Jaqueline Merlin

Elisa


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      Als sie mich ansah, fügte sie hinzu: “David, sei nicht kindisch. Es gibt keinen Grund zu Tränen.“

      INTERNATIONALES GESCHÄFT

      Ich inserierte in allen Lokalzeitungen der Umgebung und in Fachzeitschriften für Antiquitäten, die

      von internationalem Rang waren. Sie wurden in London sowie in den USA gelesen. Die Kontakte,

      die damit geschlossen wurden, waren Gold wert. Meine Mutter und ich bekamen Einladungen und

      Besuche von Amerikanern, die eine Leidenschaft für meine Sammlungen zeigten, die sich allerorts

      sehen lassen konnten. Maggi erlebte bei den Amerikanern einen Aufstieg, weil ihre einfache, naive

      Art in der Beratung sehr beliebt war. „Sen se mal, det nennt man hier Falter wie „Batterflei“ un det

      Blumen wie „Flauer“. Sie waren fasziniert von ihr. Maggi steckte oft ihr großzügiges Trinkgeld ein

      und bedankte sich mit einem kleinen Knicks und breitem, natürlichen Smiling. Man hätte sie gern

      in ein schickes Kostüm gepackt, dass sie dem amerikanischen Kitsch genauer entsprochen hätten.

      Wie glücklich scheinen mir heute jene Tage. Wie schnell waren alle Ängste und Zweifel vergessen,

      dass ich es nicht schaffen würde in der Zeit. Wenn ein Unternehmen nach zwei Jahren Fuß gefasst

      hat in seiner neuen Orientierung und man rückblickend unverhoffte Erfolge verbuchen konnte, sind

      die Anstrengungen wie verflogen, kaum noch wahrnehmbar in dem Bewusstsein des wachen Eifers,

      die Trefferquote zu erhöhen. Im tiefen Schlaf und in meinen Träumen spiegelte sich anderes wieder.

      EIN ALBTRAUM

      Es war Frau Robin, die ich seit meiner Internatszeit nicht mehr gesehen und vergessen hatte, die

      im Traum splitternackt, wunderschön wie früher, mir entgegen getaucht kam in dem tiefen Wasser.

      „Hallo, David“, rief sie. „Können Sie nicht noch mal tauchen,- nur für mich? Sie brauchen es nicht,

      wenn Sie nicht wollen. Doch ich hoffe, Sie tun es.“ Gieriges glitzerte auf ihrem Körper und Gesicht

      wie damals in ihrem Salon, mit einem Gefühl von gleichzeitiger Erregung und bösester Vorahnung,

      die für mich nicht begreifbar war, tauchte ich nur ihr zuliebe noch einmal hinab. „Tiefer“, schrie sie

      und „Ja, richtig! Oh, Sie sind wunderbar!“ Während sie es ausrief, befand ich mich auf dem Grund,

      dem Meeresboden, der mit Trümmern von zerschmetterter Porzellanware übersät war, Schiffbruch

      meines Geschäfts mit zerstreuten Rechnungen, offenen Schränken, zerbrochenen Fenstergläsern.

      Ich fand das nicht toll und tauchte schleunigst wieder hinauf. Darauf erblickte ich eine zweite Figur

      in dem wolkigen Dunst, die augenscheinlich in dem Unrat herumkroch und krabbelte wie ein Kind.

      Es war nicht Frau Robin sondern ein dreijähriges, kleines Mädchen, das sich seinen Weg bahnte.

      Als ich näher geschwommen kam, hörte ich ein bitteres Weinen. „Wer bist du?“ fragte ich. „Was?“

      „Der Weg ist so weit durch das Meer. Ich suche meine Mutter“, klagte sie jämmerlich. Dann sah

      ich Verwesung an ihrem kleinen Körper sowie blauschwarze Flecken seiner üblen Misshandlung.

      Sie musste schon Wochen unter Wasser sein. Ich ergriff diese Hand, die nicht mehr fassbar war.

      „Komm‘, ich führe dich zu deiner Mutter.“ Ich drehte mich um und sah nur noch ein Quallen-Bild.

      Kreischend wachte ich auf. Auf der Bettkante saß meine Mutter und versuchte, mich zu beruhigen.

      „David, du bist überarbeitet, du brauchst unbedingt Ruhe, wach‘ auf.“ „Du hörst es nicht“, rief ich.

      Ich erzählte ihr den Traum, wobei ich wie ein Kind schluchzte. Sie beruhigte mich, wie sie konnte,

      schüttelte mein Kopfkissen auf, brachte mir heiße Milch mit Rum und verharmloste diesen Traum.

      „Du darfst dich von einem Traum nicht ängstigen lassen, David, Träume sind oftmals unwirklich.“

      Sie hielt eine Tasse Tee in der einer Hand. Mit der zweiten drückte sie zuversichtlich meine Hand.

      „Du solltest dich erholen von den letzten Anstrengungen. Vielleicht schläfst du einfach bei mir für

      zwei Nächte. Da ist niemand, der uns auslachen könnte.“ Daraus wurden drei Nächte, die mit Puh,

      dem Bären und dem zusammen Lesen in Fix & Foxi- Heften vor dem Licht ausknipsen tatsächlich

      halfen, meine innere Ruhe wiederzufinden. Ich schlief viel tiefer und fester bei ihr, was mir gut tat.

      Zwei Jahre stand ich ständig unter Entscheidungsdruck mit der Angst zu versagen oder das Kapital

      falsch anzulegen. Wenn da nicht meine Mutter gewesen wäre. Sie wusste, welche Sorgen es waren,

      die mich vereinnahmten, dass ich gereizt reagierte auf den Durchzug, nervös nicht schlafen konnte.

      Abstoßend ekelig nagte der Traum an meinem Verstand. Ich sprang am Schreibtisch vom Stuhl auf

      und rief aus: “Moment mal, so nicht!“ Als wollte ich das Traumbild wie einen Spiegel zerschlagen,

      meine unerträglichen Gedanken mit aller Gewalt unterbrechen: „Moment, so doch wirklich nicht!“

      Zeitweise dachte ich ernsthaft darüber nach, den Psychiater aufzusuchen, der Träume deuten kann.

      GEORGIAS HOCHZEIT

      Das schönste Ereignis in diesem Sommer war Georgias Hochzeit, die schon Monate vor dem Tod

      meines Vaters stattgefunden hätte, da sie, in Maggis Worten gesprochen, „ in festen Händen war“.

      Jeder mochte Henry York, den beliebten Lehrer, der das Zeugnis zum künftigen Schulrektor hatte,

      und ein vortrefflicher Golfspieler war. Ich konnte mit ihm eine Unendlichkeit von Zeit vergeuden,

      ohne dass mir langweilig wurde. Nachts brüteten wir vor einem Schachbrett, bis Schachmatt kam.

      Wenn für Georgia natürlich keiner gut genug gewesen wäre, machte ich bei Henry die Ausnahme.

      Meine Mutter bemerkte: „Ihn würde sogar ich heiraten!“ Henry war Vater in seiner Art ähnlicher,

      als wir es vorher gemerkt hatten. Anton hielt große Stücke auf ihn und führte eine Predigt leichter

      im Inhalt, als es sonst bei Hochzeiten üblich ist, dass einige Gäste anfingen, über beide zu lachen.

      Kein Schwermut, kein Bann des Lebens, keine Verlegenheit, ohne wenn und aber, viel lustiger.

      Vielleicht hätten ihre eigenen Schüler darüber gelacht. Doch lag ihre Hochzeit in den Schulferien.

      Er meinte, dass sie in der unvollkommenen Welt gewiss nichts Besserem mehr begegnen würden,

      als sich selbst zur Vervollkommnung wie geschaffen und zur Freude ihrer Kinder. Vierzig Kinder

      der Gegenwart hätten sie bereits als Schüler glücklich gemacht. Das Zehntel käme vielleicht dazu.

      Gott wollte von Abraham ein Zehntel. Er schützte seinen einzigen Sohn Isaak auf dem Opferaltar.

      Manchmal war es für die Gläubigen schwierig, die Aussagen von Anton richtig nachzuvollziehen.

      Georgia war von dem Tod unseres Vaters genauso betroffen