Lucy van Geldern

Traumtänzer


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ist eine gute Idee. Bis dann.«

      Ihre Wege trennten sich für wenige Stunden.

      *

      »Was meinst du, ruft er noch an?«, unruhig rutschte Conny auf dem Bett hin und her. Dabei musterte sie ihre Freundin, die gedankenverloren einen Zettel zusammenfaltete.

      Verstreut auf dem Bett lagen ihre Unterlagen. Dazwischen Teller und Tassen von einer eiligen Mahlzeit. Die ganze Zeit über hatte es keine von ihnen so recht geschafft, sich auf das Lernen zu konzentrieren. Immer wieder waren sie auf ihr liebstes Thema, das Tanzen abgeschweift. Und genau so oft hatten sie das Smartphone angestarrt, das auf dem Kopfkissen lag, in der Hoffnung des erlösenden Anrufs.

      »Gleich neun Uhr. Hm, wenn überhaupt, dann in der nächsten halben Stunde. Ansonsten können wir nur froh sein, dass außer uns niemand von der Aktion Schneller Partner wusste. Stell dir vor, wie sich die anderen über uns lustig gemacht hätten.«

      Conny blickte ununterbrochen das Smartphone. Wie eine Schlange, die eine Maus hypnotisiert, starrte sie das stylische Gerät an. Es tat ihr nicht den Gefallen zu klingeln, sondern schwieg eisern.

      »Ich hole uns noch etwas zu trinken, mein Mund fühlt sich so trocken und staubig wie die Luft an.«

      Schwungvoll rutschte sie vom Bett. Genau in diesem Moment klingelte es. Einen Atemzug stand sie verwirrt da, dann stürzte sie sich mit einem Hechtsprung auf den Apparat.

      »Conny Mertens«, meldete sie sich. Rasch drückte sie auf Laut, sodass Ulrike jedes Wort verstand. Dennoch rückte ihre Freundin noch näher heran.

      Eine sympathische, dunkle Stimme erklang.

      »Hallo, hier ist Andreas. Ich rufe wegen eurer Notiz am Schwarzen Brett an.«

      Der Klang der Stimme faszinierte Conny. Unbewusst fasste sie das Smartphone noch ein wenig fester, so als ob sie Angst hätte, es zu verlieren. Fieberhaft suchte sie nach den passenden Worten.

      »Hallo. Ja, der Aushang war von mir, äh, von meiner Freundin und mir. Schön, dass du anrufst.« Nur mühsam brachte sie ein paar sinnvolle Sätze über ihre Lippen. Und im gleichen Moment ärgerte sie sich über ihre ungeschickte Ausdrucksweise.

      »Ist doch eine Selbstverständlichkeit. Ich habe es ja auf dem Zettel vermerkt. Also, nun schieß los. Was für Tänzer sucht ihr? Ich habe verschiedene Lehrgänge besucht. Von Hip-Hop bis zu den klassischen Tänzen; überall besitze ich ein wenig Erfahrung.«

      Vom Klang der Stimme gefesselt, vergaß sie völlig, dass Ulrike neben ihr saß.

      »Das ist ja traumhaft. Mein Schwerpunkt liegt bei den klassischen Tänzen. Und damit würde ich auch gern weitermachen.«

      Ein kräftiger Rippenstoß erinnerte Conny schmerzhaft an ihre Freundin. Leise flüsterte Ulrike ihr zu: »Und ich?«

      »Es geht nicht allein um mich, Andreas. Meine Freundin sucht ebenfalls einen Tanzpartner. Kennst du zufälligerweise einen begeisterten Tänzer, oder möchtest du mit uns beiden tanzen?«

      Einen Moment schwieg Andreas. Panisch überlegte sie, ob sie ihn mit ihrer Frage verschreckt hatte. Conny hörte nach einer Weile, wie er sich räusperte. »Mal sehen. Ich höre mich bei meinen Freunden um.«

      »Das wäre toll. Ulrike und ich, wir möchten weiterhin zusammen trainieren.«

      »Das verstehe ich. Wie wär es, wenn wir uns im Café am Marktplatz treffen. Dort unterhalten wir uns in aller Ruhe und besprechen die weiteren Einzelheiten. Seid ihr damit einverstanden?«

      »Samstag Nachmittag?«, fragte sie, nach einem kurzen Seitenblick auf Ulrike, die heftig nickte. »Ja, gut. So ab vier Uhr?«

      »Prima. Bis dahin höre ich mich nach einem zweiten Partner um. Vielleicht habe ich Erfolg. Versprechen kann ich allerdings nichts. Also schönen Abend noch.«

      Schweigen. Andreas hatte das Gespräch beendet. Tief atmete Conny auf und sah ihre Freundin an. Das Smartphone hielt sie dabei noch immer fest.

      »Diese Stimme. Ulrike hast du das gehört?«

      »Ja, ich bin doch nicht taub. Dass du so von den Socken bist, wundert mich. Ich erlebe dich gerade von einer völlig neuen Seite. So durcheinander hab ich dich noch nie erlebt.« Skeptisch musterte sie Conny, die mit offenem Mund vor sich hinträumte.

      Ohne ein Wort zu sagen, stand Ulrike auf und ging in die Küche. Als sie mit zwei Gläsern Saft zurück ins Zimmer kam, saß Conny noch immer unverändert da.

      »Erwartest du einen weiteren Anruf?« Sie reichte ihr das Glas und machte es sich erneut auf dem Bett bequem. Verständnislos sah Conny sie an. Dann begriff sie endlich, was Ulrike meinte. Verwundert schüttelte sie den Kopf und legte das Smartphone wieder auf ihr Kissen. Schweigend hingen die Girls ihren Gedanken nach.

      »Ich bin gespannt, ob er genau so gut aussieht, wie seine Stimme klingt.« Conny war die Erste, die nach einer Weile das Wort ergriff.

      »Ja, stell dir nur vor: eine Stimme wie ein Traum, dazu aber ein dürrer Körper wie ein Skelett und lange, ungepflegte Haare.«

      Conny sprang auf. »Wir sind Idioten! Hast du eine Ahnung, woran wir Andreas erkennen sollen? Das Café ist garantiert gut besucht! Die ganze Zeit haben wir uns über das Tanzen unterhalten. Doch keiner ist auf die Idee gekommen, ein Erkennungsmerkmal zu nennen. Ich weiß nicht einmal seinen Nachnamen.«

      »Schau auf doch auf dein Smartphone. Schließlich gibt es so etwas wie eine Rückruffunktion.«

      Schneller, als sie es von ihrer Freundin erwartet hätte, hechtete Conny zum Smartphone und tippte hektisch auf dem Display herum.

      »Nichts. Er hat seine Nummer unterdrückt! Was machen wir nun?« Sie warf das ihr silberglänzendes Smartphone zurück auf das Bett und wanderte mehrere Minuten lang durch das Zimmer. Ulrike sah ihr dabei gelassen zu. Sie kannte Conny gut genug, um zu wissen, dass sie sich nach einiger Zeit wieder beruhigen würde. Danach konnten sie in Ruhe Pläne schmieden.

      »So ein Mist. Ich benehme mich wie eine blutige Anfängerin. Was machen wir, wenn er am Samstag nicht kommt?«

      »Bestimmt kommt er. Er ist garantiert nicht der Typ, der andere auf den Arm nimmt. Sonst hätte er nicht angerufen. Und was soll ich sagen? Im Gegensatz zu dir habe ich keinen Tanzpartner in Aussicht. An den Tagen, wo du dich mit Andreas triffst, drehe ich Däumchen und sehe euch zu. Schöne Perspektive.«

      Langsam realisierte Conny, wie unangebracht ihr Theater war. Versöhnlich setzte sie sich hin und lächelte ihre Freundin an.

      »Nein, du wirst nicht nur dasitzen und dich langweilen. Falls Andreas keinen Studenten kennt, der tanzen möchte, versuchen wir es direkt beim Club. Dort haben wir garantiert Erfolg. Und ansonsten hat unser Mister Unbekannt das zweifelhafte Vergnügen, abwechselnd mit uns beiden zu tanzen.«

      Erneut sprang Conny auf. Sie spurtete in die winzige Küche und kam kurz darauf mit einer Piccoloflasche Sekt zurück.

      »Zwar gibt es keinen Grund zum Feiern, aber zur Beruhigung der Nerven eignet er sich gut.«

      2. Kapitel

      Nervös ging Conny auf und ab. Tausend Schmetterlinge schienen in ihrem Magen zu flattern. Dabei kitzelten sie die Spitzen der Flügel ununterbrochen.

      »O je, wie bist du nur aufgedreht«, lachte Ulrike.

      »Kein Wunder. Letzte Nacht habe ich davon geträumt, dass ein Typ mit Frankenstein-Maske mich verfolgt und mit mir tanzen will.«

      »Mach dich nicht verrückt. Du sollst dich ja nicht in ihn verlieben. Wir beide suchen nur einen Tanzpartner und keinen Mann fürs Leben!« Dennoch verstand sie Conny nur zu gut. Fast eine Woche hatte sie auf dieses Treffen gewartet, und nun endlich sollten sie Andreas persönlich kennenlernen.

      Vor dem Eingang des Cafés blieb Conny abrupt stehen und sah ihre Freundin mit einem verzweifelten Blick an.

      »Sitzt