Anita B.

Zwischen Knast und Alltag


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seinem unwiderstehlichen Lächeln hinzu: »By the way, du sahst so süß aus in deinem Tennisröckchen.« Spätestens zu diesem Zeitpunkt war ich hoffnungslos verknallt.

      An dem Tag hatten wir noch ein weiteres Spiel, welches wir ebenfalls gewannen. Auch dieses Match schaute John sich bis zum Ende an. Unser Coach war sehr zufrieden mit uns und wir nutzten die Gelegenheit, ihn zu fragen, ob wir am Abend allein zum Essen gehen dürften. Wir versprachen pünktlich zur vereinbarten Sperrstunde um zweiundzwanzig Uhr zurück im Hotel zu sein. Dem Häuptling war unsere neue Bekanntschaft natürlich nicht entgangen, allerdings genauso wenig die Klasse Leistung, die wir auf dem Platz abgeliefert hatten. Er war einverstanden und wir sollten ihn nicht enttäuschen.

      Katti kam selbstverständlich auch auf ihre Kosten. Ich hatte John gebeten, am Abend einen Freund mitzubringen. Er lachte nur und meinte: »Das hätte ich ohnehin gemacht. Ich will schließlich noch viel mehr über dich erfahren. Und da ich schon bemerkt habe, wie schüchtern du vor anderen bist, muss ich deine Katti doch irgendwie ablenken.«

      Und mit dieser »Ablenkung« hatte keine von uns beiden gerechnet. Noch so ein kalifornischer Dream-Boy stand da plötzlich vor unserer Hoteltür und holte uns zusammen mit John ab. Es fehlten nur noch ihre Surfbretter unterm Arm, ansonsten lief es ab wie im Fernsehen. Connor war ungefähr im selben Alter wie wir, sah aus wie ein Abercrombie-Model und holte uns in seinem schwarzen offenen Cabrio ab.

      An diesem Abend blieb es beim gemeinsamen Abendessen und einem Abschiedskuss. Katti und ich waren wie zwei Teenager, wir quatschten danach die halbe Nacht in unseren Betten. Wir konnten kaum glauben, welche Prachtschätze uns da über den Weg gelaufen waren und überlegten bereits an diesem Abend, ob wir unsere Zeit hier um die Ferienwoche verlängern sollten. Normalerweise ging es nach dem Ausscheiden aus einem Turnier oft noch am selben Tag zurück. Nur dieses Mal, mit Spring Break im Anschluss, bot es sich quasi an, unsere »Flitterwochen« noch ein wenig auszubauen.

      Katti und ich konnten unser Glück kaum fassen. Zu unserem Erstaunen stellten sich die beiden als nicht nur oberflächliche Schönlinge heraus, sondern sie lasen uns jeden Wunsch von den Lippen ab und trugen uns die verbleibende Zeit in L.A. auf Händen. Längst waren wir mehr als nur Freunde.

      Annonce endgültig abgehakt

      Ich muss mich da in etwas hineingesteigert haben. Das kann überhaupt nicht sein. John Jackson ist ganz sicher nicht der John, dem ich vor vierzehn Jahren endlose Stunden hinterhergetrauert hatte. Das Foto hier auf Facebook: Zugegeben, es sieht ihm ein wenig ähnlich, aber erstens ist es ziemlich unscharf, zweitens hatte John damals viel längere Haare und drittens ist es vierzehn Jahre her, dass wir uns zuletzt gesehen haben. Was weiß ich, wie John heute aussieht. Außerdem scheine ich auch dieses Mal, schon bei dem Namen, John, kein Glück zu haben. Selbst nach über einer Woche hat sich John Jackson weder auf meine SMS, noch auf Skype und auch nicht über Facebook gemeldet. Die E-Mail, die ich an Johns damalige Adresse geschrieben habe, blieb auch unbeantwortet.

      Ich liege im Bett und überlege. Sollte ich mich vielleicht doch morgen Vormittag hinsetzen und John Jackson einen Brief schreiben? Vielleicht gibt es tatsächlich einen Grund, warum er den Postweg gewählt hat. »Was auch immer dieser Grund sein mag?«, schüttle ich den Kopf. Die Adresse von seinem momentanen Domizil hatte er wenigstens angegeben. Was habe ich schon zu verlieren? Die Annonce hat eh nichts gebracht, acht Wochen sind seither vergangen. John Jackson wird entweder auf meinen Brief antworten oder eben nicht.

      Einundzwanzigster Mai, die Jungs sind wie jeden Morgen in der Kita. Ein letztes Mal schaue ich erwartungsvoll in meine Mailbox. Aber wie inzwischen erwartet, habe ich auch heute keine Nachricht von John. Noch einmal suche ich die Telefonnummer von Johns Internetseite heraus. Ich muss wissen, wer dahintersteckt! Ich nehme all meinen Mut zusammen und wähle die Nummer. Innerhalb weniger Sekunden sind meine Hände schweißnass. »Diese Rufnummer ist uns leider nicht bekannt, aber wir können Sie gerne mit der Auskunft verbinden«. »Nein danke, nicht nötig!«, schüttle ich den Kopf und lege auf. Zumindest weiß ich jetzt, warum er meine SMS ignoriert hat. Auch auf Facebook ist er laut seinem letzten Eintrag fast ein Jahr nicht mehr online gewesen. Schon irgendwie komisch das Ganze.

      Ein wenig widerwillig setze ich mich an den Tisch. »Das wird schon so ein Spießer sein!«, sage ich laut und verdrehe die Augen. Per Brief zu antworten, wenn ich schon extra eine E-Mail-Adresse mit angebe. Aber gut, Zeit verschwendet habe ich die vergangenen zehn Tage genug, jetzt schreibe ich ihm eben einen Brief!

      Ganz oben, sozusagen als Wink mit dem Zaunpfahl, platziere ich meine Telefonnummer und meine E-Mail-Adresse, so dass er sich in Zukunft hoffentlich aufs digitale Antworten beschränkt. Ist schließlich schneller, billiger und außerdem möchte ich ein Foto von ihm sehen.

      Zunächst entschuldige ich mich für meine verspätete Antwort und nenne als Grund, dass ich seit Tagen versuche, ihn auf sämtlichen digitalen Medien dieser Welt zu kontaktieren. Daraufhin wird er mir bestimmt mitteilen, warum er momentan weder auf Skype noch auf Facebook vertreten ist.

      Total ungewohnt, mal wieder etwas per Hand zu schreiben, und das mehr als nur den Einkaufszettel. Ich versuche mich in Schönschrift, doch letztlich wird es ein furchtbares Gekrakel. »Das ist garantiert der letzte Brief, den ich auf diese Art und Weise schreibe!«, ärgere ich mich lautstark.

      Am nächsten Morgen sitze ich ab zehn Uhr am Rechner und checke alle fünf Minuten meine Mailbox. Was ist eigentlich los mit mir? Ich kenne den Typen doch überhaupt nicht. Warum lasse ich mich jetzt schon so verrückt machen? Vielleicht schwebt auch irgendwo diese winzig kleine Hoffnung in mir mit, dass es sich eben doch um John J. handeln könnte. Aber will ich das überhaupt? Hatte ich damals nicht schon genügend schlaflose Nächte wegen ihm? Vielleicht. Aber zu diesem Zeitpunkt hätten wir leider keine Chance gehabt. Und heute?

      Ich möchte diesen Gedanken gar nicht weiterdenken und gehe in die Küche, um Mittag zu essen. Halb zwei checke ich meine Mailbox das letzte Mal. Wieder nichts. Okay, sicher ist John Jackson noch in der Arbeit und bekommt meinen Brief erst am Abend.

      Um die Zeit bis dahin schneller zu überbrücken, gehe ich den restlichen Nachmittag mit den Jungs auf den Spielplatz. Das Wetter ist klasse und Felix‘ kleiner Freund Max mit seiner Mama Patricia leisten uns Gesellschaft. Innerlich sitze ich wie auf Kohlen. Es zerreißt mich fast vor Neugier. Hat John inzwischen geantwortet? Mein Handy liegt daheim auf der Couch und ich habe somit keine Möglichkeit ins Internet zu kommen. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass John inzwischen schon eine ganz liebe Nachricht geschrieben hat, die all meine offenen Fragen beantwortet.

      Nichts davon bewahrheitet sich. Als wir gegen halb sechs nach Hause kommen, stürze ich sofort an den Rechner. Doch außer einer E-Mail von meiner Schwester sehe ich nichts. Enttäuscht mache ich den Jungs ihr Abendbrot und stecke sie danach in die Badewanne. Am Abend schaue ich noch das eine oder andere Mal nach, aber es kommt keine Nachricht von John Jackson. In der Hoffnung, dass mein Brief vielleicht erst morgen ankommt, gehe ich ins Bett.

      Doch auch die nächsten Tage höre ich nichts von diesem John. Inzwischen bin ich mir endgültig sicher, dass er sich nicht mehr melden wird.

      Wieder ein Brief?

      Fünf Tage später, gefühlte fünf Wochen, kann ich meinen Augen kaum trauen. Im Briefkasten liegt erneut ein Brief, der an mich adressiert ist. Wieder kommt er von John, John Jackson. »Was ist das denn für ein Idiot?«, schießt es spontan aus mir heraus. Wieso schreibt der jetzt schon wieder per Post? Ich reiße den Brief auf, setze mich hin und beginne zu lesen.

       Hallo liebe Lara,

       vielen Dank für deinen herzlichen Brief. Ich musste ja schon ein wenig schmunzeln, als ich gelesen habe, wie sehr du versucht hast, mit mir Kontakt über die »digitale Welt« aufzunehmen.

      Ha, der ist witzig. Wieso antwortet er dann bitte nicht über die »digitale Welt«? Kopfschüttelnd lese ich weiter.

       Wie du ja sicherlich gemerkt hast, gibt es recht viele Informationen über