ein paar Minuten bin ich steinreich.«

      Es dauerte, bis Conny überzeugt war, dass sich keine Münzen mehr im Staubsauger befanden. Sie klappte das Gerät zu, räumte rasch die herumliegenden Sachen auf, und rieb sich demonstrativ die Hände an der Jeans ab. Zufrieden mit ihrer Rettungsaktion setzte sich zu ihrer Freundin aufs Bett.

      »Wenn du etwas trinken möchtest, Saft, Tee oder Wasser. Es ist alles im Haus.«

      »Ein Saft, bitte. Ich habe uns ein paar Erdnüsse und Chips mitgebracht. So können wir es uns beim Lernen ein wenig gemütlich machen.« Sie drehte ihre Tasche um, und die Knabbereien purzelten auf die Tagesdecke.

      »Aber als Erstes prüfe bitte dein Smartphone!«

      Gehorsam holte sie es vom Nachttischchen und prüfte das Anruferverzeichnis.

      »Nein, leider nichts. Also, dann lass uns lernen! Es gibt keine Ausrede mehr!«

      Kurz darauf saßen sie einträchtig beieinander und ackerten, jeder in seinem Fach. In Reichweite lagen aufgeschlagene Bücher, Notizzettelchen und ein Stapel von Filzschreibern.

      »Hast du gewusst, dass Cäsar Epileptiker war?«, fragte Conny nach über einer Stunde. Ihr brummte der Kopf vom intensiven Pauken.

      »Nee, ich weiß nur, dass sich in japanischen Berghotels die Rotgesichtsmakaken mit den Hotelgästen um die warmen Schwefelbäder balgen.«

      Ulrike reckte sich, lockerte ihre angespannten Muskeln und warf einen Blick auf die Uhr.

      »Gleich halb elf. Höchste Zeit, dass ich nach Hause komme. Heute meldet sich garantiert keiner mehr. Schade, ich hatte mich schon darauf gefreut.«

      »Nicht nur du. Treffen wir uns morgen früh in der Halle und sehen nach unserem Zettel?«

      »Ja. Was denn sonst?«

      Conny begleitete ihre Freundin zur Tür und begab sich anschließend ins Bad. Keine Viertelstunde später lag sie in den Federn. Sie kuschelte sich in ihre Decke, und schon bald hatte sie der Schlaf übermannt. Als ihr Digitalwecker am Morgen klingelte, hatte sie im Traum an mindestens drei Turnieren teilgenommen und sich Blasen an den Zehen getanzt.

      Als sie eine Dreiviertelstunde später an der Uni eintraf, wartete Ulrike bereits auf sie.

      »Ich sehe es dir an. Du hast die halbe Nacht Anrufe entgegengenommen«, lachte sie. »Ich habe wie ein Stein geschlafen und hätte das Telefon gar nicht gehört, selbst wenn es ununterbrochen geklingelt hätte.«

      Gemeinsam drückten sie die schwere Flügeltür auf. Schulter an Schulter steuerten sie die Pinnwand an.

      »Das darf ja nicht wahr sein.« Ungläubig musterten sie ihr ehemals liebevoll beschriebenes Blatt Papier. »Ulrike, kneif mich. Sind wir hier in der Uni oder im Kindergarten?«

      Mit skeptischen Blicken besahen sie ihren Aushang, der über und über mit Zeichnungen und dummen Bemerkungen bekritzelt war.

      »Plattfüße können nicht tanzen - einsam? Sucht ihr Partner für zweisame Stunden? - Bin 86 und tanze wie ein junger Gott«, las Conny kopfschüttelnd vor. »Hier sind wir verkehrt. Dies ist kein Ort für geistige Ansprüche, sondern eher ein Platz für Komiker und Scherzbolde. So ein Mist.«

      Auch wenn die Sprüche alle kameradschaftlich gemeint waren, so ärgerte Conny sich darüber. Gefrustet knetete sie ihre Mappe zwischen ihren Händen.

      »Nun ja, das war ein Schuss in den Ofen«, meinte Ulrike versöhnlich, die ihre Freundin nur zu gut kannte. »Zu blöd. Weißt du was? Wir gehen zu dem Tanzclub und stellen uns vor. Oder wollen wir einen weiteren Anlauf wagen?«

      Trotzig schüttelte Conny den Kopf. Ulrike drückte ihr die Tasche in die Hand und löste die Heftzwecken. Sie faltete das Papier zusammen, und dabei fiel ihr Blick auf die Rückseite.

      »Hier steht noch etwas.« Sie glättete sorgfältig den Bogen, so dass sie die Notiz besser lesen konnte.

      Conny war wie elektrisiert und riss den Zettel an sich. Fieberhaft überflog sie die wenigen Sätze.

      »He, das ist aber nicht die feine Art«, protestierte Ulrike energisch, doch sie wartete geduldig, bis Conny mit dem Lesen zu Ende war.

      Mit einem geheimnisvollen Lächeln gab Conny ihr das Blatt zurück. »Wer sagt es denn. Wir haben doch noch Erfolg. Wenn es stimmt, dann erhalten wir heute Abend von einem Jungen namens Andreas einen Anruf.«

      Ulrike steckte das Blatt ein. Eine kleine, nachdenkliche Falte blieb auf ihrer Stirn, sie traute dem Frieden nicht recht.

      »Das ist einer. Wir aber brauchen zwei Tänzer«, meinte sie. »Egal. Wir müssen los, sonst kommen wir noch zu spät zu unseren Vorlesungen! He, was ist los? Du siehst so entrückt aus. Kann ich dich in diesem Zustand allein lassen, oder muss ich mit irgendetwas Schlimmem rechnen?«

      »Nein, nein. Überhaupt nicht. Ich kann den Abend